Mein Spaziergang durch den Wahlplakaten-Wald

„Ich geh auf den vereinten Straßen, es riecht nach Dummheit und Gefahr“

Liedzeile Klaus Hoffmann

Am Sonntag, 26. September hat Deutschland die Wahl. Die Entscheidung wird am Ende zwischen den Spitzenkandidaten der CDU, SPD und den Grünen fallen. Seit Wochen tobt in den Medien der Wahlkampf. Obwohl er in diesem Jahr ein wenig nüchterner und zurückhaltender ausfällt, ist es immer wieder das gleiche Spiel. Die Parteien, ganz gleich welcher Colour, buhlen um die Gunst des Wählers. Während eines abendlichen Spaziergangs durch unseren Wahlplakaten Wald habe ich mir die Frage gestellt, ob sich unsere Politik noch in der richtigen Spur befindet.

Man findet kaum noch eine unbenutzte Straßenlaterne in unserer Gemeinde. Wahlplakate mit den Kandidatinnen und Kandidaten der einzelnen Parteien sind praktisch überall zu finden. Einer Umfrage zufolge fühlen sich über 80 Prozent der Teilnehmer durch ihren, Bundestagsabgeordneten nicht ausreichend vertreten. Dieses Ergebnis macht mich nachdenklich. Eigentlich sollen die in den Bundestag gewählten Politiker die Interessen ihres Wahlkreises vertreten. Warum gelingt ihnen das nicht ? Machen unsere Abgeordneten ihre Arbeit wirklich so schlecht oder bekommen wir nur die Hälfte mit? Erstmals wird in der Geschichte der Bundesrepublik ein Bundestagswahlkampf geführt, ohne dass eine Kanzlerin oder ein Kanzler das Amt verteidigt. Wer soll nach Merkel dieses Land anführen?

Die Parteienlandschaft hat sich verändert. Die Volksparteien kämpfen um ihren Stand und wählen dabei oftmals die falschen Mittel. Von allen Plakaten werden uns Versprechungen vermittelt. Dabei glauben 60 Prozent der erwähnten Umfrage nicht daran, dass die Parteien ihre Wahlversprechen einhalten. Immer weniger Wählerinnen und Wähler lesen sich tatsächlich das Programm der Partei ihrer Wahl durch. Ich habe in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, dass es immer mehr um Personen anstatt um die Parteien geht. Obwohl eine Vielzahl von Menschen genau diesen Umstand beklagt, rückt der Spitzenkandidat immer mehr ins Zentrum unseres Denkens. Längst geht es nicht mehr um die Partei und deren Grundsätze, sondern vielmehr darum, wer unser Land am besten vertritt. Das Ganze hat sehr viel mit Vertrauen, Charakter, Persönlichkeit zu tun. Unsere Medien und besonders die digitalen Netzwerke verbreiten Stimmungen und sind längst dazu im Stande einen guten Kandidaten kaputt zu machen oder nach vorne zu puschen. Die Suche nach Fehlern rückt in den Vordergrund. Nicht die beste Frau oder der beste Mann wird diese Wahl gewinnen, sondern der- oder diejenige dem die wenigsten Fehler passieren.  

Der Grünen-Kandidatin Baerbock steckt fest in einem Plagiatsvorwurf. Olaf Scholz von der SPD muss sich im Wahlkampf mit dem Wirecard-Skandal beschäftigen und für Armin Laschet von der CDU könnte das Thema „Hambacher Forst“ unangenehme Folgen haben. Die Konkurrenz könnte von diesen Fehltritten profitieren. Ob sie tatsächlich davon Nutzen trägt mag ich nicht beurteilen. Zumindest die FDP konnte sich in den letzten Monaten etwas herankämpfen. Die Partei muss sich jedoch viel mit der eigenen Vergangenheitsbewältigung beschäftigen. Werden die Liberalen diesmal ihrer Verantwortung gerecht? Bei meinem Spaziergang durch den Wahlplakaten-Wald lese ich auf einem FDP-Plakat „Nie gab es mehr zu tun“. Stimmt. Nur, die Liberalen hätten ja bereits vor vier Jahren mit ihrer Arbeit beginnen können. Mir klingt noch heute der Satz des Parteichefs Linder in den Ohren: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Ist es so einfach? Kann man so fahrlässig mit einem Wählervotum umgehen?

Auf einem „Grünen-Plakat“ lese ich:“ Klima retten. Menschen retten“. Ich halte kurz an und nicke übereinstimmend. Ja, klar. Wir alle müssen viel mehr tun, um das Weltklima zu erhalten. Schlimm genug, dass es nur noch um das Erhalten geht. Verbessern ist kaum mehr möglich. Wir sind es der nächsten Generation schuldig alles dafür zu geben, dass diese Welt sich weiterdreht. Ich bin dafür und gehe weiter meinen Weg.

Ich passiere ein Plakat der CDU und muss wieder mal feststellen, dass diese Partei ihr Handwerk beherrscht. Man kann von den Konservativen halten was man möchte, die Partei weiß, wie man sich vermarktet. Während meines Spaziergangs lese ich: „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“ oder „Klima schützen-Jobs schaffen“ oder auch einfach nur:“ Mit Sicherheit“. Die CDU setzt auf ihre konservativen Werte und auf einen angeschlagenen Spitzenkandidaten. In den vergangenen Wochen kam mir immer wieder zu Ohren:“ Hätten die den Söder genommen, hätte ich Sie gewählt“. Da haben wir es wieder mal: Zählt am Ende tatsächlich die Person mehr als das Partei- Programm? Haben die CDU-Mitglieder mit ihrer Entscheidung für den Spitzenkandidaten Laschet dafür gesorgt, dass diese Wahl eventuell verloren geht?

Blau ist eigentlich meine Lieblingsfarbe. Am Plakat der AFD gehe ich jedoch acht-und gedankenlos vorüber. Ich möchte meine Zeit nicht mit unsinnigen Parolen und rechter Hetze verschwenden. Die „Linke“ fordert auf ihren Plakaten, dass es Zeit wird zum Handeln: “Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit“. Was bitte ist eine Klimagerechtigkeit? Die „Linke“ schafft es immer wieder den Finger in die Wunde zu legen. Leider geht mir immer wieder das Vertrauen in diese Partei verloren. Ansätze allein reichen am Ende nicht aus. Kann die „Linke“ Regierungsverantwortung übernehmen. Unwillkürlich denke ich an die Angst der CDU vor einer „rot -rot -grünen“ Regierung und muss schmunzeln. Ich denke diese Nummer zieht längst nicht mehr.

Auf meinem Weg sehe ich viele interessante Plakate, dabei sorgt „Die Partei“ wieder mal für ein Skandälchen. Mit ihren Parolen:“ Hier könnte ein Nazi hängen“ oder „Nazis töten“ polarisiert die Partei und sorgt für Aufruhr. Ich möchte diese Plakate nicht gutheißen, empfehle jedoch jedem Kritiker genauer hinzusehen und das ganze mal sacken zu lassen. Schließlich komme ich Zuhause an und blicke auf das SPD-Plakat mit unserem Spitzenkandidaten Christian Petry. Seit Monaten befindet sich unser Kandidat im Wahlkampf. Der Preis ist hoch. Keine Freizeit, kein freies Wochenende und Stress pur. Natürlich gilt dies für alle Spitzenkandidaten auch für Nadine Schön von der CDU. Christian Petry wird es in einem traditionell schwarzen Wahlkreis schwer haben. Ich sehe auf das rote Plakat und denke an das Wörtchen „basisnähe“. Chris Petry liebt und lebt das was er macht. Überraschenderweise sind die letzten Umfragewerte sehr gut und es besteht durchaus Grund zur Hoffnung. Keiner in der SPD hätte dies für möglich gehalten. Wer hätte geglaubt, dass die alte krisengeschüttelte Dame „SPD“ kurz vor Toresschluss die Umfragen liste anführt? Die Partei hat schwere 20 Jahre hinter sich und musste sich dabei mehrmals neu erfinden. Es ist mit Sicherheit nicht leicht ein Sozialdemokrat zu sein. Auf einem Wahlplakat von Olaf Scholz lese ich:“ Respekt für Dich“. Ja, mit dem gegenseitigen Respekt ist das gerade in der Politik so eine Sache. Kann Olaf Scholz Kanzler? Die SPD ist die älteste Partei Deutschlands. Früher stand Sie für das arbeitende Volk und den kleinen Mann. Die Partei hat nach der Agenda 2010 lange gebraucht, um sich zu erneuern. Viele Menschen werden in diesem Jahr der SPD ein zweite, vielleicht letzter Chance geben. Wird die SPD diese Chance nutzen? Aus großem Erfolg wächst große Verantwortung.

Ich bin Zuhause und nehme Platz in meinem Büro . Am Sonntag entscheiden die Menschen in unserem Land welche Partei die Mehrheit erringt und wer am Ende Kanzlerin oder Kanzler wird. Dabei haben auch die Wählerinnen und Wähler ihre Verantwortung. Immerhin haben sie eine Wahl. Dies ist nicht überall auf der Erde der Fall . Die sozialen Medien sorgen dafür, dass jede oder jeder seine Meinung kundtun kann. Das ist grundsätzlich gut und ich bin ein großer Freund von Meinungsfreiheit. Fatal wird es jedoch, wenn es unter die Gürtellinie geht. Wenn Kandidatinnen und Kandidaten beleidigt, bespuckt oder bedroht werden. Ich gehe an einem mutwillig zerstörten Wahlplakat vorbei und muss unwillkürlich den Kopf schütteln. Dieser Vandalismus nervt mich. Keine Partei, ganz gleich welche hat es verdient, dass ihr Eigentum dermaßen mit Füßen getreten wird. Nein liebe Freunde, so leicht kommen wir aus dieser Nummer nicht raus. Es ist auch DEIN Land und wir alle haben die Verantwortung diese Erde für unsere Nachkommen lebenswert zu gestalten.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass viele Themen zuletzt in den Hintergrund gerieten. Was ist mit der Maut- Affäre, dem Masken-Skandal, den schrecklichen Naturereignissen, dem Kampf gegen Extremismus, der Europapolitik, unserer Rente und wie geht es weiter in Sachen Pandemie? Wer hat die passenden Antworten auf die Fragen unserer Zeit?

Deutschland im Herbst 2021. Auf uns wartet eine richtungsweisende Bundestagswahl ! Ich hoffe, dass möglichst viele diese Wahl annehmen und von ihrem demokratischen Wahlrecht gebrauch machen. Jetzt ist die Zeit !

Manchmal wünsche ich mir, wir Politiker würden die Masken fallen lassen und über Parteigrenzen hinaus agieren. Bei einer Tasse Kaffee fällt mir dazu ein passendes Zitat von Willy Brandt ein:

„Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“

Willy Brandt, 15. September 1992

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