Gibt es tatsächliche eine Alternative für Deutschland ? – „Wer auf dem Tiger reitet, kann nicht absteigen“
Im September des Jahres 1933 verfasste der deutsche Autor und Dramatiker Berthold Brecht aus dem Exil heraus seinen weltberühmten satirische Text „Kälbermarsch“. Bertolt Brecht ist bis heute einer der einflussreichsten, deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Leider hat der „Kälbermarsch“ an Aktualität nichts verloren.
Hinter der Trommel her Trotten die Kälber, dass Fell für die Trommel liefern sie selber. Der Schlächter ruft: Die Augen fest geschlossen, das Kalb marschiert. In ruhig festem Tritt. Die Kälber, deren Blut im Schlachthaus schon geflossen Marschieren im Geist in seinen Reihen mit.
Kälbermarsch von Berthold Brecht
Wahlkampf! Es fällt mir schwer einfach zur Tagesordnung zu schreiten und meiner Aufgabe als Parteimitglied gerecht zu werden. Ich bin gerne Mitglied in meiner Partei und weiß um ihre Errungenschaften und ihren wichtigen Stellenwert. Dennoch gleicht mein Verhältnis zur alten SPD im Moment eher der angespannten Beziehung eines Vaters zu seinem Sohn. Auch ich habe mit so mancher Entscheidung meine Probleme und weiß oft nicht so recht damit umzugehen. Austritt war jedoch nie eine Option. Vielmehr brauchen wir Leute, die innerhalb einer Partei oder einer Organisation etwas verändern möchten. Die Hände in den Schoss oder auf die Tastatur zu legen und über die Welt zu schimpfen war nie meine Intention. Wir brauchen Bessermacher, Anpacker, Aufräumer, Träumer und auch Gutmenschen. Irgendwann kommt jeder mal an den Punkt, an dem man erkennt, dass Veränderungen benötigt werden. Es bleibt die Frage, wie man damit umgeht und welchen Weg man wählt. Genau an diesem Scheideweg hat auch die SPD viele Fehler gemacht. Der Karren steckt tief im Dreck und ich sehe weit und breit keine Alternative. Jedenfalls keine die es sich zu wählen lohnt.
Fakt ist: Dieses Land und mit ihm ganz Europa braucht dringend Veränderungen und eine neue Politik. Natürlich wird das auch in Zukunft, durch unterschiedliche Bündnisse und Koalitionen, nicht einfacher werden. Kompromisse fordern immer ihren Tribut. Die nächste Bundesregierung wird es nicht einfacher haben. Schlimmer noch: Ich befürchte, dass wenn auch die kommende Regierung verzagt ein Sturm über dieses Land fegt. Ich sehe aktuell nur ganz wenig Politikerinnen und Politiker, denen ich den ganz großen Wurf zutraue.
Sie heben die Hände hoch, Sie zeigen sie her. Die Hände sind blutbefleckt Doch immer noch leer. Der Schlächter ruft: Die Augen fest geschlossen Das Kalb marschiert. In ruhig festem Tritt. Die Kälber, deren Blut im Schlachthaus schon geflossen. Marschiern im Geist in seinen Reihen mit.
Kälbermarsch von Berthold Brecht
Der Kälbermarsch wurde tatsächlich am Ende der Weimarer Republik geschrieben. Einer Zeit, die tatsächlich der heutigen gleicht. Auch damals vermischte sich falscher Patriotismus mit dem Gefühl der sozialen Ungerechtigkeit. Aus großer Arbeitslosigkeit und Armut entstand der Hass gegenüber Fremden. Hinzu kam eine brutale Verrohung in der Gesellschaft. Es brauchte nur eine gewisse Rhetorik verbunden mit kluger Hetzte, um den Hexenkessel zum Kochen zu bringen. Sind wir wieder so weit? Haben wir nichts aus der Vergangenheit gelernt. Es ist hier, bei uns vor Ort. Wir sehen Flaggen aus Häuser wehen und eine Alternative, die sich in kommunale Gremien wählen lässt, um dann zurückzutreten und einfach Garnichts zu tun.
Nein, nicht jeder der AFD wählt ist rechtsextrem und nicht jeder der eine andere Meinung hat ist gegen uns. Vorurteile können eine Gesellschaft entzweien. Fakt ist: Die großen Parteien haben in den letzten Jahrzehnten zu viele Fehler gemacht. Es ist nicht gelungen die Bevölkerung gänzlich mitzunehmen. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich ungerecht behandelt. Es wächst der Hass auf alles Fremde und auf die Politik als Solches.
Sie tragen ein Kreuz voran, Auf blutroten Flaggen, Das hat für den armen Mann, einen großen Haken. Der Schlächter ruft: Die Augen fest geschlossen Das Kalb marschiert. In ruhig festem Tritt. Die Kälber, deren Blut im Schlachthaus schon geflossen Marschiern im Geist in seinen Reihen mit.
Kälbermarsch von Berthold Brecht
Mittlerweile wird in allen Richtungen die Meinungsfreiheit mit Füßen getreten. Diejenigen die eine Alternative favorisieren geben in jeder Debatte den Flüchtlingen die Schuld. Auf der anderen Seite sehen Gegner der AFD hinter jedem Satz einen Rechtsextremismus. Wie kommen wir gemeinsam aus diesem Labyrinth wieder heraus? Grundsätzlich ist es gerade in dieser Zeit wichtig sein Hirn zu benutzen. Die sozialen Medien geben einen echten Einblick in den Wahnsinn unserer Zeit. Ich frage mich manchmal, woher manche Menschen ihre Verbindungen hernehmen und zu den skurrilsten Schlüssen kommen.
Versuchen wir es doch einmal mit Fakten. Ein Blick auf das Wahlprogramm der AFD schadet nicht. Lasst uns mal genauer hinsehen und uns fragen, ob diese Politik tatsächlich für mehr Gerechtigkeit sorgt. Ich frage mich, ob die Meisten von uns sich schon einmal das Programm der AFD genauer durchgelesen haben. Schließlich sollte man wissen, was man wählt und nicht blindlinks, wie die Kälber in Brecht’s Text, in den eigenen Ruin trotten.
Vieles im AFD-Programm liest sich im ersten Moment nicht schlecht. Die Ernüchterung kommt jedoch spätestens bei der Frage: Wie setzen wir das um und welche Folgen ziehen diese Entscheidungen mit sich? Das Programm findet man leicht im Netz. Versuchen wir mal sachlich und fair mit dem Programm umzugehen. Hier die Fakten aus dem Wahlprogramm der AFD:
Thema Energie- Die AFD will zurück zu Atomkraft und fossilen Energien. Gas soll zukünftig wieder aus Russland geliefert werden. Die Laufzeiten von Kohlekraftwerken sollen verlängert werden. Außerdem spricht sich die AfD gegen Windparks aus und fordert die Abschaffung der CO²-Abgabe. Fakten zur Umsetzung dieses Vorhabens und den Konsequenzen für Umwelt und Klima finden wir im Programm nicht. Ich frage mich: Wie soll das funktionieren ? Wie sollen wir wieder unsere Atomkraftwerke hochfahren? Wie bekommen wir in Kürze Uran angereichert und haben wir überhaupt noch entsprechendes Fachpersonal? Windräder zurück bauen? Wie soll das gehen? Hängt da nicht zu viel dran? Die Rede ist von den „Windrädern der Schande“. Eine Rhetorik mit der ich überhaupt nix anfangen kann.
Thema Wirtschaft- Die AFD will eine Deregulierung, niedrigere Steuern für Unternehmen und die Abschaffung von Umweltauflagen. Das Lieferkettengesetz, welches weltweit für faire Arbeitsbedingungen an Produktionsstandorten sorgen soll, möchte die AfD streichen. Die deutsche Wirtschaft soll durch freies Unternehmertum und einer funktionierenden Automobilindustrie als Leitindustrie einen neuen Schwung bekommen. Ja gut, diese Idee ist nicht neu. Ich glaube nicht, dass die Mächtigen im Osten und Westen dieser Welt ruhig zuschaut und uns gewähren lässt. Der Ansatz an der vorhandenen Industrie festzuhalten und gerade die Autoindustrie zu fördern ist sicherlich richtig. Viel oft haben diesbezüglich Politiker aller Farben aber auch Manager und Unternehmen die falschen Entscheidungen getroffen.
Thema Steuern – Die AFD will das Steuerrecht vereinfachen und Unternehmenssteuern senken. Auch die Einkommenssteuer sollen mittels eines höheren Grundfreibetrages gesenkt werden. Zugleich deutet die AfD den Abbau von Sozialleistungen an. Wohlwissend, dass diese Sozialleistungen nicht nur von Migranten und Sozialbetrügern bezogen werden. Dennoch findet dieser Ansatz viele Fürsprecher. Ist dass alles wirklich so einfach umsetzbar und bringt es am Ende tatsächlich den gewünschten Erfolg. Schließlich sind doch auch viele brave Mitbürger ohne Migrationshintergrund von Sozialhilfe abhängig. Zudem hilft ein Blick in die Kommunalpolitik. Gewerbesteuern sind für viele Kommunen lebenswichtig. Gerade in Zeiten in denen unsere Kommunen unter der Last ächzen sollte man verstärkt nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Wer bezahlt die von der AFD geforderte großflächige Straßen und Autobahnsanierung ? Aber, ja es stimmt ! Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit und nicht alles was in den letzten Jahren diesbezüglich beschlossen wurde, wirkt reichlich unüberlegt.
Thema Rente – Die AFD will, dass die gesetzliche Rente über zusätzliche Beitragszahler und eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters. Es sollen Anreize geschafft werden, die eine freiwillige Verlängerung der Lebensalterszeit hervorrufen. Nicht beitragsgedeckte Leistungen sollen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Außerdem möchte die AfD verhindern, dass in Deutschland lebende ausländische Menschen am Ende ihres Erwerbslebens auf deutsche Sozialleistungen angewiesen sind. Spätestens bei dieser Rhetorik erkennt man, dass der Teufel buchstäblich im Detail steckt.
Thema Europa und Außenpolitik – Die AFD fordert den „Dexit“ – den Ausstieg Deutschlands aus der Europäischen Union. Zumindest sollte der Austritt aus der gemeinsamen Währung erfolgen und die D-Mark wiedereingeführt werden. Zudem verfolgt die AFD einen russlandfreundlichen Kurs. Wirtschaftssanktionen gegen Russland sollen aufgehoben werden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird nicht verurteilt. Die Ukraine soll nach ihrem Willen ein neutraler Staat außerhalb von NATO und EU werden. Ich persönlich kann diesem Vorhaben nichts abgewinnen. Hier wird einfach so unter den Tisch gekehrt, dass ein Land das Völkerrecht bricht und ein anderes Territorium besetzt. Krieg ist nie eine Lösung ! Auch ich frage mich manchmal ob wirklich schon jegliche Diplomatie versagt hat.
Thema Migration – Die AFD will eine restriktive Einwanderungspolitik. Dabei fordert die Partei Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Einreisenden an der Grenze. Das selbsternannte „Asylparadies Deutschland“ soll für immer geschlossen werden. Das bedeutet, dass Geflüchtete an den Grenzen in Gewahrsam genommen werden. Zudem spricht sich die AfD für eine Streichung des Anspruchs aufs Bürgergeld von Menschen aus der Ukraine aus. Der AfD-Bundesparteitag hat den umstrittenen Begriff der „Remigration“ offiziell ins Wahlprogramm aufgenommen. Spätestens bei diesem Vorhaben und der dazugehörigen Rhetorik klingen bei mir alle Signalglocken. Waren unsere Vorfahren nicht alle einmal auf der Flucht? Gerade im Saarland sollten wir uns der historischen Verantwortung bewusst werden. Natürlich sollten Menschen die zu uns kommen daran interessiert sein sich zu integrieren. Natürlich müssen wir dem Asylbetrug und der sozialen Ausbeutung entgegenwirken. Ob der von der AFD eingeschlagene Weg der Richtige ist, wage ich zu bezweifeln.
Thema Frauen und Familie – Die AFD wird hier ihrem erzkonservativen Ruf mehr als gerecht und möchte gerade Frauen wieder ins Neandertal befördern. Angesichts des Lebensstandards der Parteichefin und Kanzlerkandidatin ein Witz sondergleichen. Wer im Glashaus sitzt sollte nie mit Steinen werfen. Ein wichtiges Anliegen der AFD ist die Erhöhung der Geburtenrate. Das Land braucht Kinder ! Dabei spielt die Selbstbestimmung der Frau eine eher untergeordnete Rolle. Es soll ein striktes Abtreibungsrecht eingeführt werden. Schwangerschaftsabbrüche sollen nach dem Willen der AfD nur noch im Falle von Vergewaltigungen oder medizinischer Notwendigkeit möglich sein. Dieser Punkt lässt mich fassungslos zurück und verpasst mir eine Gänsehaut.
Thema Medien und Kultur – Die AFD will die Abschaffung der Rundfunkgebühren. So weit so gut! Wie die Kosten der einzelnen Rundfunkstationen getragen werden, bleibt offen. Die AfD möchte die „deutsche Leitkultur“ stärken. Was immer das bedeutet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll reformiert und „GEZ-Zwangsgebühren“ abgeschafft werden. Auch hier macht der Ton die Musik ! Bleibt es lediglich bei Reformen oder kommt man irgendwann auf ganz andere Ideen ?
Machen wir uns nix vor! Die Migration mit allen Randerscheinungen wie Abschiebungen, Grenzkontrollen oder Sachleistungen für Asylbewerber ist das zentrale Thema des Bundestagswahlkampfes 2025. Es gibt kaum ein anderes Thema, das dermaßen polarisiert und spaltet wie Migration und Zuwanderung. Wahrscheinlich wird jede Partei außer „der Linken“ auf irgendeine Art und Weise dieses Thema auf ihre Agenda nehmen. Die CDU/CSU verspricht einen „Faktischen Aufnahme Stopp“, die SPD eine „solidarisch gesteuerte Migration“, die Grünen sprechen von „Humanität und Ordnung“, die FDP will „Mehr Einwanderung in den Arbeitsmarkt“, die Linke keinerlei Abschiebungen und das BSW möchte „Unkontrollierte Migration“ beenden. Die AFD redet allen Ernstes von: „Gewahrsamszentren“ an unseren Grenzen. Letzteres ist tatsächlich harter Tabak. Mit Wörtern wie „Remigration“, Gewahrsamszentren und Kopftuchmädchen kann ich persönlich nix anfangen.
Nein, nicht jeder der AFD wählt ist rechtsextrem, homophob oder frauenfeindlich. Wir müssen lernen, die Meinung Anderer wieder verstärkt zu respektieren. In vielen Dingen steckt der Funken Wahrheit. Fakt ist jedoch, dass manche mit ihrer rauen und fragwürdigen Rhetorik allzu oft unnötig Öl ins Feuer gießen. Sind wir tatsächlich so blauäugig und sehen nicht welche Gefahr, hinter dieser Partei steckt? Ist angesichts dieser Rhetorik überhaupt noch eine faire Debatte möglich ?
Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Wer auf einem Tiger reitet, kann nicht absteigen“
Das Sprichwort bedeutet nichts anderes, als dass man eine Situation, aus der es keinen Ausweg gibt, bis zum Ende durchstehen muss, selbst wenn dies den eigenen Untergang bedeutet. Parallelen zum Kälbermarsch werden deutlich. Am Ende fällt mir noch ein weiteres denkwürdiges deutsches Sprichwort ein:
„Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen!“