Volkstrauertag 2025 – Wehret den Anfängen – Mit mehr Mut, Empathie und Zivilcourage gegen das Vergessen !
Der Volkstrauertag ist ein staatlicher Gedenktag für die Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Terror weltweit. Der Volkstrauertag gehört zu den sogenannten stillen Tagen und wird seit 1952 am vorletzten Sonntag vor dem ersten Adventssonntag begangen. In ganz Deutschland finden an diesem Tag Gedenkfeiern, Zeremonien und Kranzniederlegungen statt. In Dirmingen genießt die offizielle Kranzniederlegung des Ortsrates eine hohe Tradition, die aufgrund eines fehlenden Mahnmals einige Jahre nicht durchgeführt werden konnte. Am Sonntag, 14. November 2025 fand die diesjährige Kranzniederlegung im Beisein von zahlreichen Gästen und unter Mitwirkung der katholischen Pfarreiengemeinschaft Eppelborn-Dirmingen, der evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel- Illtal, der Reservistenkameradschaft Illtal und des Evangelischen Posaunenchors Dirmingen am Mahnmal des Dirminger Friedhofes statt.
Der offiziellen Kranzniederlegung des Ortsrates legte ich als Ortsvorsteher Dirmingens folgende Rede zu Grunde:
„Manchmal graut mir vor dem Krieg, und alle Hoffnung will mir vergehen. Ich mag gar nicht dran denken, aber es gibt ja bald nichts anderes mehr als Politik, und solange sie so verworren ist und böse, ist es feige, sich von ihr abzuwenden.“ (Sophie Scholl)
Mit diesem bekannten Zitat der deutschen Widerstandskämpferin Sophie Scholl begrüße ich Sie und euch ganz herzlich zur heutigen Kranzniederlegung des Dirminger Ortsrates am Mahnmal auf dem Dirminger Friedhof. Ein besonderer Gruß, verbunden mit einem herzlichen Dankeschön geht an Pastor Thieser von der katholischen Pfarreiengemeinschaft Eppelborn- Dirmingen und Pfarrer Daniel Storb von der evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel-Illtal sowie an die Reservistenkameradschaft Illtal, um den Vorsitzenden Peter Schuhmacher und den Posaunenchor der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen. Im Anschluss an diese Zeremonie möchte Sie die Reservistenkameradschaft Illtal zu einem Umtrunk ins Reservistenheim in Dirmingen einladen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein Blick auf die eigene Geschichte und Vergangenheit kann helfen zu verstehen. Schon unmittelbar nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger und seine Gemahlin am 28. Juli 1914 in Sarajewo lag über unserem Heimatort eine gewisse Spannung. Am Freitag, 31. Juli 1914 gegen 15:00 Uhr erreichte die Nachricht vom Kriegsausbruch das „Poschde Haus“, (heutige Bäckerei Bost) in der Ortsmitte. Die Schülerinnen und Schüler der gegenüberliegenden evangelischen Schule bekamen sofort schulfrei. Bei Kriegsausbruch herrschte im ganzen Land großer Jubel und Siegeszuversicht. Der deutsche Kaiser befahl schon am Tag der Kriegserklärung die Mobilmachung der gesamten deutschen Armee. Noch am selben Tag erhielten etwa 20 Reserve- und Landwehrleute aus Dirmingen ihren Gestellungsbefehl.
Der erste Weltkrieg wurde zur Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Als die Soldaten „zu den Waffen“ gerufen wurden, glaubten viele an einen kurzen Abschied von Frau und Kind. Spätestens bis Weihnachten sollte der Spuk vorbei sein. Als die Soldaten in den Krieg zogen wurde ihnen frenetisch zugejubelt. Beim Gesang der Lieder „Die Wacht am Rhein“ oder Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ zogen die Männer in ihr Verderben. Bis zum Ende des Krieges im Jahre 1918 hatte Dirmingen 42 Gefallene zu beklagen. Hinzu kamen 7 Vermisste, so das am Ende der Kriegswirren 49 Mann nicht mehr Nachhause zurückkehrten. Jedem Krieg kommt ein sogenannter „Hurra Patriotismus“ oder ein gewisser Patrioten- Rausch zuvor. Das hat nichts mit Heimatliebe im herkömmlichen Sinne zu tun. Vor dem ersten Weltkrieg wuchs der Hass auf den Franzmann, vor dem 2. Weltkrieg der Hass auf die Juden und heute?


Wir Deutschen trauen uns wieder stolz unsere Fahne zu schwenken. Das ist in Ordnung. Wir Nachkriegskinder oder Nachkriegsenkel tragen keine Verantwortung für die Fehler, die vor den beiden Weltkriegen gemacht wurden. Wir tragen jedoch die Verantwortung dafür, dass es nicht wieder geschieht. Heute finden wir besonders in den Medien dieselben Signale wie damals vor den beiden Kriegen: Die Rede ist von „Hate Speech“ also Hass im Netz. Der Hass auf alles Fremde wächst. Hinzu streiten unsere Politiker über Stadtbilder, Messermänner, Kopftuchmädchen und eine soziale Ungerechtigkeit. Wir schreiben das Jahr 2025 und debattieren wieder über die Einführung einer Wehrpflicht. Im ersten Weltkrieg fiel der bekanntlich jüngste deutsche Soldat mit gerade einmal 15 Jahren.
Ja, unsere Soldaten und mit ihnen alle Mitglieder der sogenannten Blau-Licht Familie haben unsere Anerkennung und Hochachtung verdient. Mit ihrem Einsatz sorgen sie täglich für die Sicherheit unserer Heimat und weit darüber hinaus. Unsere Soldatinnen und Soldaten verteidigen unseren Wohlstand und unsere demokratische Grundordnung notfalls auch mit ihrem Leben. Wir alle sind den Menschen, die für uns den Kopf hinhalten zum Dank verpflichtet.
Europa, unser Kontinennt, tanzt auf dem Vulkan. Die Frage von: Krieg oder Frieden liegt längst nicht mehr in unserer Hand. Das neue Angstwort lautet: Angriffskrieg! 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges drohen sich die Europäer wieder gegenseitig mit einem nuklearen Vernichtungsschlag. Unsere Vorfahren haben am eigenen Leib erfahren, was Krieg bedeutet. Der zweite Weltkrieg brachte noch mehr Tod, Schrecken und Verderben über unser Heimatland. Vom ersten feindlichen Überflug im Juni 1942 bis zum Kriegsende im Jahre 1945 fanden insgesamt 23 Fliegerangriffe auf Dirmingen statt. Während diesen Angriffen wurden insgesamt 33 Menschen getötet, davon 16 Dirminger Bürger/innen und 17 Menschen die zum Teil nach Dirmingen evakuiert wurden oder gerade den im Ort befindlichen Truppen angehörten. Am Ende wurden 15 Gebäude, darunter auch unsere katholische Pfarrkirche und das Feuerwehrgerätehaus zerstört, 18 Gebäude wurden bis zu 50- 80 % massiv beschädigt und etwa 200 Gebäude von ca.10- 30 Prozent in Mitleidenschaft gezogen. Insgesamt fielen in unserem Heimatort, 90 Mann und 50 vermisste Männer (Soldaten) dem 2. Weltkrieg zum Opfer. Neun Männer kamen als Schwerverwundete mit einer Beschädigung von mehr als 50% Nachhause. Insgesamt haben 92 Kinder ihren Vater verloren und gelten demnach als Halbwaise.
Am 18. März 1945 endete für die Einwohner unseres Heimatortes der 2. Weltkrieg. Weltweit starben während des 2. Weltkrieges schätzungsweise mehr als 70 Millionen Menschen. In unserem Land wurden Menschen aufgrund ihrer Herkunft, politischer Einstellung, ihrer Lebensgeschichte oder ihrer Krankheit gefoltert, deportiert und getötet.


Zeitensprung: Wir schreiben das Jahr 2025! Wir Saarländer wissen was es bedeutet auf der Flucht zu sein. Die Auswirkungen der Evakuierungsmaßnahme durch die Nazis waren gerade in unserem Heimatort deutlich spürbar. Täglich nahmen neue Flüchtlinge den Weg durch unser Dorf: Polen, Franzosen und auch Juden fanden hier, wenn auch nur kurzfristig Halt, Hilfe oder sogar eine Heimat. Das alles scheint in Vergessenheit zu geraten. Der Hass auf alles Fremde erscheint auch in diesem Land wieder zu erwecken. Dazwischen stehen unsere Soldatinnen und Soldaten und viele junge Menschen, die nach vielen Jahren wieder auf ihre Musterung warten. Seit der Gründung unserer Bundeswehr sind rund 3.400 Bundeswehrangehörige im Dienst ums Leben gekommen. Bei Auslandseinsätzen sind nach Angaben der Bundeswehr bis August 2024 insgesamt 119 Soldaten durch Fremdeinwirkung und 26 durch Suizid gestorben.70 Jahre nach Gründung der Bundeswehr und 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges stehen wir wieder am Scheideweg!
Wir brauchen mehr Mut und Zivilcourage. Wir brauchen Menschen, die Aufstehen und sich dem aufglimmenden Hass unserer Zeit entgegenstellen. Wir brauchen Menschen, die ihre Stimme erheben und Verantwortung übernehmen. Wir brachen das gute Wort, den warmen Händedruck, Diplomatie und Empathie. Wir brauchen aber auch die Menschen, die sich täglich für unsere Heimat einsetzen und für unsere Freiheit und Sicherheit einstehen. Liebe Soldatinnen und Soldaten, liebe Mitglieder der Blaulicht – Familie: Vielen Dank für das Tun und Machen!

Während ihrer Verhöre durch die Nazischergen sagte Sophie Scholl einmal:“ Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen. Ich kann es nie begreifen und ich finde es entsetzlich. Sag nicht, es ist fürs Vaterland.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, in Gedenken an die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt legen wir im Namen des Dirminger Ortsrates und der Dirminger Bevölkerung diesen Ehrenkranz nieder. Mehr als zuvor rufen wir aus: Nie wieder.
