„Back to the roots“ – Meine kleine Wanderung durch den Dirminger Wald

Ehrfurcht vor dem Wald: „Ich bin die Wärme deines Herdes an kalten Winterabenden. Ich bin der Schatten, der dich vor der heißen Sommersonne beschirmt. Meine Früchte und belebenden Getränke stillen deinen Durst auf deiner Reise. Ich bin der Balken, der dein Haus hält, die Tür deiner Heimstatt, das Bett, in dem du liegst und das Spant, das dein Boot trägt. Ich bin der Griff deiner Harke, das Holz deiner Wiege und die Hülle deines Sarges“. (Unbekannt)

Manchmal genügt eine kleine Wanderung um einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Mit Blick auf die Veranstaltung „Wanderwegefest durch das Illtalerland“ habe ich mich kurzerhand auf den Weg gemacht und bin einfach mal so durch unser schönes Dirminger Tal gewandert. Eines vorneweg: Wir haben eine wunderschöne Heimat und schon nach den ersten paar Metern fiel mir spontan der Spruch ein: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“

„de grien Wääsch“

Auf meiner kleinen Wanderschaft habe ich zunächst den Wald meiner Kindheit angesteuert. An meinem Elternhaus vorbei, den Steinbruch hoch, in Richtung Belker. Nach ein paar Metern Feldweg nahm ich den „Grien Wääsch“ um dann schnurstracks hoch in „meinen Wald „zu gelangen. Wobei genauer gesagt: Das was noch davon übrig ist! Das Sturmtief „Wiebke“ fegte im Februar 1990 mit Spitzenböen von ca. 140 -150 km/h über Dirmingen hinweg und hinterließ dabei eine Spur der Verwüstung. Auch der „Wald meiner Kindheit“ fiel dem Sturm zum Opfer und wurde zu 60 % zerstört. Mittlerweile wurde der Wald wieder aufgeforstet und sieht schon wieder recht erholt aus. In dem nun aufgeforsteten Wald werden recht früh alte Erinnerungen an meine Kindheit geweckt. Wie viel Zeit haben wir als Kind in diesem Wald verbracht. Schön, dass dieser Wald sich wieder erholt hat.

Während der Wald über viele Jahrhunderte als wichtiger Rohstofflieferant diente, wird er in der heutigen Zeit überwiegend zur Erholung genutzt. Letztlich ging es unserem Wald genauso wie vielen anderen Schätzen. Wenn der Mensch etwas davon braucht, bekommt er meistens nie die Nase voll. Bereits im Frühmittelalter wurden massive Rodungen durchgeführt. Der Mensch wurde zum größten Feind des Waldes. In der Jungsteinzeit fanden die Menschen alles was Sie benötigten im Wald. Das Holz wärmte und das Fleisch der Tiere sättigte. Auch die Römer benötigten zur Herstellung von Ziegeln viel Holz für die zahlreichen Brennöfen. Der große Waldvorrat in unserem Land schrumpfte schon sehr früh auf bedenkliche Art und Weise. Die Saarländischen Wälder waren ursprünglich von Rotbuchen geprägt. Somit waren unsere Wälder früher recht dunkel und furchteinflössend. Bekannterweise hatten die Römer schon damals so ihre Probleme mit dem dunklen Wald der Germanen. Für die einheimischen Germanen hingegen war der Wald heilig und zudem ein sicherer Rückzugsort. Mit Sicherheit hat der dunkle Wald den Germanen beim Kampf gegen die Römer genutzt. Heute befindet sich in unserem Wald überwiegend Eiche, Birke, Ulme, Ahorn, Esche und Kirsche und natürlich auch verschiedenen Tannen und Fichten.Während der Völkerwanderung, im 3- 6 Jahrhundert, erholte sich der Wald von den ersten massiven Rodungen. Im Mittelalter benötigten die Menschen jedoch wieder mehr Holz und Platz für ihren Ackerbau. Das Resultat waren erneut massive Rodungen. Gerade im Mittelalter wurden ganze Waldflächen vernichtet. Das Handwerk und die Architektur dieser Zeitepoche basiert auf Holz. Viele große Kirchenbauten oder Paläste wurden durch große Holzvorräten erbaut.

Aber nicht nur die massiven Rodungen machten unserem Wald zu schaffen. Neben dem enormen Holzabbau sorgte die Jagd dafür, dass zeitweise kaum noch Wild vorhanden war. In Dirmingen, dass über viele Jahrhunderte  Nassauisch regiert wurde, hatte man das Jagen zeitweise sogar untersagt. Im Spätmittelalter wurden erneut viele Waldflächen dem Ackerbau geopfert. Die Menschen benötigten Platz um ihre Felder anzulegen. Letztlich wurde im späten Mittelalter kaum noch Rücksicht auf den Wald genommen. Die damaligen Fürsten wussten sich kaum noch zu helfen und ordneten an, dass die Untertanen nun auch wegen Waldfrevel bestraft werden können. Nicht nur durch diese drastische Maßnahme begannen die Menschen langsam umzudenken. Man versuchte plötzlich wieder mehr den Wald zu schonen. Im neunzehnten Jahrhundert stand unser Wald vor dem Aussterben. Große Waldflächen wurden gerodet und der wichtige Holzvorrat war auf das Minimum geschrumpft. Der Wald wurde schließlich durch die Einführung einer geregelten Waldwirtschaft und durch die vermehrte Nutzung der Steinkohle als Energieträger gerettet. Immerhin konnte sich am Ende auch unser Wald erholen und nach dem zweiten Weltkrieg verfügte Dirmingen erstmals über das größte Waldgebiet im damaligen Kreis Ottweiler.

Steinrutsch

Unser Wald ist energiespendend, aufbauend und mythisch. Die älteren unter uns sind aufgewachsen mit Märchen, die im Wald spielten. Diese Tatsache wird mir im Laufe meiner Wanderung wieder bewusst. Ich gehe durch den „Kaselswald“ in Richtung Frankenbach und erinnere mich daran, dass diese Gegend wohl am frühsten von Menschen bewohnt wurde. Was hat sich hier schon alles abgespielt?

Aus der Zeit des Spätmittelalters hinüber bis ins siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert entstammt die sogenannte Zeit der Waldweide. Damals entstanden zahlreiche Märchen. Die Autoren nutzen immer mehr den Wald als Sinnbild für ihre Phantasien. Gerade zu dieser Zeit entstanden die meisten sogenannten Tier-Märchen oder Tierfabeln. Eines der damals meist-gehassten Tiere diente schließlich zur Vorlage eines der bekanntesten Märchen. Es entstand das Märchen vom „Bösen Wolf“. In unserem Wald bezeugen noch heute alte Grenzsteine aus der Nassauischen Zeit diese Epoche. Der Wolf war im neunzehnten Jahrhundert eine Pest für die Bevölkerung. Mitleid mit dem Tier gab es damals nicht. Im Jahre 1859 wurde in Dirmingen nachweislich der letzte Wolf erlegt.

Grenzstein

Im achtzehnten Jahrhundert wurde der Wald zur Gewinn von Holzkohle genutzt. Die großen Glasmanufakturen und Eisenschmelzen wurden damals mit Holz betrieben. Im Dirminger Wald sind noch heute unzählige Meilerplätze zu finden auf denen früher die Holzkohlemeiler rauchten. Als ich auf Finkenrech ankomme, erinnere ich mich daran, dass in diesem Wald früher die meisten Holzkohlemeiler existieren. Zur Zeit der Frühindustrialisierung war die Gier nach Holz unersättlich. Im achtzehnten Jahrhundert entstand ein mächtiger Holzhandel. Auch das Dirminger Holz war begehrt und wurde letztlich bis nach Holland gebracht. Dabei wurde das Holz über die vorhandene Wasserstraße geflößt. Der Weg ging über Bachläufe der Ill, Theel, Prims bis hin zu den Flüssen der Saar und Mosel um dann letztlich im guten alten Rhein anzukommen.

Heute geht es dem deutschen Wald so gut wie schon lange nicht mehr. Die Menschen nehmen wieder vermehrt Rücksicht und genießen gerne die Natur. Dennoch habe ich auf meiner Wanderung viel Unrat gefunden. Meistens wurde der Müll einfach irgendwo abgelegt. Also doch nicht alles super, oder? Sei’s drum bei meiner Wanderung genieße ich die Stille und natürlich auch unseren wunderschönen Dirminger Wald. Ich frage mich allen Ernstes, ob wir uns wirklich alle bewusst darüber sind, wie schön wir es hier doch eigentlich haben. Wir leben in einem Paradies. Ich stelle fest, dass inzwischen viel für den Wald und die damit verbunden Natur gemacht wurde. Gerade auf Finkenrech arbeiten viele fleißige Hände an der Aufwertung unseres Waldgebietes.

Heimweg

Meine kleine Wanderung endet schließlich im Naherholungsgebiet „Steinrausch“. Zugegebenermaßen schmerzen meine Füße und ich sehne mich nach einer Bank und einem Bier. Ich ziehe die Schuhe aus und blicke in den schönen alten Wald. Ich atme ein und atme aus! Es stimmt, unser Wald gibt mehr als wir alle vermuten können. Als ich so da sitze, fällt mir mal wieder auf, wie viele Menschen unseren Wald zum Sport oder zur Erholung benutzen. Gerade im Naherholungsgebiet „Steinrutsch“, an der „Schönen Aussicht“, ist mächtig was los. Ich ziehe meine Schuhe an und mache mich auf den Heimweg. In Höhe des alten Denkmals drehe ich mich nochmal um und denke an das bevorstehende „Wanderwegefest durch das Illtalerland“. Am Wochenende werden hier an der „Schönen Aussicht, im Naherholungsgebiet „Steinrutsch“, ganz viele Menschen vorbeiwandern und sich in unserem schönen Wald wohlfühlen. Ich wünsche mir, dass den Menschen bewusst wird, wie schön und einzigartig unsere Mutter Natur ist!

„Ich bin der Wald, Ich bin uralt, Ich hege den Hirsch, Ich hege das Reh, Ich schütz Euch vor Sturm, Ich schütz Euch vor Schnee, Ich wehre dem Frost, Ich wahre die Quelle, Ich hüte die Scholle, Bin immer zur Stelle, Ich bau Euch das Haus, Ich heiz Euch den Herd, Drum ihr Menschen, Haltet mich wert! (Inschrift an einem niedersächsischen Forsthaus aus dem 17. Jh.)