Wie lassen wir die Kirche im Dorf? – Sehnsucht nach Veränderungen und Reformen!

Die Redewendung „die Kirche im Dorf lassen“ hat ihre Wurzeln in ländlichen Raum. Im Grunde wollte man damit zum Ausdruck bringen, dass die Kirche, als zentrales Element des dörflichen Lebens darstellt. Historiker schließen daraus, dass diese Phrase in Anspruch genommen wurde, um den Wert der eigenen Heimat und der damit verbundenen Traditionen zu betonen. Viele Jahrhunderte lang bildete die Kirche das Herzstück eines Dorfes. Dabei diente Dorfkirche nicht nur zum religiösen Rückzugsort, sondern auch als Versammlungsstätte für die Dorfbewohner. Im Laufe der Jahrzehnte gewann die Redewendung „die Kirche im Dorf lassen“ eine breitere Bedeutung. Dieser kleine Satz sollte dazu ermahnen, dass wir bei all unseren Entscheidungen immer ein realistisches Maß an den Tag legen und nicht zu emotional zu reagieren. Das Sprichwort „die Kirche im Dorf lassen“ ist ein Appell an den gesunden Menschenverstand.
Ich finde, wir alle sollten uns in dieser unserer heutigen Zeit diese kleine Redewendung viel öfter zu Herze nehmen. Unsere Gesellschaft neigt in jeder Hinsicht dazu zu emotional und hysterisch zu reagieren. Beispiele dafür gibt es in der Politik, im gesellschaftlichen Leben und auch in Bezug auf unsere beiden Kirchen mehr als genügend. Die Menschen sehnen sich nach Reformen und Veränderungen. Ganz langsam verblasst das herkömmliche, traditionelle Bild unserer Kirche und unseres gesellschaftlichen Lebens. Wer jetzt die Zeichen der Zeit nicht erkennt, wird später bittere Tränen weinen. Unsere Kirchen dienen als Spiegelbild unserer Gesellschaft. Jetzt ist die Zeit sich neu zu erfinden und wichtige Veränderungen anzustoßen.
Beide Kirchen stehen vor hohen Reformerwartungen ihrer Mitglieder. Gerade im dörflichen Leben herrscht über alle Konfessionen hinweg eine große Zustimmung zur ökumenischen Orientierung und Zusammenarbeit zwischen den Kirchen. Wenn wir die Kirche im Dorf lassen wollen, müssen wir lernen alle Kräfte zu bündeln. Es darf nicht mehr länger von denen da oben oder diejenigen da unten die Rede sein. Ist es auch nicht! Ich persönlich glaube, dass die Menschen in den Dörfern sich auf dem richtigen Weg befinden. Vielmehr bezweifele ich, dass diese wichtige Message bei jedem Kirchenoberhaupt angekommen ist.

Pfingsten ist neben Weihnachten und Ostern eines der drei wichtigsten kirchlichen Feste des Christentums. Zu Pfingsten feiern Christen den Geburtstag der Kirche. Umfragen zufolge können die wenigsten Menschen mit diesem Kirchenfest etwas anfangen. Für viele Menschen bedeutet das Pfingsten ein verlängertes Wochenende mit viel Freizeitaktivitäten und endlich einmal ausschlafen. Pfingsten wird 50 Tage nach Ostern gefeiert. Daher kommt auch der Name, der auf das griechische Wort „Pentekoste“ (der Fünfzigste) zurückgeht. Die Bibel berichtet, dass an diesem Tag der Heilige Geist auf die Jünger und die Anhängerinnen von Jesus niederkam. Alle konnten plötzlich in verschiedenen Sprachen sprechen und wurden fortan von allen Menschen „aus allen Völkern unter dem Himmel“ verstanden. Genau deshalb ist von dem sogenannten „Pfingstwunder“ die Rede. Unter den Christen wird Pfingsten als „Geburtstag der Kirche“ angesehen. Der Heilige Geist, die christliche Botschaft soll in die ganze Welt getragen werden.
Unsere Kirche hat sich im Laufe der letzten 2000 Jahre nicht gerade zum Positiven verändert. Ich frage mich: Quo vadis Kirche? Was ist aus dir geworden und wohin führt dich dein Weg? Was würde Christus heute über den Zustand seiner Kirche sagen? Hat sich unser Messias die Entwicklung seiner Kirche genauso vorgestellt? Keine leichten Zeiten für Christen und ihre Kirche. Wie lässt es sich ohne festes Fundament leben. Wo pflege ich meinen Glauben und wo finde ich halt zum Leben. Die Schäfchen entlaufen dem Hirten und immer mehr Hirten lassen den liebevollen Kontakt zum Schaf vermissen. Bessergesagt: Die Kirche hat ihre Basisnähe verloren und befindet sich seit mehr als die Hälfte ihres Daseins auf dem Irrweg. Zehntausende treten Jahr für Jahr aus der Kirche aus! Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, warum das so ist, beschäftigen sich die großen Kirchenführer unserer Zeit mit völlig unwichtigen Dingen. Ich gewinne zunehmend den Eindruck, dass die Kirche kritikunfähig ist und krampfhaft an ihren alten, komplizierten Strukturen festhält. Harte Worte und harte Kritik von jemandem der sehr an der traditionellen Kirche hängt.

Welche Kirche ist die richtige? Ich selbst finde im protestantischen Glauben meinen eigenen Halt. Wohlwissend, dass auch meine Kirche mit diversen Problemen zu kämpfen hat. Mit den Jahren habe ich den Eindruck gewonnen, dass meiner Kirche der Mut fehlt die wahren Gründe ihres Niedergangs entgegenzuwirken. Die katholische Kirche hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Einer Umfrage zufolge bezweifeln 60 Prozent der katholischen Jugendlichen, dass die Kirche Antworten auf Fragen unserer Zeit hat. Unsere Kirchen liegen nicht mehr im Trend. Dabei sollten sich beiden Konfessionen schnellstens verändern und reformieren. Pfingsten kann dazu eine passende Chance bieten. Natürlich ist das Leben ohne Kirche möglich. Wir brauchen keine Institution, um unseren Glauben zu pflegen.
Wirklich nicht? Was wären unsere Dörfer ohne den kirchlichen Einfluss? Unsere Werte, unsere Kulturen und unsere Traditionen würden buchstäblich wegbrechen. Die kirchlichen Sonn- und Feiertage mit ihren Themen, ihrer Musik und ihrer Atmosphäre prägen das Jahr. Nein, wir alle sollten versuchen die „Kirche im Dorf“ zu lassen. Im christlichen Glauben finden wir Trost, Hoffnung und Liebe. Die Kirche begleitet uns von der Geburt bis hin zum Tod. Spätestens wenn ein schwerer Schicksalsschlag eintrifft, finden viele wieder zum Glauben. Unsere Kirchen könnten über den passenden Kompass verfügen und uns allen den Weg zeigen. Es bleibt jedoch das Gefühl, dass unsere Kirchen sich verlaufen haben und nicht mehr aus dem selbst erbauten Labyrinth herausfinden.
Die fehlende basisnähe unserer Kirchen könnte das fatale Folgen haben. Kirchenoberhäupter, Kirchenräte oder die großen synodalen Gremien entscheiden oftmals vorbei an den Gemeinden und ihren Räten. Diese Entwicklung ist auch in unserer Heimatgemeinde deutlich spürbar. Natürlich gehört zu den vielen Fragen unserer Zeit auch eine weitreichende Debatte um die vielen kirchlichen Gebäuden in unserem Land. Das sollte jedoch nicht vorbei an den örtlichen Pfarrgemeinderäten oder Presbyterien geschehen. Die Kirche wird sich verändern. Mehr als 300 der 1000 Kirchen-Immobilien im Saarland sollen verkauft werden. Was passiert mit unserer Dorfgemeinschaft, wenn es uns nicht gelingt die „Kirche im Dorf zu lassen“? Liegt die Lösung tatsächlich in der Ökumene? Zumindest sollten wir auch zukünftig an unserem christlichen Miteinander arbeiten. Martin Luther wollte niemals die Kirche spalten, sondern vielmehr reformieren.

Vielleicht müssen wir nach über 500 Jahren wieder an weitreichenden Reformen arbeiten. Kirche bedeutet immer auch ein Stück Heimat. Mit dem Glauben kann es jeder halten, wie er möchte. Wenn wir jedoch die vielen Kirchen in unseren Dörfern verlieren, verändert sich nicht nur unsere Kultur, sondern auch unser Ortsbild. Was passiert mit den historischen Gebäuden? Wer kümmert sich um das buchstäbliche Loch inmitten unserer Gesellschaft?
Pfingsten kann eine Chance sein! Wenn die Kirche endlich begreift, dass sie sich verändern und Reformen anstreben muss, kann alles gut werden. Dabei müssen aber auch wir Menschen uns verändern. Wir versinken in einem Loch aus Hass, Neid, Wut und einer menschlichen Verrohung. Wir verlieren uns in endlosen Debatten und zeigen mit dem Finger auf den anderen. Ja, auch wir Menschen benötigen dringend ein Umdenken. Wir brauchen Veränderungen und wirksame Reformen in unserem gesellschaftlichen Leben und in unseren Kirchen. Ich wünsche mir eine offene, tolerante, zeitgemäße Kirche. Eine Kirche, die sich selbst nicht so wichtig nimmt und die Menschen wieder in den Vordergrund rückt. Ich wünsche mir eine junge, moderne Kirche, die unsere Kinder und Jugendliche wieder anspricht. Ich wünsche mir eine starke und gefestigt Kirche, die ihr Augenmerk auf die Bibel richtet und nicht auf festgefahrene Strukturen.
Eine weitere bekannte Redewendung lautet: „Feuer und Flamme sein und für eine Sache brennen“. Vielleicht ist diese bekannte Redewendung von der Pfingstgeschichte, aus dem Neuen Testament, abgeleitet.
„Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.“ Apostelgeschichte 2: 1-2-3-4
„Feuer und Flamme sein und für eine Sache brennen“. Brennen wir Christen noch für unseren Glauben? Sind wir noch Feuer und Flamme für die Institution Kirche? Für meinen Glauben an Christus benötige ich keine Institution Kirche. Warum sollten wir Christen so weitermachen wie bisher und an der Institution Kirche festhalten? Heiraten kann man heute auch auf dem Standesamt, Kultur gibt es im Theater oder Kino, Geschichte kann man im Museum genießen, Zusammenhalt, Miteinander und Geselligkeit gibt es im Verein oder finde ich im Sport. Wenn ich ein Problem habe, gehe ich nicht mehr zum Pfarrer, sondern besuche meinen Psychotherapeuten. Wozu also Kirche? Ich halte es diesbezüglich mit Luther der sagte:“ Wie du an Gott glaubst, so hast du ihn. Glaubst du, dass er gütig und barmherzig ist, so wirst du ihn so haben“.

Lassen wir die „Kirche im Dorf“! Unsere Kirchen bilden die Basis des kulturellen Dorflebens. Ich glaube, dass viele Menschen daran interessiert sind, die Kirche im Dorf zu lassen. Für viele Gemeindeglieder ist der Erhalt der eigenen Kirchengemeinde eine emotionale Angelegenheit. Dabei geht es nicht nur um die Institution Kirche, sondern auch um das Gebäude und die damit verbundenen eigene Geschichte. In dieser Kirche wurde ich getauft, konfirmiert, habe geheiratet und habe mein Familienmitglied beerdigt. Ja, stimmt, wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Keine Frage, die Kirchen sehen sich großen Reformerwartungen ausgesetzt. Bestimmt ist es nicht leicht die passenden Antworten zu finden. In solchen Fällen hilft es in der Regel den Finger auf die Wunde zu legen und vor der eigenen Haustür zu kehren. Wenn der Eingang zum eigenen Haus sauber ist, kommen auch gerne wieder mehr Gäste zu Besuch.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag liebe Kirche. Ich wünsche dir viel Glück ……du kannst es gut gebrauchen!