Leistungsdruck im Nachwuchsbereich – Erfolg um jeden Preis ?
Als ich im Jahre 1991 Jugendleiter beim SV Dirmingen wurde, lief der Ball noch etwas anders. Die Zeiten haben sich verändert und auch im Jugendfußball ist nichts mehr wie es mal war. Wenn man sich damals das Jugendleiterverzeichnis ansah, stellte man fest, dass die Position des Vereinsjugendleiters zu 90 % von sportbegeisterte Männern begleitet wurde. Gegen Veränderungen ist nicht einzuwenden. Heute wird die Position des Jugendleiters überwiegend von Eltern übernommen. Das ist zunächst mal lobenswert und keineswegs verwerflich. Eltern übernehmen immer mehr Verantwortung und begleiten das eigene Kind bei der Freizeitgestaltung. Das ist im grunde genommen gut !
Bedenklich wird das Ganze jedoch wenn der Leistungsdruck auf die Kinder und Jugendliche überhand nimmt. Als Kreisjugendleiter, im Nordsaarkreis, bin ich unter anderem auch in die Talentförderung eingebunden. Ich denke schon, dass einer gescheiten Förderung von talentierten Jugendspielern nichts im Wege steht. Wir alle sollten jedoch viel Gefühl in diese Angelegenheit investieren. Wann fängt sinnvolle Talentförderung an und wo hört sie auf ? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Eltern nur das Beste für das eigene Kind möchten. Es soll der beste Verein, der beste Trainer und die besten Voraussetzungen geschaffen sein. Jeder sucht das optimale für sein Kind und seine Entwicklung. Auch das ist grundsätzlich gut und keineswegs ein Problem. Wo bleiben jedoch die Kinder mit weniger Talent und welcher Verein betreibt noch Jugendarbeit in der Breite ? „Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt“. Der Fokus liegt heute überwiegend in der leistungsorientierten Nachwuchsarbeit. Kinder mit weniger Talent fallen meistens durch das Raster. Kinder mit viel Talent hingegen werden heute auf vielen Ebenen gefördert.
Vor einiger Zeit hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem engagierten Vater. Sein Sohn ist ein talentierter Jugendfußballer und wird derzeit auf dem DFB-Stützpunkt gefördert. In unserem Gespräch erörterte mir der Vater seinen Wochenplan mit seinem Sprössling. Neben dem Training auf dem DFB-Stützpunkt absolviert das Kind zweimal die Woche ein Vereinstraining und zudem noch ein wöchentliches Fußballtraining auf einem Sportgymnasium mit dem Schwerpunkt Fußball. Abschließend wird schließlich jeden Samstag ein Punktspiel bestritten und manchmal sogar während der Woche ein Nachholspiel absolviert. Das Ganze ist natürlich mit den schulischen Herausforderung zu vereinbaren. Wann ist das Kind noch Kind ?
Leistungsdruck im Nachwuchsbereich gibt es überall und nicht nur im Fußball. Auch die sogenannten Randsportarten legen immer mehr Wert auf die Förderung von Talenten und vergessen dabei die Pflege des eigenen Breitensports. Wenn wir die Breite vergessen, werden wir bald keine Möglichkeit mehr haben unseren Sport auszuüben. Während den diesjährigen Jugend-Kreismeisterschaften in Merchweiler wurden meine Kollegen des KJA Nordsaar sowie Freunde des ausrichtenden Vereins massiv von Eltern angegangen. Die Gründe waren meistens belanglos und nicht besonders dramatisch. Keine Frage: Im Wesentlichen ging es den Eltern in diesem Moment nur um das Wohl ihres eigenen Kindes. Die Vereinsmitarbeiter stehen meistens hilflos daneben und können sich letztens nur entschuldigen. Schließlich braucht jeder Verein talentierten Jugendspieler und kann sich keinen Stress mit den Eltern erlauben. Für viele Eltern ist ein Verein jedoch nur eine Übergangsstation. Das eigene Kind soll es einmal besser haben. Die Anzahl der Vereinswechsel im Jugendbereich ist in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Wo ist die Liebe zum Heimatverein ? Gegen einen Vereinswechsel und eine individuelle Verbesserungen für das eigene Kind ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Bedenklich wird es halt nur, wenn andere unter diesen Zielen leiden. Was passiert, wenn man vor lauter Liebe zu seinem Kind die Realität aus den Augen verliert ?
Es gibt in jedem Verein engagierte Mitarbeiter in den Jugendabteilungen. Wir müssen respektvoll mit diesen wichtigen Ehrenämtlern umgehen. Am Beispiel der diesjährigen Kreismeisterschaften in Merchweiler kann ein Blick hinter die Kulissen nicht schaden. Die verantwortlichen Mitarbeiter des KJA oder dem ausrichtenden Verein kamen morgens um 07:30 Uhr in die Halle und verließen diese wieder am späten Abend gegen 20:00 Uhr. Dazwischen lagen viele Stunden Stress und körperliche Arbeit. Das ganze Wochenende zum Wohle der Kinder und des Jugendfußballs geopfert. Als Dankeschön gibt es dann zum Abschluss des Tages noch einen auf den Deckel. Wer tut sich sowas heute noch an ? Ich ziehe meinen Hut vor den Jugendmitarbeitern in den Vereinen und in meinem KJA Nordsaar. Es ist schön das es euch gibt !