Die Glocken – Heimatliche Töne unseres Dorfes

Die Glocken unserer Kirchen sind ein Bestandteil eines jeden saarländischen Dorfes. Irgendwie werden unsere Dörfer immer mit der idyllischen Stille und einem leisen Glockenklang, im Hintergrund, in Verbindung gebracht. Wir Dorfbewohner nehmen den Glockenklang unserer beiden Kirchen längst nicht mehr wahr. Unsere Kirchenglocken gehören einfach dazu und sind im Laufe der Jahrhunderte längst Teil unseres dörflichen Lebens geworden. In Zeiten, in denen immer mehr Kirchen geschlossen werden, wächst die Sorge um den Verlust des örtlichen Glockenklangs. Gerne sitze ich in meinem Garten, unweit der Ortsmitte, und lausche den Glocken unserer beiden Dorfkirchen. An Festtagen läuten die Glocken oftmals zusammen und verpassen unserem Dorf einen ganz speziellen heimatlichen „Sound“. Ich persönliche möchte keine unserer Dorfglocken vermissen. Immerhin höre ich ihren Klang schon seit Kindesbeinen.
Die erste Glocke in unserem Dorf befand sich bereits im Jahre 1716 im Turm der evangelischen Stengelkirche. Die ersten Informationen über den Bestand einer Glocke im Kirchturm der heutigen evangelischen Kirche finden wir im ältesten Kirchbuch der Kirchengemeinde. In einem Schriftzug aus dem Jahre 1716 wird auf eine Anschaffung einer Glocke hingewiesen. Der damalige Pfarrer Morch schreib dazu folgendes:
„Anno 1716, den 8.Juni, ist eine neue Glocke von 5 Zentnern und 15 Pfund Gewicht von unserem Gnädigsten Grafen und Landesherren, Herrn Friedrich Ludwig, Grafen von Ottweiler Nassau zu dieser Kirchen allhier gekauft und bezahlt worden vor (für) dreihundert und fünfzehn Gulden“.
Die Nachricht, dass es sich um eine neue Glocke handelt, könnte darauf schließen lassen, dass schon vorher mindestens eine Glocke im Kirchenturm hing. Die im Jahre 1716 geschenkte Glocke verrichtete 30 Jahre ihren Dienst. Dann zersprang die Glocke ausgerechnet beim Läuten. Dies war in diesem Zeitalter keineswegs eine Seltenheit. Der Volksmund machte daraus jedoch einen Hokuspokus: Wenn eine Glocke während einer Amtshandlung zersprang war das für die Menschen meistens ein Hexenwerk oder ein Fluch. In Wirklichkeit waren die damaligen Glocken einfach nicht robust genug. Aus dem Material der zersprungenen Glocke und für 70 Gulden hinzugekauftes Glockenmaterial ließ die Gemeinde zwei neue Glocken gießen. Die Anfertigung und den damit verbundenen Guss wurde damals in die Hände einer Glockenfirma aus Niederlinxweiler gelegt.
Die größte angefertigte Glocke wog fast 4 Zentner und trug die Inschrift:
„Ich rühre nur das Ohr von außen mit dem Schall. Hilf, Jesu, dass dein Wort durchs Ohr ins Herz fall.“
Die kleinere Glocke wog 171 Pfund und trug die Inschrift:
„Mein Gott, lasse mich vor allen Dingen zu deines Namens Ehre klingen.“
Die kleinere Glocke zersprang im Jahre 1768 beim Läuten einer Beerdigung.
Diese beiden Glocken läuteten auch während des Neubaus der evangelischen Kirche 1746. Im Jahre 1776 trug unser Kirchturm erstmals drei Glocken. In diesem Jahr wurde erneut eine Glocke von Fürsten Ludwig von Nassau Saarbrücken der Gemeinde geschenkt. Bis zum Jahre 1838 verrichteten diese Glocken, in der Glockenstube des Turms ihren Dienst für die Gemeinde. Dann zersprang mal wieder die kleinste Glocke. Einige Jahre später im Jahre 1845 zersprang die größte Glocke, die fast 100 Jahre ihren Dienst verrichtete.


Im Jahre 1908 beauftragte die Gemeinde die Glockengießerei Schilling in Apolda 4 neue Glocken mit den Tönen f, a, c, d zu gießen. Diese Glocken hingen nur ein knappes Jahrzehnt im Turm. Es kam der erste Weltkrieg und im Juli 1917 wurden die Glocken bis auf die kleinste zu Rüstungszwecken vom Turm geholt. Für das Dorf und die Gemeinde waren dies schwierige Zeiten. Weil der deutschen Rüstungsindustrie die Rohstoffe ausging, wurden 1917 auch Kirchenglocken beschlagnahmt. Etwa die Hälfte von ihnen wurde eingeschmolzen, für die Kirchen eine patriotische Tat. Per Erlass waren alle Kirchengemeinden im Deutschen Reich im Frühjahr zunächst aufgefordert worden, eine Auflistung ihrer Bronze-Glocken bereitzustellen. Je nach kunsthistorischem Wert sollten die Glocken einer von drei Kategorien zugeordnet werden. Glocken der Gruppe A mussten grundsätzlich abgeliefert und „in kürzester Zeit dem Zugriff der Heeresleitung“ überlassen werden, eine Gruppe B mit mäßigem kulturellem und historischem Wert wurde zunächst zurückgestellt, Glocken der Gruppe C galten als geschützt. Außerdem sollte jede Kirche mindestens die kleinste ihrer Glocken behalten dürfen.
Von 1917 bis 1922 gab es nur eine Glocke in unserem Turm. Im Jahre 1922 wurde von der Gemeinde Wahlschied eine C- Glocke erworben. Nun waren wieder zwei Glocken im Turm. Im Jahre 1930 wurde ein großer Wunsch der Gemeinde erfüllt und es kamen wieder 4 Glocken in den Turm. Die große Spendenbereitschaft der Gemeindeglieder war dafür verantwortlich, dass man sich endlich wieder 4 Glocken leisten konnte. Wieder wurde die Gießerei Schilling beauftragt. Im Jahre 1932 wurden die 4 Glocken feierlich eingeweiht. Drei Glocken wurden angefertigt und kamen wieder zu der noch im Turm befindliche, älteren Glocke hinzu. Am Ostersonntag 1932 war, unter der Beteiligung zahlreicher Schaulustiger, Glockenweihe angesagt. Wiederum taten diese Glocken nur 10 Jahre ihren Dienst. Auch die Nazi-Behörden sagten im Zweiten Weltkrieg den Glocken den Krieg an. Schon am 5. September 1939, vier Tage nach Kriegsbeginn, untersagte der Staat das Läuten der Kirchenglocken, weil sie die Flak-Abhorchgeräte behinderten. Erst Ende Oktober wurde für Sonn- und Feiertage das feierliche Einläuten am Vorabend gestattet. Auch an Wochenenden durfte bei Begräbnissen vor dem Requiem geläutet werden. Ab Dezember 1939 war nach einer neuerlichen Verfügung des Landrats das Läuten an den Wochentagen in der Zeit von 8 bis 18 Uhr bei Gottesdiensten mit einer Beschränkung auf drei Minuten erlaubt.
Am 19 April 1942 wurden wiederum die drei großen Glocken zur Kriegsrüstung aus ihrer Glockenstube entfernt. Erneut blieb nur die kleinere Glocke im Kirchturm hängen. Sie befahlen reichsweit und in den besetzten Gebieten die berüchtigte „Glockenabgabe“ an die Rüstungsindustrie. Das war der Höhepunkt der so genannten „Metallspende“ für den Krieg. Die NS-Behörden klassifizierten die Glocken in Typen A, B, C und D. Die Typen C und D repräsentierten historisch wertvolle Glocken. Während A und B sofort hergegeben werden mussten, war Typ C in „Warteposition“, wohingegen Typ D geschützt war. Für den „Endsieg“ ließ manch ein Bürgermeister auch die historisch wertvolle Glocke (Typ D) vom Turm nehmen. Von 1942 bis 1953 läutete nur eine Glocke in unserem Turm .Dabei handelte es sich um die kleinste Glocke des 4er Geläutes aus dem Jahre 1908, die von Pfarrer Bingel gestiftet wurde.

Nach dem zweiten Weltkrieg hatte die Gemeinde ganz andere Sorgen als eine neue Glocke zu erwerben. Das Dorf musste zunächst zur Ruhe kommen und vorrangige Aufbauarbeiten bewerkstelligen. Immerhin gehörte Dirmingen zu den am meisten bombardiertesten Landgemeinden unserer Region. Erneut rief das Presbyterium, in den 1950ger Jahren, die Gemeinde auf für neue Glocken zu Spenden. Ab dem Januar 1953 fanden monatliche Sammlungen statt. Die Gemeindeglieder waren erneut sehr Spendenfreundlich. Im September des Jahres 1953 kamen die neuen Glocken in Dirmingen an. Das Geläut wurde erneut bei der Glockengießerei Paccard Annecy in Auftrag gegeben. Die kleine, ältere von Pfarrer Bingel gestiftete Glocke wurde umgegossen. So entstand ein Geläut aus Bronze mit der Zusammensetzung: G, b, C, d, D
Die Kosten des Geläutes beliefen sich auf 1184590 ffrs (damals etwa 9900 DM) Der ganze Betrag wurde von der Gemeinde (Sammlung) finanziert. Die Glockenweihe fand am 20.September 1953 in der evangelischen Kirche statt. Zuvor standen die Menschen in Zweierreihen an der Straße, um die Ankunft der neuen Glocken zu feiern.
Zu dieser Zeit waren die Glockenanlage in der evangelischen Kirche noch auf Handläuten eingestellt. Die Stricke hingen in der Eingangshalle es Kirchturmes. Damals musste das läuten gelernt sein. Bei zu kräftigem läuten schlugen die Glocken oftmals übereinander. Einzig der alte Dirminger Küster Jakob Franz – Franze Babbe – verstand sich aufs läuten. Dennoch wurde in diesem Jahr 1953 beschlossen eine Glockenanlage zu käuflich zu erwerben. Die Gefahr, dass die Glocken überschlugen und dadurch kaputt gingen war einfach zu groß. Später hieß es in Dirmingen der Küster Franz läutet nicht mehr, sondern er lässt es läuten.

Am 15. Mai 1948 fand der erste Spatenstich zum Neubau der katholischen Kirche auf dem Rotenberg statt. Die Einsegnung wurde am 17. Dezember 1950 vorgenommen und die Kirchweihe erfolgte am 4. Mai 1954 in einer feierlichen Messe. Im Jahr 1953 goss die Saarlouiser Glockengießerei in Saarlouis-Fraulautern für St. Wendelinus Pfarrkirche fünf Bronzeglocken mit den Schlagtönen: des′ – es′ – f′ – as′ – b′. Die Glocken haben folgende Durchmesser: 1489 mm, 1327 mm, 1182 mm, 994 mm, 885 mm und wiegen: 2020 kg, 1420 kg, 1016 kg, 626 kg, 446 kg.
Ich persönliche genieße es ganz besonders wenn an einem Festtag die Glocken unserer beiden Kirchen zusammenläuten. In diesem Momente fühle ich mich geerdet, befreit und Zuhause. Der Glockenklang unserer beiden Kirchen bildet die Vertonung eines innigen Heimatgefühls. Das war schon immer so, und wird auch wenn Gott will so bleiben.