Vom Historisch Konfessionellen Kleinkrieg und einer gemeinsamen Ökumenischen Zukunft in unserem Heimatort
Einer Studie des Freiburger Forschungszentrums Generationenverträge aus dem Jahre 2019 zufolge könnten die Kirchen in Deutschland bis zum Jahr 2060 fast die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren. Das christliche Abendland löst sich langsam auf und ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass auch die derzeitige Corona- Krise den Kirchen weitaus mehr Schaden zufügt als bisher abzuschätzen.
Unsere beiden Kirchen schrumpfen auch deshalb, weil Kirchenmitglieder zwischen dem 25 und 40 Lebensjahr austreten und weil immer weniger Kinder getauft werden. Die Zukunft unserer beiden Kirchen sieht finster aus. Deutschland wird in absehbarer Zeit zu einem mehrheitlich säkularen Land. Das heißt, nur noch jeder dritte Bundesbürger wird in absehbarer Zeit Mitglied einer der heutigen Volkskirchen sein. In unserem Heimatort Dirmingen ist dies schon heute deutlich spürbar. Die Zahl der konfessionslosen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Wenn sich der Trend fortsetzt werden zukünftig weniger Kirchenmitglieder in unserem Dorf leben als Menschen, die keiner Konfession angehören.
Meine Meinung zu diesem Thema ist hinlänglich bekannt und wurde auf diesen Seiten schon mehrmals befestigt. Es ist am Ende immer das, was wir daraus machen. Unsere Kinder müssen, um bessere Menschen zu werden, kein Mitglied in einer Kirche sein. Wenn wir jedoch auf unsere Kultur und unsere Werte achten, stellen wir fest, dass unserer beiden Kirchen unseren Heimatort, unsere Geschichte und unsere Familien bis hierhin prägten. Alles ändert sich und auch das Verhältnis der Schäfchen zu ihrer Kirche ist heute ein anderes als noch vor 50 Jahren.
Eigentlich ist es paradox! Wir erheben Anspruch auf unser christliches Abendland und schimpfen über den langsamen Einfluss anderer Religionen in unserem Land um dann post-wendet aus der Kirche aus zutreten. Früher war das anders, ganz anders. Das Verhältnis von Protestanten und Katholiken war über viele Jahrzehnte geprägt von Hass und Abneigung. Auch bei uns im Dorf gibt es viele Beispiele und Anekdoten aus der Zeit, als sich die beiden in Dirmingen vorhandene Konfessionen nicht ausstehen konnten.
Während meiner Heimatforschung erzählten mir einige ältere Mitbürger von ihren Erlebnissen. Dabei darf man keine der beiden Konfessionen von Fehlern freisprechen. Während die Katholiken am Karfreitag ihre Wäsche wuschen und aufhingen, fuhren die protestantischen Bauern am Fronleichnam den Mist aus. Am schlimmsten traf es jedoch die Kinder. An den eigenen Schutzbefohlenen ließ man den Hass auf seinen Nachbarn aus. Die Kinder wurden in der Abneigung zur anderen Konfession erzogen und mussten getrennt zur Schule gehen. Während vor dem zweiten Weltkrieg die evangelische Schule in der Ortsmitte vor der Evangelischen Kirche stand, wurde später eine katholische Volksschule zunächst in der heutigen Straße „Zur alten Mühle“ und später auf dem „Gänseberg“ errichtet. Auch die heutige Schule für „Geistig behinderte Menschen“ auf dem Rothenberg war früher eine katholische Volksschule. Kinder durften nicht miteinander spielen und prügelten sich aufgrund ihrer Konfessionszugehörigkeit. Hat das im übertreibenden Sinne nicht eine gewisse, schreckliche Ähnlichkeit zum Rassismus?
Im Rheinland nennt man die Protestanten noch heute gerne „Blaukopp“. Die Katholiken hingegen wurden im Dorf „Kreuzkopp“ oder „Schwarzkopp“ genannt. Der Begriff „Blaukopp“ stammt wohl aus der Zeit nach der Auflösung des alten Reiches und dem Ende der französischen Besatzung. Andere hingegen vertreten die Auffassung, dass der Begriff »Blaukopp« schon während des Dreißigjährigen Krieges für die Schweden mit ihren blaustichigen Helmen verwendet wurde. Wahrscheinlich ist aber, dass mit „Blaukopp“ tatsächlich protestantische Preußen gemeint waren. Letztendlich dürften die preußisch-blau gefärbten Uniform-Röcke der Soldaten namens-gebend gewesen sein. Spätestens seit den Befreiungskriegen 1813/15 wurden die Preußen auch im Rheinland mit dieser typischen Farbe identifiziert. Bis heute ist ein „Blaukopp“ im Rheinland und somit auch im Saarland ein Protestant.
Der Konfessionelle Kleinkrieg gewann nicht nur in Schulangelegenheiten, sondern auch in der Ehe immer mehr die Überhand. Der schreckliche Begriff der Mischehe gewann mehr und mehr an Bedeutung. Dieses sensible Thema reichte bis weit ins 20 Jahrhundert. Wollte ein Protestant beispielsweise ein katholisches Mädchen heiraten, führte das zwangsläufig zu einem echten Drama. Im schlimmsten Fall wurde ein katholisches Mädchen nach ihrer Heirat mit einem Protestanten exkommuniziert. Das Ganze wurde dann noch damit verdeutlicht, dass die Gute in ihrer Gemeinde weggeläutet wurde. In meiner Familie hat sich dies genau so ereignet. Meine Mutter wurde aufgrund ihrer Ehe mit meinem Vater, der zu der Evangelischen Kirche gehört, exkommuniziert. Gewonnen wurde damit überhaupt nichts und die Gräben wurden eher noch vertieft. Meine Mutter konnte der katholischen Kirche lange Zeit nicht verzeihen. Heute ist das gottlob Geschichte !
Nach dem Wiener Kongress von 1815 entstanden konfessionell gemischte Länder. Im 19. Jahrhundert bilden sich immer mehr Dörfer mit eigenen Schulen und Vereinen. Ziel war es möglichst wenig miteinander zu tun zu haben. In Dirmingen entstand erst um das Jahr 1911 und damit relativ spät eine katholische Kirchengemeinde. Während für die Katholiken die Protestanten alleine die Schuld an der religiösen, politischen Spaltung und am Sittenverfall hatten, hielten die Protestanten die Katholiken für faul, schmuddelig und vaterlandslos. Aus Sicht der Evangelischen Christen waren die Katholiken dumme Gefolgsleute des Papstes ohne eigene Meinung.
Heute hat sich das Ganze entspannt. Die beiden Kirchen suchen mehr und mehr die Ökumene und haben weitaus andere Sorgen. Immer mehr Menschen wenden sich ab und treten aus der Kirche aus. Die Folgen dieser Entwicklung sind heute noch nicht absehbar, wobei sie schon jetzt nichts Gutes verheißen.
Wohin führt also der Weg der beiden großen Volkskirchen? Man bekommt immer das, was man verdient. Die Erziehung unserer Kinder spielt bei der Entwicklung unseres Landes eine gewichtige Rolle. Natürlich braucht man keine Mitgliedschaft in einer Kirche, um ein guter Mensch zu sein. Man muss auch nicht eine Mitgliedschaft anstreben, um zu glauben oder zu beten. Gegenseitiger Respekt und Nächstenliebe können auch fernab einer kirchlichen Institution entstehen.
Was aber ist mit unserer vielzitierten Kultur und den ach‘ so wichtigen Werten?
Ich glaube, dass der Mitgliederschwund der beiden Kirchen zwangsläufig auch unsere Heimat und unser Weltbild verändert. Unsere Väter und Mütter haben den beiden Volkskirchen viel Gutes aber auch viel Leid zu verdanken. Die Kirche war immer Heimat und Zufluchtsort sowie Hoffnung und Mutmacher. Die Kirche war aber auch immer erhobener Zeigefinger, Kläger und Richter. Gerade unsere Kinder haben darunter mehr gelitten als Erwachsene.
Die Geschichte unseres Heimatortes ist geprägt von dem gespannten Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten. Ein altes Kreuz auf dem Dirminger Friedhof steht noch heute als Mahnmal für den jahrzehntelangen Streit zwischen Katholiken und Protestanten. Das ganze Drama spiegelte sich lange Zeit sogar in den Vereinen und in der Politik wider. Fußballer waren Katholisch, Handballer waren Evangelisch, die CDU tendierte zu der katholischen Kirche und die SPD zu der Evangelischen. Auch das hat sich gottlob verändert!
Am Ende gibt es jedoch auch versöhnliche Beispiele. Das Verhältnis der ehemaligen Pfarrer Engel und Didas oder Arneth und Roberts haben dafür Sorge getragen das es besser wurde. Auch das nach der Zerstörung der katholischen Pfarrkirche im zweiten Weltkrieg durchgeführte Simultaneum wird noch heute vielerorts lebend hervorgehoben.
Evangelische und Katholische Christen leben in Respekt und Würde Miteinander in einem Dorf und teilen sich ein Gotteshaus. Ich kann mir diesbezüglich keinen schöneren Gedanken vorstellen.
Die Zeichen stehen auf mehr Ökumene. Zeit neue Wege zu gehen und Gemeinsamkeiten zu suchen. Am Ende könnte dieser Weg den beiden Volkskirchen dienen. Manchmal muss es wehtun bevor es besser wird.
Am Sonntag, 28. Juni wird in Bezug auf eine gute gepflegte Ökumene ein weiterer Meilenstein gesetzt. Im Rosengarten des Freizeitzentrums Finkenrech findet ein ökumenischer Gottesdienst mit Pfarrer Harro Eder und der katholischen Gemeindereferentin Frau Anne Haan statt. Beginn ist um 10:00 Uhr wobei Anmeldungen aufgrund der vorgegebenen Hygienevorgaben unbedingt erforderlich sind. Ich persönlich freue mich auf diesen besonderen Gottesdienst und auf eine gute gemeinsame Zukunft. Schließlich beten wir alle den gleichen Gott an und stammen alle aus diesem wunderbaren Dorf !