Jetzt bitte bloß nicht noch dem Impfneid verfallen

„Wieso ist der schon gegen Corona geimpft – und ich nicht?“ Immer öfter kommt mir in den letzten Wochen diese Frage zu Ohren. Der sogenannte Impfneid greift um sich und zieht viele von uns in seinen Bann. Ich gebe zu, dass auch ich mit der aktuellen Impfstrategie so meine Probleme habe. Während sich viele Menschen massiv um einen Impftermin bemühen und dabei auch mal gerne drängeln, warten viele Berechtige immer noch auf ihre Impfung. Ich persönlich bin noch nicht geimpft und muss im Moment davon ausgehen, dass ich meine beiden Impfungen im Spätsommer hinter mich gebracht habe. Immerhin wurde ich aufgrund meiner Arbeit mit Lebensmitteln priorisiert und haben unlängst einen Termin bekommen. Aufgrund der Tatsache, dass gerade Kommunalpolitiker eine Vorbildfunktion besitzen, habe ich mich dazu entschlossen mit meinem eigenen Impfinteresse etwas passiver umzugehen.

Viele meiner Freunde und Bekannten sind bereits geimpft. Ich finde das gut und wünsche jedem der sich impfen lassen möchte eine schnelle Umsetzung seines Vorhabens. Auf der anderen Seite versuchen immer mehr Menschen, sich an der Impf-Priorisierung vorbeizumogeln. Der Begriff Impfdrängler könnte zum Unwort des Jahres heranwachsen. Dabei sind längst noch nicht alle Priorisierungsgruppen durchgeimpft. Wenn es um seine eigene Sicherheit geht, kann der Mensch sehr ungeduldig werden. In den sozialen Medien wurden in den letzten Wochen vermehrt Bilder von geimpften Menschen gezeigt. Auf der einen Seite finde ich das gut und sinnvoll. Warum nicht mit seiner eigenen Impfung werben und andere dafür begeistern? Auf der anderen Seite entsteht gerade durch dieses öffentliche Verhalten der oft zitierte Impfneid. Dabei verschlägt es selbst mir beim Lesen der vielen Hass-Kommentare die Sprache. Wie kann man nur so hasserfüllt und neidvoll reagieren? Warum sind wir nicht in der Lage einfach mal zu gönnen?

Durch das unglückliche Verhalten unserer Bundesregierung und auch der Medien haben wir mittlerweile mit einem weiteren Problem zu kämpfen. Die endlose Diskussion um den Impfstoff AstraZeneca hat tiefe Gräben gerissen. Wer darf und sollte mit welchem Impfstoff versehen werden. Diese Diskussion verlief äußerst unglücklich und hat nicht gerade für großes Vertrauen gesorgt. Viele haben den Wunsch, schnell geimpft werden zu wollen und lehnen dann aber eine Impfung mit Astrazeneca ab. Mittlerweile möchten sich auch viele ältere Mitbürger ausschließlich mit Biontech impfen lassen. Klar, jeder will für sich nur das Beste. Bleibt die Frage, wie es um die Menschen steht, die keiner Priorisierungsgruppe angehören. Was ist mit den Menschen die täglich dafür Sorgen, dass der Laden läuft aber einfach noch nicht an der Reihe sind? Was ist mit den Menschen, die sich selbst nicht helfen können und mit der Buchung des eigenen Impftermins überfordert sind ?

Bei meiner täglichen Arbeit als Ortsvorsteher erlebe ich ganz oft die Ohnmacht vieler Menschen. Natürlich gibt es auch in unserer Heimatgemeinde sehr gute und effektive Hilfsangebote. Dennoch haben es gerade ältere und auch Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen, besonders schwer. Nur die Starken setzen sich durch wobei die Schwachen warten müssen. Ist das fair? In meinem Dorf gibt es immer noch Menschen, die priorisiert sind und auf ihren Impftermin warten. Natürlich liegt es dabei ganz oft selbst an den betreffenden Personen. Viele Menschen sind jedoch überfordert und können sich nicht selbst helfen. Dabei ist es oft schon ein Problem diese Schwäche einzugestehen und um Hilfe zu bitten.

Ich persönlich habe mir fest vorgenommen zu warten, bis ich an der Reihe bin. Ja, ich lasse mich impfen und finde die unsägliche Diskussion um die Wirksamkeit des Impfstoffes ermüdend. Natürlich darf es keinen Impfzwang geben und auch ich sehe die Gefahr, dass Menschen am Ende in ihre eigene Impfung gedrängt werden.  Auf der anderen Seite, wieder mal, gehen mir sämtliche Verschwörungstheorien mächtig auf die Nerven. Ich glaube nicht daran, dass Bill Gates Schuld an dieser Pandemie hat und ich bezweifle zudem, dass dieser Virus als neue Waffe dient. Natürlich gibt es den Corona-Virus schon seit den 1960-ger Jahren. Dabei handelt es sich aber eben nicht um diese COVID-19 Variante!

Fakt ist, dass sich unsere Welt im Wandel befindet. Es gibt längst keinen normalen Meinungsaustausch mehr. Wir allen verlieren zusehends die Mitte. Entweder du bist dafür oder dagegen. Gerade in den sozialen Medien wird keine Meinung zwischen den Zeilen geduldet. Dabei werden Verschwörungstheoretiker genauso verbal angegangen wie die Fürsprecher jeglicher Hygieneverordnungen. Wo also liegt die Wahrheit? Unsere Gesellschaft triftet mehr und mehr auseinander. Dies wird nicht nur bei der aktuellen Pandemie deutlich. Es gibt weitere Beispiele, die darauf hinweisen, dass unsere Welt aus den Fugen gerät. Mit großer Sorge blicke ich auf so machen Brennpunkt im Land der Dichter und Denker. In einigen deutschen Großstädten wird wieder mal lauthals „Scheiß Juden“ gebrüllt. Ich werde es nie verstehen, dass der Antisemitismus ausgerechnet in unserem Land immer noch Anklang findet. Das rechte Gedankengut ist in vielen Ecken und Kanten zu finden. Nicht nur unter den Verschwörungstheoretikern, sondern offensichtlich auch unter Funktionären des DFB. Zumindest sollte man, wenn man sich in Amt und Würden befindet, genau überlegen was man von sich gibt. Dabei ist auch klar, dass man nicht alles überbewerten sollte. Manchmal glaube ich, dass die aktuelle Genderdebatte mehr spaltet als eint. Wenn ich mich bemühe, kann ich alles verstehen. Ich selbst habe zwei Töchter und erlebe in meinem Beruf täglich, wie Frauen und Mädchen diffamiert werden. Dabei liegt die Wahrheit aber im Respekt und in der Anerkennung und nicht unbedingt nur in einer gendergerechten Sprache. Was nutzt es, wenn ich mir aneigne auf jedes „innen“ zu achten, um danach heimzugehen um meine Frau zu schlagen? Nein, liebe Leute! Was Frauen brauchen ist Anerkennung vor ihrer Lebensleistung. Dazu gehören gleiche Bezahlung, gleiche Rechte und mehr Respekt!

Ich wurde erzogen Frauen den Vortritt zu lassen, die Tür zu öffnen, den Platz anzubieten oder einfach nur Schutz zu gewähren. Es sind einfache Verhaltensformen, die in den letzten Jahren verlorengegangen sind. Ich habe kein Problem mit einer gendergerechten Sprache. Vielmehr sollte jedoch wieder Anstand, Höflichkeit und Respekt in den Vordergrund rücken. Mit Respekt schließt sich auch der Kreis. Unsere Welt befindet sich wie bereits mehrfach erwähnt im Wandel. Egoismus, Missgunst und Neid haben Hochkonjunktur. Es wird Zeit dagegen zu halten und Zeichen zu setzen. Zeigen wir doch alle mehr Respekt und Verständnis. Zeigen wir doch alle, dass wir MEHR sind …….

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