Vom traurigen Zerfall des alten Dirminger Denkmals

Denkmäler erfüllen keine Hoffnungen mehr, sie taugen viel besser als Mahnmale enttäuschter Erwartungen. (Martin Gerhard Reisenberg (*1949), Diplom-Bibliothekar und Autor)

Eigentlich ist alles gut und genau so, wie wir es uns gewünscht hatten. Die meisten Dirminger sehnten sich nach der schrecklichen Schändung des alten Dirminger Mahnmals auf dem Hundsberg, im Februar 2014, nach einer Lösung.

Irgendwie hatte das alte Denkmal schon damals seinen Zauber verloren. Die Menschen nahmen das Mahnmal als Solches kaum noch wahr und auch die Gemeinde war nicht im Stande die idyllische Anlage, am Waldrand, zu pflegen. Die damaligen Bemühungen, dass alte Denkmal zu erhalten und aufzuwerten, mussten recht bald aufgegeben werden.

Viele Dirminger stellten sich schon damals die Frage ob man überhaupt noch ein Denkmal zu Ehren der zahlreichen Kriegsopfer braucht. Ich persönlich vertrete bis heute die Meinung, dass wir ein Denkmal als Mahnmal gegen das Vergessen verstehen sollten.

Von daher habe ich mich damals sehr gefreut, als wir mit einem Team einen „Heimatlichen Bilderabend“ durchführten und aus dem Erlös ein neues Mahnmal auf dem Dirminger Friedhof, unmittelbar neben der Einsegnungsgalle, gebaut wurde. Wir alle waren sehr Stolz als am Volkstrauertag 2016 das neue Mahnmal feierlich eingeweiht wurde. Eigentlich war somit alles gut und genau so, wie wir es uns gewünscht hatten.

Kein stolzer Anblick

Als ich in der vergangenen Woche in Richtung „Steinrutsch“ spazierte, pilgerte ich am alten Denkmal vorbei und nahm dabei ganz bewusst den alten schon zu gewilderten Weg hinauf zur Gedächtnisstätte. Mit jedem Schritt mehr wurde ich nachdenklicher und eine gewisse Traurigkeit wurde in mir wach.

Bei aller Freude über das neue Mahnmal auf dem Friedhof wuchs in mir die Erkenntnis, dass wir ganz bewusst ein historisches Werk unserer Väter dem langsamen Verfall hingeben. Von dem alten stolzen Alleeweg aus kann man kaum noch das alte Denkmal sehen. Wenn man dann am Ende des Weges das alte Denkmal erreicht, muss man den Anblick erst einmal verarbeiten.

Die komplette Anlage ist verwildert und das Denkmal, mit seinen Sträuchern, in einem erbärmlichen Zustand. Haben wir das wirklich so gewollt?  Konnten wir nicht vorhersehen, dass mit dem Bau eines neuen Denkmals noch weniger Wert auf das alte Mahnmal gelegt wird? Ich persönlich empfand diesen Anblick des alten „Hundsberger“ Denkmals beschämend und entwürdigend. Nein, dass war eigentlich nicht der Plan.

Aber wie können wir verhindern, dass dieses historische Bauwerk, aus dem Jahre 1955, völlig verfällt und als Ruine im Wald dahinbröckelt? Guter Rat ist teuer. Die Gemeindeverwaltung hatte es schon damals nicht geschafft sich regelmäßig um die Anlage zu kümmern. Der Versuch einen „Pflege-Paten“ zu finden, musste ebenfalls aufgegeben werden. Eigentlich haben wir mit dem Bau eines neuen Mahnmals, auf dem Dirminger Friedhof, das alte Mahnmal zum verderben verurteilt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es richtig und gut war ein neues Denkmal gegen das Vergessen auf dem Friedhof zu errichten. Dennoch macht mich der Zustand des alten Mahnmals fassungslos und auch etwas traurig.

Ich erinnere mich noch gut daran als mich mein Vater als kleiner Junge zum Festakt am Volkstrauertag mitnahm. Während der Kranzniederlegung wirkte mein Vater immer sehr ergriffen. Ich stand schweigend neben meinem Vater, vor dem stolzen Denkmal und verstand eigentlich nicht um was es genau ging. Meine Oma hatte mir zwar erklärt, dass mein Großvater im Krieg gefallen war, aber so richtig einordnen konnte ich es damals noch nicht. Ich verstand jedoch, dass dieses Bauwerk für meine Familie wichtig war.

Verwuchert und Vergessen

Die beiden Weltkriege haben auch in Dirmingen tiefe Spuren hinterlassen. Bereits am 28.August 1928 wurde das erste Denkmal an gleicher Stelle auf dem Hundsberg eingeweiht. Dieses Denkmal stand auch während des zweiten Weltkrieges und verfiel im Laufe der Jahre ebenfalls in einen erbärmlichen Zustand. Als dieses erste Dirminger Mahnmal zu Beginn der 1950-ger Jahre baufällig geworden war, musst es von der Verwaltung abgebrochen werden. Nach großem ehrenamtlichen Einsatz wurde ein neues Denkmal an gleichem Ort in Auftrag gegeben und erbaut.

Am 06.November 1955 fand die Einweihung dieses heutigen Denkmals auf dem Hundsberg statt. Im Frühjahr des Jahres 1965 wurden angefertigte Namenstafeln an einer Mauer hinter dem Denkmal angebracht. Im Frühjahr des Jahres 2014 wurde das Denkmal geschändet und die Namenstafeln abgebrochen und gestohlen. Fast 60 Jahre diente das alte Bauwerk im Naherholungsgebiet Steinrutsch der Erinnerung an die Opfer der beiden Weltkriege. Mit der Schändung des Denkmals endete praktisch diese Ära.

Für viele Einwohner war dies eine herbe Enttäuschung. Nachdem der Ortsrat schnell dem Bau eines neuen Mahnmals auf dem Friedhof zustimmte, machten sich viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer daran das Werk in die Tat umzusetzen. Im Jahre 2016 wurde das neue Denkmal errichtet und feierlich mit einer Kranzniederlegung eingeweiht. Kurz zuvor wurden in der Einsegnungshalle neue Namenstafeln aufgehängt. Dirmingen hatte wieder einen Ort der Erinnerung. Doch was passiert nun mit dem alten Mahnmal auf dem Hundsberg? Aus den Augen aus dem Sinn ? Gibt es überhaupt ein Interesse dieses Werk in irgendeiner Form zu erhalten ? Sollen wir wirklich zusehen, wie dieses Bauwerk verwuchert und völlig verfällt?

Ich habe keine Antworten auf diese Fragen und auch keine Lösung parat.

Ich befürchte wir werden weiterhin ohnmächtig und tatenlos zusehen wie das alte Denkmal immer mehr verfällt. Was bleibt ist die Erinnerung und eine gewisse Traurigkeit.

„Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen“. (Albert Schweitzer)