Vom historischen Jagdschloss zum evangelischen Pfarrhaus

„Du ludst uns lieb und gastlich ein, gleich einer Mutter, die ihr Kindelein grüßt, und hast durch deinen warmen Schein bei dir uns schon den ersten Tag versüßt. Nicht herrlich bist du, aller Prunk ist fern, von deiner Schwell bis zum hohen First ist fromme Einfalt dir ein guter Stern und dein Gelöbnis, dass du dienen wirst. So tats’st du willig uns die Kammern auf, bot’st Raum für Bett und Tisch und Truhn’n, für alle Arbeit in dem Tageslauf und Raum genug auch für die Nacht zum Ruh’n. Und lachten wir dann still verhalten, glitt auch ein Lächeln über dein Gesicht, könnt‘ unser Aug‘ den Trän‘ sich nicht enthalten, mit uns zu trauern schämtest du dich nicht. Du liebes Haus – uns allen treu verbunden schon heut‘ durch vieler Jahre Zahl, bleib uns wie wir dich stets erfunden, ein trautes Heim im armen Erdental!“ (Original Gedicht von Pfarrer Wilhelm Engel)

Meine „Herrengärten“

Nach dem 30-jährigen Krieg stand kaum noch ein Stein auf dem anderen. Die Menschen mussten nach Kriegsende, im Jahre 1648, unseren Heimatort wieder neu aufbauen. Vieles hat sich seitdem in unserem kleinen Dorf verändert. Das alte evangelische Pfarrhaus dürfte noch eines der wenigen steinernen Zeitzeugen sein. Meine Heimatstrasse die „Herrengärten“ gehört wahrscheinlich zu den ältesten Straßen unseres Dorfes. Die links neben dem Pfarrhaus verlaufende Straße hat ihren Namen wohl in Anlegung an die Herrschaft derer die das spätere Pfarrhaus im Jahre 1736 erbauten und dort lebten. Bereits im Jahre 1684 war die Straße unter dem Namen „Hohlgassen“ in unserem Dorf bekannt. Ihren eigentlichen Namen „Herrengärten“ bekam die Straße jedoch erst viel später. Die ehemalige Gemeinde Dirmingen hatte sich vor der Namensgebung bestens informiert. In den Chroniken heißt es: „Im Besitz der Herren des Ortes, die in einem Ortsteil zusammenwohnen und als die reichsten Bauern des Ortes gelten. Wahrscheinlich sind dies die ältesten Siedler (Freisassen). Nicht ausgeschlossen ist auch, dass es sich um die Gärten der „Häre“ d.i der Geistlichen handelte“. Wenn man sich die alten Aufzeichnungen vornimmt, erkennt man, dass unser Dorfzentrum früher wohl weiter östlich lag. Die damalige Dorfmitte dürfte schon damals zwischen der heutigen evangelischen Kirche und dem evangelischen Pfarrhaus gelegen haben. Eine genaue Ortsbeschreibungen von der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg liegt jedoch nicht vor und die vorhandenen Informationen sind sehr un-konkret.

Mit alter Scheune

Das evangelische Pfarrhaus soll ein Jagdschloss der Fürsten von Nassau-Saarbrücken gewesen sein. Angeblich soll es dem Fürsten Albrecht von Nassau- Saarbrücken als Jagdsitz gedient haben. Dafür spricht auch heute noch so einiges. Die Bauart weißt tatsächlich darauf hin, dass dieses Gebäude in herrschaftlichen Besitz gewesen sein musste. Der Volksmund behauptete, dass in den 80ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Pfarrhaus alte Türen durch neue ersetzt wurden. Auf den alten Türen waren damals Jagdszenen dargestellt. Dirmingen dürfte aufgrund seines enormen Waldgebietes ein Paradies für alle Jäger gewesen sein. In dem Gebäude befindet sich noch heute, in einem Zimmer des ersten Stockwerkes, ein schöner Barockbogen. Dieser wunderschöne Bogen teilt das Zimmer Alkovenartig in zwei Teile und verleiht dem Haus immer noch ein fürstliches Flair. Nachdem das Gebäude in den Besitz der evangelischen Kirche überging, wurde das vermeintliche Jagdschloss über Jahrzehnte hinweg als Wohnsitz der Dirminger Pfarrer genutzt. Ein Teil der angebauten historischen Scheune dient noch heute als kulturelle Bühne für zahlreiche Veranstaltungen in Dirmingen. Früher diente die Scheune natürlich als Stallung.

In den 1970-ger Jahren

Ich kann mich noch gut an meine Kinderzeit erinnern. Immer wenn ich für meiner Mutter zum Einkauf ging, musste ich meine „Herrengärten“ hinunter, vorbei am ehrwürdigen Pfarrhaus nehmen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass der Garten wunderschön angelegt war und man von der Straße aus kaum durch die Bäume blicken konnte. Neugierig versuchte ich einen Blick zu erhaschen und wollte sehen was die Familie unseres Pfarrers so treibt. Das schöne Pfarrhaus wurde im Jahre 1736 erbaut. Für die meisten Einheimischen gehört das uralte Gebäude noch heute zu den schönsten Sehenswürdigkeiten unseres kleinen Dorfes. Als die evangelische Kirchengemeinde Dirmingen im Jahre 2014 den Verkauf des historischen Gebäudes forcierte, wuchs in der Bevölkerung die Sorge, dass das Pfarrhaus in falsche Hände kommt. Diese Befürchtungen haben sich jedoch keineswegs bewahrheitet und das Haus ist heute, im Privatbesitz, in guten Händen.

Noch heute ranken sich viele Geschichten um das barocke Anwesen. Eine der bekanntesten Erzählungen handelt von der saarländischen Fürstin Katharina Kest, die im Volksmund auch „Gänsegretel“ genannt wurde. Die spätere Reichsgräfin von Ottweiler war die Ehefrau des Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken. Die Mutter der Fürstin, eine gewisse Barbara Wohlfahrt, wohnte in Dirmingen und soll Magd am ehemaligen Jagdschloss in Dirmingen gewesen sein. Nachweislich hatte Katharina Kest nicht nur Vorfahren in Dirmingen sondern wohnte auch eine kurze Zeit dort. Aus unseren Chroniken geht hervor, dass das Ehepaar Johann Christoph Wohlfahrt, aus Ruppertsdorf und Anna Gertrud Wagner aus Dirmingen eine Tochter bekamen. Der Name der Tochter lautete Anna Barbara Wohlfahrt. Der Sage nach lernte Anna Barbara Wohlfahrt aus Dirmingen, im heutigen evangelischen Pfarrhaus, dass früher als Jagdschloss der Gesellschaft von Nassau diente, ihren späteren Mann Johann Georg Kest kennen. Der leibeigene Bauer Johann Georg Kest und Frau Anna Barbara Wohlfahrt lernten sich kennen und lieben und wurden ein Ehepaar. Aus dieser Ehe stammt die spätere ”Gänsegretel” Katharina Margarete Kest. Die Aufgabe des Mädchens Katharina Kest war das Hüten der Gänse auf dem Hof in Fechingen, weshalb sie „dass Gänsegretel“ genannt wurde. Nach dem Tod ihres Vaters zogen Mutter und Tochter in die nahe Stadt Saarbrücken, wo Katharina von Freifrau Frederike Amalie von Dorsberg, der Mätresse des Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken, als Kindermädchen und Kammerzofe beschäftigt wurde. Fürst Ludwig ließ das Mädchen in Metz zur Dame ausbilden. Mit 16 kam sie nach Saarbrücken zurück und wurde seine Mätresse. Am 1. September 1774 schloss Ludwig, der seit 1766 verheiratet war und zudem zwei uneheliche Kinder mit Frederike Amalie von Dorsberg hatte, mit Katharina eine morganatische Ehe („Ehe zur linken Hand“). Sie trug jetzt den Titel Freifrau von Ludwigsberg. 1784 wurde sie Reichsgräfin von Ottweiler, 1789 Herzogin von Dillingen. Katharina Kest heiratete im Februar des Jahres 1787 Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken. Das „Gänsegretel“ verstarb im Jahre 1829 in Mannheim. Irgendwie hat die Fürstin Katharina Kest auch meine Familie gestreift.  Der Ehemann meiner Großtante war ein Nachfahre von Johann Christoph Wohlfahrt, aus Ruppertsdorf. Naja, das ist jetzt natürlich etwas weit hergeholt, aber im Dorf scheint immer alles miteinander verbandelt zu sein. Immerhin wohnt mit Rudi Wohlfahrt immer noch ein direkter Nachfahre von Johann Christoph Wohlfahrt in Dirmingen.

Rückansicht des Pfarrhauses

Im Laufe der Jahre wurde aus dem Jagdschloss derer von Nassau-Saarbrücken das Pfarrhaus der hiesigen evangelischen Kirchengemeinde. Zahlreiche Pfarrer wohnten im Laufe der Jahre in diesem ehrenwerten Haus. Im zweiten Weltkrieg diente das Pfarrhaus als Herberge für evakuierte Bürgerinnen und Bürger unseres Heimatortes. Die Flüchtlinge wurden dabei überwiegend im Erdgeschoß untergebracht. Während eines verheerenden Bombenangriffes auf Dirmingen am 11.Mai 1944 wurde das Pfarrhaus stark beschädigt. Das Haus überstand sogar zwei weitere schwere Bombenagriffe. Glücklicherweise blieb das Mauerwerk des barocken Gebäudes unbeschädigt.In Zeiten des zweiten Weltkrieges stand das Pfarrhaus ohnehin im Mittelpunkt des Ortsgeschehens. In den Räumlichkeiten des historischen Gebäudes war neben den Flüchtlingen sogar eine Offiziersstube mit Kantine untergebracht. Schon während des Neubau unserer Kirche im Jahre 1746 wurde das Pfarrhaus als Gottesdienststätte genutzt. In den 1960-ger Jahren investierte die evangelische Kirchengemeinde mit landeskirchlichen Mitteln in die Sanierung des Hauses. Auch die Gemeinde Dirmingen beteiligte sich damals an den notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Bis zum Jahre 2004 wurde das Pfarrhaus noch als Solches genutzt. Anschließend diente das Erdgeschoss als Büro für die eigene Gemeindeverwaltung. Die ehemalige Scheune an dem Pfarrhaus wurde in den 1980-ger Jahren umgebaut und wird seitdem für gemeindeeigene Veranstaltungen oder feierliche Anlässe genutzt. In den 1970-ger Jahren spielte die evangelische Kirchengemeinde Dirmingen mit dem Gedanken die historische Türglocke zu entfernen und durch eine normale elektrische Türklingel zu ersetzen. Dieses Vorhaben wurde jedoch nie in die Realität umgesetzt. Seit vielen Jahrhunderten gehört das evangelische Pfarrhaus zu den markantesten Gebäuden unseres Dorfes. Schön, dass der neue Besitzer den ureigenen Charme des Gebäudes erhält. Immerhin ist dieses Haus ist ein Stück Dirminger Geschichte.

Vieles hat sich verändert und wird sich verändern. Im Jahre 1935 wurde der mächtige Nussbaum vor dem Pfarrhaus aus Altersgründen gefällt. Beim schauen alter Bilder fiel mir auf, wie schön dieser uralte Baum vor dem historischen Gebäude wirkte. In den 1980ger Jahren betrat ich erstmals die Räume des Pfarrhauses. Ich kann mich noch gut an diesen Moment erinnern. Pfarrer Siegfried Arneth hatte unsere Jugendgruppe damals eingeladen. Das Haus hatte schon damals eine große Wirkung auf mich.  Im Jahr 2014 wurde ein Teil der Scheune als Jugendzentrum genutzt. Mit dem Verkauf des Gebäudes im Jahre 2017 mussten sich die Jugendlichen eine neue Bleibe suchen und haben diese auch im alten evangelischen Kindergarten gefunden.

Das Pfarrhaus heute !

Kurz vor dem Verkauf des alten evangelischen Pfarrhauses musste das Gebäude geräumt werden. Als Presbyter stand man natürlich in der Verantwortung und musste mit anpacken. Ich erinnere mich, dass ich einer der letzten war der offizielle dieses Haus durchgehen durfte. Ich lies mir viel Zeit und schlenderte durch die Räume. Ehrfürchtig fasste ich nochmal die alten Wände an und versuchte mich in die Geschichte des Hauses hineinzuversetzen. Der alte Gewölbekeller hatte etwas unheimliches und das alte Wohnzimmer etwas Anmutiges. Letztlich ist es gut, dass ein Käufer gefunden wurde, der würdevoll mit dem Haus umgeht. Die Starkregenereignisse 2016 beschädigten auch das altehrwürdige Pfarrhaus. Letztlich konnte aber auch diese Katastrophe dem alten Haus nichts anhaben. Was hat dieses Gebäude nicht schon alles überstanden? Am Ende waren es zwei Weltkriege und zahlreiche Krisen. Was sollte da ein wenig Wasser ausmachen?

Das alte evangelische Pfarrhaus ist ein fester Bestandteil unserer eigenen Identität und unserer Dorfgeschichte.

Ein Kommentar

  • Christiane Höckmann

    Sehr geehrter Herr Klein,
    wie schön ist der Text über das ehemalige ev. Pfarrhaus. Auch ich bin als Kind schon staunend durch das Gebäude gewandert. Meine Mama war jahrelang die Sekretärin von Pfarrer Joachim Brenner und den nachfolgenden Pfarrern bis hin zum Siegfried Arneth. Ich glaube auch, dass sie ihre Tätigkeit schon unter Wilhelm Engel begann. Ich kann mich noch gut an ihn erinnern. Wir haben eines seiner Gemälde zu Hause. In den letzten Jahren ihrer beruflichen Tätigkeit hat meine Mama noch oftmals mit Erika Hell zusammengearbeitet. Ich war schon in den 1970er Jahren ein Fan von diesem ehrwürdigen Gebäude und kann mich noch an die Stallungen erinnern. Und die historische Türklingel…..die hab ich immer noch im Ohr!
    Freundliche Grüße

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