Als Dorfkind geboren und stolz drauf !

Als echter Dirminger bist du als Dorfkind aufgewachsen. Eigentlich gibt es nichts Schöneres, als in einem Dorf zu leben. Man sagt: Dorfkinder kennen Wege, die man nicht einmal auf Google Maps findet. Letztens habe ich im Netz einen coolen Spruch gefunden: „Leg dich niemals mit einem Dorfkind an, wir kennen Orte, an denen dich niemand findet“. Zugegebenermaßen ist diese Art von Humor einen Tick zu finster. Aber irgendwie hebt dieser Satz doch die Sonderstellung eines Dorfkindes hervor.

„Kleiner Frank“ mit Vater auf dem Belker

Im Rundfunk habe ich in den letzten Tagen einen Bericht über sogenannte Helikopter-Eltern gehört. Unter den Hubschrauber-Eltern oder als Fremdwort „Helicopter Parents“, versteht man im übertriebenen Sinne überfürsorgliche Eltern, die sich ständig in der Nähe ihrer Kinder aufhalten, um diese zu überwachen und zu behüten. So gesehen ist das zunächst mal nichts Schlechtes. Lieber ein fürsorgliches Elternpaar als das krasse Gegenteil. Eine liebe Freundin meines Jahrgangs sagte mal:“ Wir wurden als Kinder liebevoll vernachlässigt“. Ich finde diesen Satz genial. Irgendwie ist damit alles gesagt. Nein unsere Eltern waren keine Rabeneltern. Im Gegenteil! Es waren halt andere Zeiten und unsere Eltern konnten noch loslassen. „Wehr dich“, oder „du bist alt genug, komm selbst zurecht“ waren Sätze, die unsere Erziehung prägten. Als Kind haben wir einmal gezeigt bekommen, wie der Weg zum Kindergarten oder zur Schule geht, danach mussten wir ihn selbst finden. Dorfkinder verlassen in aller frühe das Elternhaus und werden den ganzen Tag nicht mehr gesehen. „Sieh nur zu, dass du zum Abendessen wieder zuhause bist“ rief die Mutter.

Auf der Straße grüßt du jeden, auch unbekannte Leute. Solltest du das einmal vergessen, gibt es einen Klaps. Im Winter haben wir gehofft, dass der Schulbus nicht kommt und im Sommer darauf gewartet, dass es endlich Hitzefrei gibt. Wir konnten noch im Winter auf der Straße Schlitten fahren und wurden im Sommer von einem Gartenschlauch abgespritzt. Wir waren immer unterwegs. Das ganze Dorf war unser Revier. Von früh bis spät von einer Straße zur nächsten und von einem Wald in den anderen. Das alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Immer mit dem Rad und das noch ohne Helm. Das war natürlich nicht gerade vorbildlich. Wir fanden immer einen Weg rechtzeitig Nachhause zu kommen denn am Ende kannte wir immer eine Abkürzung. Sollten die Eltern mal unterwegs sein, war das kein Problem. Entweder lag der Schlüssel unter der Fußmatte oder Oma war zuhause. Oma war eigentlich immer zuhause.

Um die Zeit zu verschwenden haben wir mit Kreide auf die Straße gemalt, Kaulquappen gefangen und Kastanien gesammelt. Den Mädchen haben wir aufgelauert und sie überfallen. Hagebutte wurde am Kragen in den Pulli geworfen damit es schön juckt. Die größte Mutprobe war „Deckel hoch der Kaffee kocht“. Genauere Angaben zu dieser Aktion werden an dieser Stelle verschwiegen. Wir waren ständig auf der Suche nach irgendwas. Wir kannten den Wald und die Wiesen wie unser Zimmer. Auch im Dorf kannten wir jede Ecke und Kante. Über unserem Dorf lag immer dieser Geruch von Biermaische, Hopfen und Malz. Wenn ich mich bemühe kann ich das noch heute riechen.

Dorfkinder

Nach der Schule ging’s auf den Bolzplatz oder manchmal einfach auf der Straße kicken. Kein Nachbar störte sich daran. Wirklich kein Nachbar? Naja, die wenigsten. Am Wochenende ging es in den Kindergottesdienst. Allein ins Dorf, vorbei an der Hauptstraße bis hin zu der großen Kirche in der Ortsmitte. Mit den anderen Kindern basteln, malen, spielen. Immer die gleichen Gesichter um mich herum. Viele meiner Freunde kenne ich seit Kindesbeinen. Viele haben sich verändert und gehen heute ihren eigenen Weg. Wenn man jedoch genau hinsieht erkennt man noch das Kind im Mann oder der Frau. Kinder erkennen sich eben am Gang. Bis heute sind da irgendwie immer die gleichen Leute. So ist es halt im Dorf. Ich finde es erschreckend, dass immer mehr junge Familien in die Stadt ziehen möchten. Im Dorf zu leben ist längst nicht mehr angesagt. Dabei hat das Leben als Dorfkind definitiv auch seine Vorteile. Der Zusammenhalt ist stärker und das Miteinander intensiver. Das Leben als Dorfkind war und ist unkompliziert. Wenn du irgendwo bei einem Freund zu Besuch warst, wurdest du automatisch zum Essen eingeladen. War doch klar, dass immer ein Teller mehr aufgestellt wurde.

Dann kam die Jugendzeit. Ein Mofa musste her, am besten frisiert und natürlich schneller als erlaubt. Die ersten Cliquen wurden gebildet und man musste zusehen, dass man irgendwo unterkam.Die Jugendfreizeiten mit den Konfirmandengruppe oder die Abschlussfahrten mit den Fußballern waren legendär und unerreicht. Erstes Fieber, erste Liebe, erster Charme und erster Schmerz. Dorfkinder haben eine raue Schale und ein weiches Herz. Legendäre Partys und erster Kontakt mit dem Alkohol: „Schäfer Bier“ welch ein Genuss! Am Anfang noch als „Gespritztes“ und später als Pils. Dann der erste Besuch in Charlys Disco. Disco-Fox bis zum Abwinken. Sogar auf „Smoke on the Water“ wird Fox getanzt. Dorfkinder wissen wie man feiert. Dann kommt die Zeit, in der man nur noch weg möchte. Man kann die vertrauten Gesichter nicht mehr sehen und möchte raus. Der sehnsüchtige Wunsch, den Führerschein machen zu können, um endlich in die nächste Stadt zu fahren wird immer größer. Das Fernweh wächst mit jedem Tag. Du stellst fest, deinen wilden Jahren auf dem Dorf sind vorbei. Du willst neue Leute Kennenlernen und neue Wege gehen. Irgendwann merkst du jedoch, dass auch diese Erfahrung wichtig ist und dich prägt. Ein Sprichwort sagt:“ Man weiß nicht, was man an der Heimat hat, bis man in die Ferne kommt.“ Irgendwie muss sich jedes Dorfkind einmal die Hörner abstoßen. Am Ende erkennen sich jedoch alle Dorfkinder am Stallgeruch wieder. Es zieht uns halt immer „wedda Hemm“.

Mein Dorf

Im Dorf zu leben ist nicht einfach. Der demographische Wandel ist besonders im ländlichen Raum deutlich zu spüren. Viele Bauern haben ihre Höfe aufgegeben, die Geschäfte schließen der Reihe nach und Schulen und Kitas werden zusammengelegt. Wir haben genug damit zu tun, die Kirche im Dorf zu lassen. Schwere Zeiten für Dorfkinder. Hat das Leben auf dem Land noch Zukunft? Ja absolut! Auf dem Land ist man bekannterweise stolz, stur und sehr ausdauernd ! Wir werden auch diese Zeiten überstehen und an den Aufgaben wachsen. Lasst uns unsere Sprache „schwätze“ und unsere Werte und Traditionen pflegen. Wenn wir das tun, bekämpfen wir das Vergessen. Vor allen Dingen sollten wir jedoch versuchen unsere Kinder zu prägen. Es ist nichts Schlechtes daran ein Dorfkind zu sein. Wir müssen lernen loszulassen und sollten uns dazu entschließen unsere Kinder „liebevoll zu vernachlässigen“!

Ein Kommentar

  • Martin Kauth

    hallo Frank.
    Danke für diesen sehr, sehr guten Bericht.Genau so war es auch bei mir off da Letschebach.
    Gruß
    Martin

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