Von stillen Zeitzeugen und mahnenden Gedenkstätten

Die Heimatforschung ist meine große Leidenschaft. Eigentlich bin ich ständig auf der Suche nach alten Fotos, alten Gegenständen, alten Geschichten und interessanten Raritäten. Im Zuge meiner Forschungen stieß ich vor kurzer Zeit auf einen echten Schatz. In einem Abstellraum, unserer evangelischen Kirche, fand ich eine uralte Ehrentafel mit den Namen der Dirminger Opfer vom 1. Weltkrieg (1914 – 1918). Die inzwischen verblasste Ehrentafel ist über 90 Jahre alt und stand wohl behütet einfach so da rum. Die Menschen, die diese Tafel angefertigt hatten, wollten die Erinnerungen an ihre Kriegsopfer bewahren und ein sichtbares Zeichen der Anerkennung setzen.

Alte Ehrentafel

Ich fragte mich wo sich diese alte Tafel ursprünglich einmal befand. Vielleicht an dem alten Denkmal auf dem Hundsberg oder im Innenraum der Kirche? Eine Antwort auf meine Fragen habe ich bisher noch nicht erhalten. Als wir im Jahre 2016 ein neues Denkmal auf dem Friedhof setzten, haben wir uns vorab darüber Gedanken gemacht ob wir überhaupt noch ein Denkmal in Dirmingen benötigen. Nachdem das alte Denkmal, auf dem Hundsberg, mehr und mehr in Vergessenheit geriet und kaum noch wahrgenommen wurde, forcierte der Dirminger Ortsrat einen Bau eines neuen Denkmals auf dem Friedhof. Ich erinnere mich daran, dass damals selbst meine Frau ihre Probleme mit der Notwendigkeit eines neuen Denkmals hatte. Erst als wir der Namen änderte und aus dem Denkmal kurzum ein Mahnmal wurde, entstand ein Schuh daraus.

Es bleibt die Frage: Benötigen wir in der heutigen Zeit noch ein Denk- oder Mahnmal? Das Gedenken an Helden und verdienstvolle Mitbürger fällt leicht. Mit dem Gedenken für Opfer – und auch daran, dass es unter unseren Soldaten auch Täter gab – ist es weitaus schwieriger umzugehen. Ist so ein Gedenkort heute noch notwendig ? Viele Menschen vertreten die Meinung, so etwas wie damals kann sich doch nicht mehr wiederholen. Wirklich nicht? Ich fürchte dies ist ein Irrglaube. Wir leben in unruhigen Zeiten und aus meiner Sicht sind Denkmäler und die damit verbundene Erinnerungskultur, gerade heute, sehr wichtig.

Volkstrauertag am Denkmal Hundsberg

Am diesjährigen Volkstrauertag, 18.November werden wieder vielerorts Kränze niedergelegt. Auch in Dirmingen wird dies, am neuen Mahnmal, auf dem Friedhof um 13:30 Uhr Ortszeit geschehen. Seit dem Bau des neuen Denkmals auf dem Friedhof im Jahre 2016 pflegt der Ortsrat wieder die Tradition der Kranzniederlegung zum Volkstrauertag. Die Bevölkerung nimmt daran mal mehr oder weniger teil. Auch hier stellt sich wieder die Frage, brauchen wir noch diese Zeremonie der Kranzniederlegung oder ist dies alles längst überholt? Ich sehe es ja an meinen Kindern, die Bindung zu den beiden Weltkriegen ist nicht vorhanden und auch die Tatsache, dass ihr Ur-Ur- Großvater und der Ur-Großvater den beiden Kriegen zum Opfer fielen, ändert nichts daran. Man kann und darf das der heutigen Generation nicht vorwerfen. Unsere Kinder wurden in Friedenszeiten geboren und haben Gott sei Dank keine Kriegswirrungen erfahren. Ich hoffe das bleibt auch in Zukunft genauso!

Altes Denkmal aus dem Jahre 1928

Sei’s drum, ich bleibe bei meiner Haltung. Gerade heute sind Gedenkstätten wichtig und ermahnen uns vorsichtiger mit dem vorhandenen Frieden umzugehen. Bereits am 28.August 1928 wurde ein Denkmal auf dem Hundsberg eingeweiht. Dieses Denkmal stand auch während des zweiten Weltkrieges und verfiel im Laufe der Jahre in einen erbärmlichen Zustand. Als dieses erste Mahnmal zu Beginn der 1950-ger Jahre baufällig wurde, musste es von der Verwaltung abgebrochen werden. Mit großem ehrenamtlichem Einsatz wurde ein neues Denkmal an gleichem Ort in Auftrag gegeben und erbaut. Am 06.November 1955 fand die Einweihung des „neuen“ heute noch vorhandenen Denkmals auf dem Hundsberg statt. Im Frühjahr des Jahres 1965 wurden angefertigte Namenstafeln an einer Mauer hinter dem Denkmal angebracht. Mittlerweile befindet sich die Anlage auf dem Friedhof in einem erbärmlichen Zustand. Im Frühjahr des Jahres 2014 wurde das Denkmal geschändet und die Namenstafeln abgebrochen und gestohlen. Fast 60 Jahre diente das alte Bauwerk im Naherholungsgebiet Steinrutsch der Erinnerung an die Opfer der beiden Weltkriege. Mit der Schändung des Denkmals und dem Bau einer neuen Mahnstätte, auf dem Friedhof, endete praktisch diese Ära. Aus meiner Sicht müssen wir uns nochmal deutlich die Frage stellen, wie wir mit der alten Gedenkstätte auf dem Hundsberg zukünftig umgehen. In dieser Angelegenheit brauchen wir dringend eine Lösung.

Einschusslöcher im Mauerwerk

Es gibt jedoch noch weitere Möglichkeiten die Erinnerungen an die Opfer von Krieg, Gewalt, Terror und Verfolgung zu bewahren. Somit kommen wir zurück zu meiner Heimatforschung. In unserem Dorf gibt es neben den vorhandenen Denk- und Mahnstätten einige stille Zeitzeugen die heute kaum noch jemand als solche wahrnimmt. Dies sehen wir an der gefundenen Ehrentafel oder sogar, für jeden ersichtlich, in unserem Dorf. Die Mauer an der Straßenkreuzung Tholey auf die Landstrasse Eppelborn – Dirmingen B 10 – L 112 ist ein sogenannter stiller Zeitzeuge aus dem 2.Weltkrieg. Die alte Mauer weißt noch heute deutliche Einschusslöcher von Maschinengewehren auf. Als die Amerikaner am 18.März 1945 in unseren Heimatort kamen entstanden diese Einschusslöcher in der Mauer. Immer wenn ich an dieser Mauer vorbeigehe, muss ich daran denken, was sich auch in unserem Dorf während den beiden Weltkriegen abspielte.

Heutiges Denkmal

Jeder von uns hat im Laufe der beiden Weltkriege Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte verloren. Die heutige Zeit ist unruhig und obwohl es seit über 80 Jahren Frieden in Europa gibt sollten wir alle die Zeichen der Zeit erkennen. Wir müssen uns zukünftig auch darüber Gedanken machen, wie wir mit der neuen Form von Krieg und Terror umgehen. Immerhin kamen seit 1992 bei Auslandseinsätzen unserer Bundeswehr insgesamt 108 Soldaten ums Leben. Das Gedenken an diese Opfer wird aus meiner Sicht zu wenig gepflegt. Vielleicht müssen wir uns mehr verdeutlichen, dass wir es heute mit einer anderen Form von Krieg und Gewalt zu tun haben. Ich bleibe dabei, eine gepflegte Erinnerungskultur und eine Gedenkstätte für die Opfer der Weltkriege sowie die Opfer von Terror, Gewalt und Verfolgung sind wichtig. Wir leben in unruhigen Zeiten und es wird auch zukünftig Opfer geben.

„Es blieb nur das Kreuz als einzige Spur, von deinem Leben, doch hör meinen Schwur, für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein. Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein, dann kann es geschehn, daß bald niemand mehr lebt, niemand, der die Milliarden von Toten begräbt. Doch längst finden sich mehr und mehr Menschen bereit, diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit.“

„Es ist an der Zeit“ – Hannes Wader

Unser Heimatort Dirmingen musste während den beiden Weltkriegen fast 300 Menschleben beklagen. Darunter waren Soldaten, Familienväter, junge Männer und zahlreiche Opfer aus der Zivilbevölkerung. Sogar Frauen und Kinder mussten während den verheerenden Bombenangriffen auf Dirmingen ihr Leben lassen. Ja, Erinnerungskultur ist gut – Ermahnen ist wichtig!

„Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen, so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben – deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.“

„Es ist an der Zeit“ – Hannes Wader

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