Unsere „Kerb“ feiert in der Tradition des „Lisje’s“ ihr 20. Jubiläum
Jedes Jahr im Oktober wird die „Derminga Kerb“ gefeiert. Wir Einheimischen feiern dieses traditionsreiche Kirchweihfest seit nunmehr 273 Jahren. In den Niederschriften der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen finden wir schon sehr früh Hinweise darauf, wie intensiv die Dirminger ihre Kirmes feierten. Anlässlich einer Kirchenvisitation im 18.Jahrhundert wurde das Presbyterium gefragt, ob es denn Säufer in der Gemeinde gäbe. Die Antwort des Pfarrers lautete:
„Nicht, dass ich wüsste. Dafür hat in diesen elenden Zeiten der Herrgott uns Zaum und Gebiss ins Maul gelegt. Nur an der Kerb saufen Sie sich alle voll.“
Historisches Kirchenbuch der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen
Die „Derminga Kerb“ geht mit Sicherheit auf die am 27. Sonntag nach Trinitatis, dem 6. November 1746, erfolgte Einweihung der evangelischen Kirche zu Dirmingen zurück. Mit den Jahrzehnten versuchten die Menschen im ländlichen Raum, ihre Kirmes aufzuwerten. Die Einführung des Kirmesburschen, „Kerwebub“ oder später „Straußebub“ machte schnell die Runde. Der Einfallsreichtum der Menschen kannte keine Grenzen. Mit den Jahren löste sich die „Kerb“ immer mehr vom eigentlichen Kirchweihfest und seinen christlichen Wurzeln.
Aus der Tradition der „Straußebuwe“ entstand möglicherweise auch eine gewisse Personifizierung der Kirmes. Eine Form die Kirmes zu feiern lag darin einem auserwählten Jungen oder Mädchen einen Namen zu geben. Je nach Region oder Herkunft des Jungen oder Mädchens gab es verschiedene Rufnamen wie z. B: „Kerbeliesel“, Kerblies oder Kirmeshannes. Der Rufname war natürlich stark von der vor Ort herrschenden Mundart geprägt. Nach dem zweiten Weltkrieg waren in Dirmingen wie vielerorts auch die „Straußebuwe“ unterwegs. Nachdem die Dirminger Kirmes, wie in vielen anderen Dörfern, in den neunziger Jahren immer weiter in einen Dornröschenschlaf verfiel, hatte sich der damalige Ortsvorsteher Rudolf Hell unter anderem die Attraktivierung der Kirmes zum Ziel gesetzt. Alte Traditionen sollten nach seiner Ansicht wieder zum Leben erweckt werden. Im Jahre 1998 fand erstmals eine offizielle Eröffnung der Kirmes mit Begrüßung durch den Ortsvorsteher und anschließendem Fassanstich an einem Getränkestand statt. Mit den Fahrgeschäften wurde damals vereinbart, dass den Kindern zur Eröffnung eine halbe Stunde Freifahrten gewährt wird. Diese Auftaktveranstaltung im Jahre 1998 ermutigte die Verantwortlichen dazu, im kommenden Jahr einen Schritt weiter zu gehen. Rudi Hell schmiedete weitere Pläne und suchte sich Unterstützung in Form zahlreicher Helferinnen und Helfer. Im Jahre 1999 wurde erstmals die Kirmes unter Mithilfe einer“ Kernmannschaft“, des späteren Kulturvereins, im „Kläse“- Keller ausgegraben. Zum Leben erweckt wurde eine Strohpuppe, die mit einer Flasche Schnaps aus dem alten „Kläse“-Keller herausgetragen wurde. Anschließend führte erstmals ein Festzug mit musikalischer Umrahmung durch den Fanfarenzug der FFW Eppelborn zum Kirmesplatz. Mit dieser ersten Ausgrabung der „Kerb“ hatte der Ortsvorsteher Rudi Hell zusammen mit seinen Mitstreitern den Bann gebrochen. Nur kurze Zeit später erfolgte die Gründung des Kulturvereins Dirmingen. Mit dieser Neugründung genoss die „Kerb“ jährlich eine weitere Aufwertung. Seit seiner Gründung ist der Dirminger Kulturverein für den Kirmesbrauch zuständig.
Die Kirmes ist vielerorts vom Aussterben bedroht. Im Saarland gibt es zahlreiche Dörfer, in denen die Kirmes überhaupt nicht mehr gefeiert wird. Schausteller nehmen kaum noch die Angebote kleiner Dörfer an und fahren viel lieber auf die großen Märkte und Volksfeste. Ein wenig sind wir auch selbst daran schuld. Wir geben unser Geld viel lieber in den großen Freizeitparks der Republik aus, anstatt Chips für den Autoscooter auf unserer „Kerb“ zu kaufen. Klar, die Zeiten sind hart und jeder muss zusehen wie er sein Geld zusammenhält. Wenn wir jedoch keinen Wert mehr auf die Belebung der eigenen Kirmes legen wird sich bald das letzte Karussell aus dem Dorf verabschieden. In Dirmingen sind wir davon noch etwas weiter entfernt. Hier am Zusammenfluss von Ill- und Alsbach wird noch „Kerb“ gefeiert. Wo wären wir jedoch ohne das Engagement des Kulturvereins? Ich glaube das gerade die Tradition dafür verantwortlich ist, dass wir Dirminger noch „Kerb“ feiern dürfen. Man stelle sich unsere „Kerb“ ohne Ausgrabung, „Kerwe-Marsch“ und vor allem ohne Lisje und Hannes vor !?! Nicht auszudenken, oder?
Die Kerb ist ein Fest der Traditionen und Brauchtümer. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die vorhandenen Brauchtümer verfeinert und mit anderen vermischt. In Dirmingen entstand z.B das „Kerwepaar“ oder der „Kerweumzug“ oder die sogenannte Kirchweihpredigt („Kerwerede“), in der die Ereignisse aus dem vergangenen Jahr humoristisch ausgewertet wurden. Eine weitere Aufwertung erlebte die „Kerb“ mit der Einführung des „Kerwe-Frühstücks“. Auch die Kulturaner fanden Möglichkeiten der „Kerb“ ein neues Ansehen zu verleihen. Das Musketier-Kostüm symbolisiert in den Blau-Weißen Farben des Dirminger Wappens die Loyalität und Heimatliebe der Kulturaner zu ihrem Heimatort. Als in den 1990-er Jahren das Interesse der Menschen an der eigenen Kirmes weniger wurde handelten engagierte Dirminger und retteten die „Kerb“ vor dem Aussterben. Schon damals beklagten die Schausteller den Rückgang der Einnahmen. Die ersten Gedankenspiele der Verantwortlichen gingen dahin, den Menschen im Dorf ihre eigene Kirmes wieder nahe zu legen. Der Initiative des damaligen Ortsvorstehers und des späteren Kulturvereins ist es letztlich zu verdanken, dass wir in Dirmingen noch Kerb feiern können.
Seit 20. Jahren wird nun also die Kerb in der Tradition des „Kerwe-Lisjes“ gefeiert. Jedes Jahr lockt dieses Volksfest tausende Besucher an. Dennoch müssen wir uns Jahr für Jahr aufs neue beweisen. Die „Derminga Kerb“ ist schon etwas Besonderes. Schon alleine die Tatsache, dass wir das Kirchweihfest einer evangelischen Kirche feiern ist schon sehr selten. Jedes Jahr pilgern zahlreiche Schaulustige zum „Kläse“Keller, um dort der Ausgrabung des „Kerwe-Lisje“ und des „Kerwe-Hennes“ beizuwohnen. Im Jahr 2000 gab es in Dirmingen erstmals ein „lebendiges“ „Kerwelisje“. In den ersten Jahren war das „Kerwe-Lisje“ noch auf sich allein gestellt. Erst im Jahre 2003 nahm erstmals ein „Kerwe-Hannes“ Platz an der Seite des „Lisjes“. Der Kulturverein versuchte mit allen Mitteln, der Kirmes einen neuen Glanz zu verleihen. Auch an den Nachwuchs wurde damals gedacht. Im Jahre 2002 gab es neben dem eigentlichen „Kerwepaar“ erstmals ein Nachwuchs-paar, das sich am Kirmestreiben beteiligte. Mit diesem Schritt wollte man den Jugendlichen das eigene Brauchtum näherbringen. Dieser Plan hat sich bis heute gehalten !
Im Kulturverein Dirmingen bin ich als Kulturbeauftragter mit Verantwortlich für die Aufwertung und den Erhalt der „Kerwe-Tradition“. Jedes Jahr begebe ich mich auf die Suche nach einem neuen „Kerwepaar“. Ich bilde mir ein, dass ich in den letzten Jahren immer die richtige Wahl getroffen habe. Auch in diesem Jahr habe ich ein gutes Gefühl. Das „Kerwepaar“ 2019 heißt:….na, er wird doch nicht! Natürlich bleibt das mein Geheimnis, sonst geht der Zauber verloren. Eines darf ich jedoch verraten: Wir haben wieder ein hübsches Pärchen!
Hier eine chronologische Auflistung der „Kerwe-Paare“:
1999: Strohpuppe mit Schnapsflasche (aus der vorherigen Kirmestradition)
2000: „Kerwe-Lisje“: Dirk Schmeer
2001: „Kerwe-Lisje“: Hans-Jürgen Hoffmann und Herbert Lambert
2002: „Kerwe-Lisje“: Hans-Jürgen Hoffmann und Herbert Lambert und ein Nachwuchspaar: Lena Hoffmann und Mike Neu
2003: „Kerwe-Lisje“: Monika Bohr, „Kerwe-Hannes“: Stefan Schaefer und Nachwuchspaar: Lena Hoffmann und Simon Regitz
2004: „Kerwe-Lisje“: Monika Bohr „Kerwe-Hannes“: Stefan Schaefer
2005: „Kerwe-Lisje“: Lena Hoffmann, „Kerwe-Hannes“: Stefan Schaefer
2006: „Kerwe-Lisje“: Kathrin Hoffmann, „Kerwe-Hannes“: Stefan Schaefer
2007: „Kerwe-Lisje“-„Kerwe-Hannes“: Stefan Schaefer
2008: „Kerwe-Lisje“: Line Peschau und Sarah Johäntgen
2009: „Kerwe-Lisje“: Line Peschau, „Kerwe-Hannes“: Patrick Freudenberg
2010: „Kerwe-Lisje“: Inga Neufang, „Kerwe-Hannes“: Bjorn Krabbe
2011: „Kerwe-Lisje“: Nathalie Colp, „Kerwe-Hannes“: Tobias Schlicher
2012: „Kerwe-Lisje“: Celine Steuler, „Kerwe-Hannes“: Kevin Hinsberger
2013: „Kerwe-Lisje“: Annika Klein, „Kerwe-Hannes“: Fabian Schlicher
2014: „Kerwe-Lisje“: Selina Diehl, „Kerwe-Hannes“: Marco Mayer
2015: „Kerwe-Lisje“: Karoline Junski, „Kerwe-Hannes“: Patrick Junski
2016: „Kerwe-Lisje“: Vanessa Klein, „Kerwe-Hannes“: Cedric Meiser
2017: „Kerwe-Lisje“: Cathérine Rödiger, „Kerwe-Hannes“: Benjamin Rödiger
2018: „Kerwe-Lisje“: Jana Klein, „ Kerwe-Hannes“: Philipp Feld
2019: ?