Als der Pfarrer zur Pistole griff….

Heimatforschung kann zuweilen echt witzig und charmant sein. Am schönsten ist es, wenn die Älteren unter uns ihre Geschichten erzählen. Nicht selten verändern sich diese Geschichten bei mehrmaligem zuhören. Dabei bleibt der eigentliche Inhalt der Geschichte stets der Gleiche, nur der Geschichtsweg nimmt manchmal ungeahnte Windungen an.

Ich liebe es den älteren Mitbewohnern zuzuhören und lausche andächtig ihren Erzählungen. Ganz oft werde ich beim Zuhören hellhörig und frage mich, wie viel im Laufe der Jahre dazu gemacht oder was alles an Wahrheit fallen gelassen wurde. Sei’s drum, so ist das nun mal im Dorf und der Volksmund hat gerade auf dem Land großes Gewicht. Es sind die kleine Geschichte die uns aufzeigen, wie die Zeiten früher tatsächlich waren. Einige dieser Geschichte würde ich niemals hier aufschreiben. Vieles gehört einfach nicht in die Öffentlichkeit und sollte verschwiegen werden.

Witzig finde ich z.B die Geschichte in der unser ortsansässiger SV Dirmingen, zu Zeiten des Sportplatzes im „Brühl“, drei Sitzungen darüber debattierte ob man vor oder hinter der Illbrücke den Eintritt kassieren sollte. Unerreicht sind zudem Geschichten um unser Dorf-Original „Wutze Walter“. Liebevoll detaillierte Erzählungen aus dem „Derminga Dörfche“. Man könnte ein Buch schreiben.

Im Grunde sind es Geschichten, die das Leben schreibt. Manchmal traurig und manchmal lustig. Unsere Kirchenbücher haben uns einen echten Schatz hinterlassen. Gerade aus dem 18. Jahrhundert gibt es eine Vielzahl von wunderbaren Erzählungen.

Lange Zeit war unser Heimatort Evangelisch. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts lebten kaum Katholiken in unserem Dorf. Viele Jahrzehnte trug der Pfarrer unseres Dorfes als Schulleiter die Verantwortung über das Schulwesen. Dabei hatte es die holde Dirminger Geistlichkeit oftmals mit eigensinnigen Bauern zu tun. Unser Heimatort galt viele Jahrzehnte als wohlhabendes Bauerndorf. Die Bauern wussten um  ihre Macht und versuchten durch Spenden und Schenkungen die Kirchenväter zu beschwichtigen oder sogar zu kaufen. Ein Pfarrer hatte es damals nicht besonders leicht. Gerade zur Erntezeit waren die Bauern sehr eigensinnig und mit ihren Mitteln alles andere als zimperlich.   

Im Jahre 1744 klagten kirchliche Visitatoren darüber, dass die sogenannte Sommerschule von vielen Dorfkindern einfach nicht besucht würde. Die Bauern brauchten ihre Kinder auf dem Feld und weigerten sich ihren Nachwuchs in den Unterricht zu schicken. Die Androhung von Amtsgewalt nutzte überhaupt nichts und bewirkte bestenfalls das Gegenteil. Im Jahre 1760 drohte Fürst Wilhelm Heinrich den Bauern mit einer Strafe eines Reichstalers pro Kind. Selbst das konnte die selbstherrlichen und eigenwilligen Eltern nicht schocken. Erst die Androhung einer Exekution konnte die einheimischen Sturköpfe zur Besinnung bringen.

Insgesamt gab es zwischen der Bevölkerung und dem späteren Landkreis Ottweiler zwei Rechtsstreitigkeiten. In einem Fall sahen die Bauern das Lehrergehalt als übertrieben an und im anderen riefen sie kurzerhand zum Schulstreik auf. In jedem Fall kann man gut und gerne behaupten, dass das Dirminger Völkchen so seine Probleme mit den Schulen und den dazugehörigen Lehrern hatte. Wenn sie jedoch ihren Lehrer ins Herz geschlossen hatten, gingen sie für diesen auch durch die sprichwörtliche Hölle.

Am Himmelfahrtstag 1855 zogen die Bürgerinnen und Bürger unseres Heimatortes tobend zum altehrwürdigen evangelischen Pfarrhaus. Lautstark forderten sie den damaligen Pfarrer Bingel, in seiner Eigenschaft als Ortsschulinspektor auf, dass der Lehrer Schäfer in Dirmingen bleiben und nicht von seinem Posten entfernt werden sollte. Schließlich kam es zu tumultartigen Szenen, in denen Pfarrer Bingel echte Sorge um sein Leben haben musste. Pfarrer Bingel verbarrikadierte sich in seinem Pfarrhaus und sah sich zur Selbstverteidigung gezwungen. Mit einer Pistole bewaffnet bibberte der Geistliche am Fenster und wartete bis sich die Meute beruhigt hatte. Ob der Pfarrer am Ende tatsächlich auf seine Schäfchen geschossen hätte, bleibt ungeklärt.

Fakt ist, die Gemeinde bleib daraufhin eine Zeitlang vom Gottesdienst fern. Eine Geschichte aus dem „Derminga Dörfche“…..     

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