Der Hexenprozess von Dirmingen – Unser Heimatort zur Zeit der Hexenverfolgung

Die Hexenverfolgung gehört zu den dunkelsten Kapiteln unseres Landes. Unsere beiden Kirchen haben zu dieser Zeit viel Schuld auf sich geladen. Zwischen dem späten 15. und dem 18. Jahrhundert wurden in ganz Europa rund 60.000 Menschen als Hexen gedemütigt, gefoltert und hingerichtet. Meistens handelte es sich um Frauen, die sich mit Kräutern auskannten und Medikamente herstellten. Was gut gemeint war, konnte im schlechtesten Fall tödlich enden. Sobald eine Frau als Hexen bezeichnet wurde, musste Sie das Gegenteil beweisen.

Das Mittelalter war geprägt von schweren Zeiten. Zwischen dem 13. und 19. Jahrhundert herrschte in Deutschland die sogenannte „Kleine Eiszeit“. Besonders die Zeitepochen von 1570 bis 1630 und von 1675 bis 1715 waren besonders kalte Zeitabschnitte. Durch diese klimatischen Veränderungen entstanden vermehrt Missernten und Hungersnöte sowie böse Epidemien wie zum Beispiel die Pest. Für die Missernten und die damit verbundenen sinkenden Erträgen wurde die schwarze Magie verantwortlich gemacht. Es entstand die Mär von Gewitterhexen oder Kräuterhexen. In dieser kalten und unangenehmen Zeit entstand der Hexenwahn. Während die Inquisition in erster Linie „Ketzer“, also Menschen, die mit dem Teufel im Bunde waren, verfolgten und töteten, genügte es in manchen Grafschaften schon allein einen Verdacht zu äußern. In der Regel waren Ankläger und Richter gewöhnliche Menschen eines Dorfes, die am Ende ihre eigenen Nachbarn, Freunde oder sogar Verwandte auf den Scheiterhaufen brachten. In Zeiten der Hexenverfolgung fanden tausende unschuldige Menschen den Tod.

Wenn eine Frau Sommersprossen hatte, konnte ihr dies schon zum Verhängnis werden. Wenn Sie dann auch noch lesen konnte, musste Sie mit dem schlimmsten rechnen. In der Hochzeit des Hexenwahns wurden sogar Kinder als „Hexe“ bezeichnet und verfolgt. Kleine Mädchen mit roten Haaren und Sommersprossen waren des Teufels. Wenn man sich in seinem Dorf mit dem Nachbarn anlegte, konnte dies böse Folgen haben. Eine Frau aus Dirmingen konnte am Ende gerade noch dem Scheiterhaufen entkommen. Was sie in diese missliche Lage gebracht hatte ? Sie hatte zu viel Butter gemacht! Gerade in Dörfern wurde immer wieder ein Sündenbock für Krankheiten, Hungersnot oder Katastrophen gesucht. Am einfachsten war es den Hexen oder Hexern die Verantwortung in die Schuhe zu schieben.

Im 15. Jahrhundert mischte sich erstmals die Kirche in die Hexenverfolgung ein. Dies war der Beginn eines der traurigsten und schwärzesten Kapitel unseres Kontingentes. Überall in Europa brannten die Scheiterhaufen. Die Inquisition beherrschte das Land. Menschen wurden in Scheinprozessen verurteilt und hingerichtet. Dabei genügten einfache Anschuldigungen ohne Indizien. Auch im Saarland wurden zahlreiche Menschen getötet.

Das Nalbacher Tal gehörte diesbezüglich zu den bekanntesten Schauplätzen unseres Heimatlandes. Zahlreiche Frauen wurden dort auf dem Nalbacher „Gälgesberg“ entweder erhängt oder verbrannt. Von 1575 bis 1595 verloren hunderte Frauen, im unteren Primstal, aus den Ortschaften Nalbach, Piesbach, Körprich und Bilsdorf ihr Leben. Bekannt sind auch Anschuldigungen und Verurteilungen aus Lebach oder Tholey. Allein der Bericht über die Folter lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Die Angeklagten mussten höllische Schmerzen über sich ergehen lassen. Ganz oft wurde unter der Folter Geständnis erzwungen. Nalbach war zu dieser Zeit der Hotspot der Hexenverfolgung.

Der Hexenprozess von Dirmingen hingegen ist der einzige historisch belegte Fall in unserem Heimatort. Berichtet wird von einem Prozess, der am 24. Mai 1719 in Ottweiler stattfand. Dirmingen gehörte schon vor der französischen Revolution zur nassauischen Herrschaft Ottweiler. Somit mussten alle entsprechenden Gerichtsverhandlungen dort ausgetragen werden. Bastian Weber, der Förster von Dirmingen, klagte gegen die Frau des Wendel Schwan, weil diese seine Ehefrau“ eine „reformierte Hex gescholten“ hatte. Die Angeklagte bekräftigte vor Gericht ihre Anschuldigung mit folgender Bemerkung: „…wenn sie keine reformierte Hex wäre, könne sie nicht so viel Butter machen“. Der Förster sprach die Bitte aus, das Gericht möge die Verleumderin zum Beweis anhalten. Andernfalls möge das Gericht die Angeklagte „gebührend abstrafen“.

Das interessante an diesem Prozess ist die Tatsache, dass offensichtlich die verschiedenen Konfessionen der beiden Kontrahentinnen eine gewichte Rolle spielten. In der Regel waren es wirtschaftliche oder politische Themen, die zu einer Fülle von Prozessen gegen Frauen führten. Papst Innozenz VIII legalisierte im Jahre 1484 durch die Hexenbulle die Jagd auf Hexen. Im Jahre 1487 brachten Jakob Sprenger und Heinrich Intitoris den Hexenhammer heraus. Dieses Buch diente lange Zeit als Leitfaden im Kampf gegen Hexen. Die „Peinliche Gerichts Ordnung“ Kaiser Karl V. aus dem Jahre 1532 sah für das Delikt des Schadzaubers die Todesstrafe durch Verbrennen vor.

Historische Quellen aus dem damaligen Saargebiet verweisen darauf, dass die verurteilten Hexen selten lebend verbrannt wurden. In der Regel wurden die Opfer vor der Verbrennung von dem Scharfrichter erdrosselt oder erstochen. Mancherorts fand die Verbrennung in Strohhütten statt. Somit sollte verhindert werden, dass die Bevölkerung, die während der Hinrichtung zugegen war, nicht vom bösen Blick der Hexe getroffen wurde. Im berüchtigten Hexenhammer oder in dem Buch „Des Klugen Beamten auserlesener Criminal-Prozeß“ von 1766 findet man eine detaillierte Beschreibung für Folteranwendungen an Angeklagten und Verbrennungen von Hexen.

Der Hexenwahn breitete sich auch im Illtaler- und Schaumbergerland aus. Allein für das Jahr 1618 sind 13 Hexenprozesse überliefert: 12 endeten mit dem Todesurteil, einer mit einem Selbstmord (Quelle Archiv Gemeinde Tholey). Überliefert ist ein Hexenprozess bei dem drei Frauen der ,,Zauberey“ angeklagt und am 26.September 1618 auf dem Richtplatz unterhalb der Schaumburg als Hexen verbrannt wurden. Während in unserer Heimat die Opfer vor ihrer Verbrennung im Verlies oder auf dem Scheiterhaufen getötet wurden, wissen wir aus anderen Regionen, dass die Verbrennung bei lebendigem Leibe bevorzugt angewendet wurden.  Auf der Schaumburg in Tholey urteilte bei besonders schweren Vergehen das herzogliche Hochgericht. Die damalige Hinrichtungsstätte befand sich unterhalb der Burg, in der Nähe der heutigen Kriegsgräberstätte. Dort wurden die verurteilten Delinquenten hingerichtet.

Im Jahre 1634 existierten in Dirmingen eine Kirche, ein Pfarrhaus und insgesamt 54 Häuser. Allein sechs Anwesen wurden als „baufällige Häuser wegen Armuth“ beschrieben. Als im Jahre 1719 der genannte Prozess stattfand, waren Beschuldigungen durch Dorfbewohner für die Angeklagten eine größere Gefahr als für die vermeidliche Verleumderin. Wenn die Beschuldigte die Verleumdung auf sich beruhen ließ, konnte aus dieser vermeintlichen Rufmordkampagne schnell ein gefährlicher Hexenprozess werden. Wenn eine Frau beschuldigt wurde, war die Gefahr für einen Hexenprozess immer sehr hoch. Obwohl auch Männer als Hexer hingerichtet wurden, waren Frauen weitaus mehr gefährdet.  Im Gebiet des heutigen Saarlandes wurden dreimal mehr Hexenprozesse gegen Frauen als gegen Männer geführt. Das Verlesen des Strafprotokolls vom 24. Mai 1719 beweist die nachgeordnete Stellung der Frau in der damaligen Zeit. Die beiden Frauen werden jeweils als Frau des betreffenden Haushaltsvorstandes bezeichnet. Die Namen der Frauen werden im Verlaufe der Gerichtsverhandlung nicht genannt. Der Mann wird angesprochen und muss seiner Frau das Wort erteilen. Der Förster Bastian Weber konnte seine Gattin am besten aus dieser Gefahr befreien, in dem er eine Verleumdungsklage gegen die Frau des Wendel Schwan anstrengte.

In dem Prozess schenkten sich beiden Seiten nichts. Als die Beschuldigte als „calvinische Buttermacherin“ beschimpft wurde, drohte sie ihrer Widersacherin mit einer Maulschelle. Der Zeuge Valentin Schneider gab an, dass die als Hexe beschuldigte Frau sagte:“ was gehet dich meine Butter an, du hast ja vor zwey Jahren auch viel Butter gemacht, des ich dir nicht vorgeworfen, fres die Milch nicht, so kriegst du auch Butter“.

Auch das Gericht erkannte recht bald, dass sich hinter den beiden Verunglimpfungen „reformierte Hex“ und „calvinische Buttermacherin“ offenbar Neid verbarg. Außerdem wurde in dem Prozess deutlich, dass die Klägerin große Probleme mit dem Protestantismus hatte. Im Jahre 1575 wurde in der Grafschaft Nassau Saarbrücken die Reformation eingeführt. Nach dem Augsburger Religionsfrieden wurde den Protestanten die Dirminger Kirche in der Ortsmitte zugesprochen. Bis nach dem 30-jährigen Krieg wurden keine Katholiken in Dirmingen geduldet. Im frühen 18.Jahrhundert wanderten die ersten Katholiken wieder nach Dirmingen. Obwohl beiden Konfessionen die Religionsausübung freigestellt wurde, gab es gerade in den Dörfern immer wieder Spannungen.

Der Hexenprozess von Dirmingen endete gottlob glimpflich. Das Gericht beschloss folgenden „Bescheydt“ oder Urteil:“ Beide Partheien sollen einander depreciren (Abbitte leisten) und sie (die Angeklagte- Verleumderin) den Anfang machen. Widrigenfalls ihnen ein Geld oder thurmstraf angesetzt werden solle.“ Unter das Urteil setzte das Gericht folgenden Nachsatz:“ sie haben einand depreciert und seynd der Scheltwort ex officio (von Amts wegen) aufgehoben.“

In diesem Fall fand die Geschichte also ein gutes Ende. Leider war dieses „Happy-End“ eine Ausnahme. Meistens setzte sich der üble Nachruf und die unfaire Gerichtsausübung durch. Über 60 000 Menschen verloren während des Hexenwahns ihr Leben. Die letzte überlieferte Hinrichtung einer Hexe in Mitteleuropa fand 1793 in Südpreußen statt.  Die Verurteilung und Hinrichtung einer vermeintlichen Hexe gingen immer zu Lasten der Familie. Wenn ein Familienmitglied als Hexe hingerichtet wurde war der Ruf der Familie meisten ruiniert.

Gott sei Dank ist die Zeit der Hexenverfolgung Geschichte. Rufmord, üble Nachrede und Verleumdung gibt es immer noch. In der Regel enden diese jedoch nicht mehr tödlich sondern vor dem Schiedsmann oder dem Amtsgericht. Viele unschuldige Menschen verloren während der Hexenverfolgung des Mittelalters ihr Leben. Unsere beiden Kirchen haben sich zu dieser Zeit kaum mit Ruhm bekleckert. Gut, dass wir aus dieser Geschichte gelernt haben.

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