Wie in einem schlechten Krimi – Meine Gedanken zu den Ereignissen in Kusel
Jeden Sonntag liege ich auf meiner Couch und schaue mir den neusten Tatort an. Von befreundeten Polizisten werde ich dafür kopfschüttelt belächelt. Mit meiner Tüte Chips bewaffnet strecke ich entspannt die Füße in die Höhe und kann mir sicher sein, dass am Ende immer das Gute gewinnt. Besonders der letzte Saar-Tatort hat es mir angetan. Ich habe mich unheimlich über 9 Mio. Menschen gefreut die einen Blick auf die saarländische Polizeiarbeit werfen konnten. Die meisten TV- Kommissare sind mir mit ihren Stärken und Schwächen bestens bekannt. Ich kenne Ballauf, Schenk, Borowski, Faber, Bönisch, Dorn, Lessing, Börne, Thiel und natürlich auch Schürk und Hölzer aus Saarbrücken. Mehr als 90 % der Krimis enden mit einem Happy End. Natürlich habe ich mich schon oft gefragt, was echte Polizisten von den TV-Krimis halten. Die überwiegende Mehrheit der Beamten wird diesen Filmen wahrscheinlich nicht viel abgewinnen können. Ganz ähnlich wird es sich mit den vielen Arztfilmen verhalten. Ich glaube nicht, dass sich sehr viele echte Ärzte diese Filme anschauen. Nur wer die wirkliche Wahrheit kennt, kann einschätzen wieviel Wahrheit im Film steckt.
Seit Montag, 31. Januar ist mir die Lust auf Tatort vergangen. Mit Schrecken habe ich früh morgens, auf meinem Weg zur Arbeit, von dem fürchterlichen Mord an zwei Polizisten erfahren. Wie mag dieser Tatort wohl ausgesehen haben? Ehrlich gesagt: Ich möchte es überhaupt nicht wissen. Zwei junge Menschen wurden einfach so aus dem Leben gerissen. Die 24-jährige Polizeianwärterin war gerade einmal ein Jahr älter als meine jüngste Tochter und ihr 29-jähriger Kollege im gleichen Jahrgang wie mein baldiger Schwiegersohn.
Na Frank, wo ist nun dein Spaß an Spannung, Gewalt und Abgrund? Oder, gehe ich gerade zu hart mit mir selbst in Gericht? Was mit einer normalen Polizeikontrolle begann, endete in einer echten Tragödie. Dabei ist diesmal alles echt und nichts gespielt. Das ganze Land steht unter Schock.
Nach meiner Zeit im Bergbau kann ich mir sehr wohl vorstellen, was es bedeutet einen toten Kameraden zu bergen. Diese Bilder bekommt man nie mehr aus dem Kopf. Ich muss gestehen, dass mich dieser schreckliche Mord sehr berührt hat. Ich kann nicht begreifen, wie man eine solche Tat verüben kann. Im Moment weiß ich nicht so richtig, wie ich damit umgehen soll. Ich bin wütend, enttäuscht und traurig. Dabei waren mir die beiden Polizisten nicht persönlich bekannt. Ich kannte bestenfalls ihr Umfeld und einige ihrer entfernte Freunde. Die sozialen Medien geben Täter und Opfern ein Gesicht. Ich ertappe ich mich dabei, wie ich das Netz nach Infos und Bildern durchstöbere. Wo ist mein Anstand geblieben? Ich werde fündig und sehe zwei junge, gutaussehende Menschen. Beide standen mitten im Leben und hatten bestimmt noch vieles auf ihrer persönlichen Agenda: Karriere, Familie, Urlaub. Der persönliche Lebensfilm war längst noch nicht fertiggeschrieben. Vieles war noch auf dem Weg und bleibt jetzt unausgesprochen. Es tut mir leid !
Ich finde auch die Polizeifahndung mit dem Bild eines vermeidlichen Täters. Wenn man so früh Ross und Reiter nennt, muss man sich seiner Sache sicher sein. Ich kenne einen der Verdächtigen! Er war mir bekannt. Allein diese Tatsache macht es mir nicht leicht. Wir kannten uns sehr flüchtig vom Sehen und bis auf den täglichen Morgengruß habe ich nie einen Satz mit ihm gewechselt. Obwohl er in meinem Leben keine Rolle spielte, lässt mich seine Tat nicht mehr los. Plötzlich ist alles nah und echt. Kein Bildschirm, keine Tüte Chips und auch kein Happy- End. Das wahre Leben kann grausam sein.
Noch am selben Abend wurden die beiden Hauptverdächtigen festgenommen. Nach den ersten Pressekonferenzen wurde deutlich, wie brutal und sinnlos die Tat tatsächlich ablief. Für mich rücken die Details der Tat in den Hintergrund. Plötzlich habe ich kein Interesse mehr an detaillierten Kleinigkeiten. Ich möchte nicht wissen, was sich genau am Tatort abgespielt hat. Offensichtlich wurde jedoch gute Polizeiarbeit geleistet. Zumindest wurden schnell zwei potenzielle Verdächtige festgenommen und sitzen nun in Untersuchungshaft. Ich frage mich, wie es den Familien der Opfer aber auch der Täter geht. Wie lebt man mit einem solchen Verbrechen ?
Natürlich bleibt jedem Verdächtigen bis zu seiner Verurteilung die Unschuldsvermutung. Ich werde jedoch das Gefühl nicht los, dass wir uns alle unserer Sache sicher sind. Immerhin hat einer der Täter zugegeben zumindest vor Ort gewesen zu sein. Kann es tatsächlich sein? Ist es möglich das jemand nur um seine Wilderei zu verschleiern einen Mord verübt? Wie tief ist dieser Abgrund? Diese unsägliche Tat hat mir wieder mal vor Augen geführt, dass unser Leben schnell und unerwartet enden kann. Das wahre Leben ist viel härter als jeder TV- Krimi!