80. Jahre nach Ausschwitz – WIR sollten vereinen, nicht spalten – Nie wieder, ist jetzt !

„Es fing nicht mit Gaskammern an. Es fing mit einer Politik an, die von WIR gegen DIE sprach. Es fing an mit Hetze und Intoleranz. Es fing an mit der Aberkennung von Grundrechten. Es fing an mit brennenden Häusern. Es fing an mit Menschen, die einfach wegschauten, …“
Als am 3. September 1939 Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg erklärt, müssen 300 000 Saarländer ihre Heimat verlassen. Dirmingen, dass inmitten des Saargebietes lag musste nicht evakuiert werden. Dennoch waren die Auswirkungen dieser Evakuierungsmaßnahme gerade in unserem Heimatort deutlich spürbar. Täglich nahmen neue Flüchtlinge den Weg durch unser Dorf. Die Menschen schliefen in Scheunen, Stallungen und sogar in der Evangelischen Kirche. Fast täglich flogen die Jabos über unseren Heimatort. Meistens dienten ihre Tiefflüge der Einschüchterung. Manchmal aber ließen Sie ihre tödliche Fracht fallen. Im Frühjahr 1944 flogen fast täglich starke, alliierte Bomberverbände über unsere Heimat. Die Menschen im Saargebiet waren Flüchtlinge, Vertriebene und Heimatlose. Angewiesen auf Hilfe, Unterstützung und Menschlichkeit. Waren unsere Vorfahren nicht alle schonmal Flüchtlinge ?


Was ist aus uns geworden? Haben wir alles vergessen und verdrängt? Harte und raue Zeiten: Dinge werden bewusst vermischt, verdreht und ins falsche Licht gerückt. Gutmenschen gegen selbsternannte Realisten. Die sozialen Medien sind voller Hass, Hetze und Blut! Sind wir wieder mal beim WIR gegen DIE? Verkehrte Welt! Bundestagswahlkampf 2025. Unsere Parteien haben ihre Grundwerte verloren. Sozialdemokraten verlieren an Basisnähe, Christdemokraten verweigern dem Nächsten Asyl, Grüne fordern Mehr Bomben und Gegenwehr, die AFD behauptet Hitler war ein Kommunist und Trump ein guter Mann, die BFW beruft sich nach einer Person und erfindet die Links-konservative Ecke und die FDP versucht verzweifelt von ihrem entwickelten D- Day- Plan abzurücken. Wir leben in Zeiten, in denen Mitglieder der AFD öffentlich bezweifeln, dass es in Deutschland tatsächlich einmal Konzentrationslager existierten.
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Soldaten befreit. Seitdem ist der 27. Januar – Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Alles lange her und weit weg ? Alles alte Geschichte und längst überholt ? Was haben wir damit zu tun ? In Dirmingen befindet sich ein Stolperstein zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.Rudolf Wohlfart war kein Jude und hatte auch keinen Migrationshintergrund. Der Dirminger wurde Opfer des T4 Programms der Nationalsozialisten und wurde in Hadamar ermordet. Am Ende wurden fast 15.000 Menschen in der Zeit von 1941 bis 1945 in der damaligen Tötungsanstalt Hadamar getötet. Es war also auch hier, bei uns, im Dorf ! Haben wir es tatsächlich vergessen, was in diesem Land und auch in unserem Dorf geschah? Was sind das für Zeiten ? AFD-Fahnen und Reichsflaggen wehen aus den Fenstern und amerikanische Milliardäre suchen nach zweifelhaften Gesten noch nicht einmal mehr nach passenden Ausreden. Welche Weltmacht ist die Gute oder die Schlechte? US-Präsident Trump will den Panamakanal und Grönland, wenn es sein muss mit militärischer Gewalt einnehmen. Was unterscheidet die USA noch von China das Taiwan einverleiben oder Russland, das die Ukraine zurückholen möchte? Ein Straftäter wird zum mächtigsten Mann der Welt und die Politiker in Europa fragen sich wie man damit umgehen soll. Eine neue Rhetorik gerät in Umlauf: Worte und Begriffe wie „Kopftuchmädchen“, „Überfremdung“, „Remigration“ oder „Gewahrsamszentren“ erhalten eine ganz neue Bedeutung.


„Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“ (Max Mannheimer 1920-2016, Holocaust-Überlebender)
Der 27. Januar, der Tag der Befreiung des KZ Auschwitz, erinnert uns seit nunmehr 80 Jahren an unsere deutsche Geschichte. Auschwitz steht als Synonym für den Massenmord der Nazis an Juden, Sinti und Roma und anderen Verfolgten. Seit 1996 ist der 27. Januar der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Im Jahre. 2025 jährt sich die Befreiung des KZ Auschwitz zum 80. Mal. Genau 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz müssen wir uns tatsächlich wieder mit aufsteigendem Antisemitismus, Fremdenhass und Hass und Hetze beschäftigen. Genau 80 Jahre nach Ausschwitz müssen wir uns tatsächlich wieder damit beschäftigen, ob die vielzitierte Brandmauer nach Rechts auch weiterhin hält. Oder ist sie tatsächlich bereits gefallen ?
Meine Haltung diesbezüglich ist klar: Wir dürfen keinen Millimeter weichen! In meinem Leben ist kein Platz für Extremismus jeglicher Form. Nie wieder ! Meine Familie hat in den beiden Weltkriegen einen hohen Blutzoll bezahlt. Familienmitglieder fielen an der Front oder wurden Zuhause von Bomben getötet. Wir sind keinem Land irgendetwas schuldig !


Vor einigen Jahren begleitete ich unsere damalige Konfirmandengruppe auf einer Tagesreise zum KZ Natzweiler- Struthof. Bis zu diesem Tag am 07. April 2019 hatte ich noch kein Konzentrationslager der Nazis besucht. Als geschichtsinteressierter Mensch habe ich viel gelesen, gesehen oder gehört. Die Besichtigung eines Konzentrationslagers jedoch, hatte ich bis dato noch nicht absolviert. Das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof war vom 1. Mai 1941 bis zum 23. November 1944 ein sogenanntes Straf- und Arbeitslager der Nazis und lag nahe dem Ort Natzweiler im besetzten französischen Elsass, südwestlich von Straßburg, in den Vogesen. Nach einer etwa zweistündigen Fahrt erreichten wir das Konzentrationslager im französischen Natzweiler- Struthof, in ca. 800 Meter Höhe. Zunächst fuhren wir mit dem Bus an dem lager-nahen Steinbruch vorbei und sahen eine sogenannte geheime Hinrichtungsstätte. Vor dem Besuch des eigentlichen Lagers gingen wir zur luxuriösen Villa des Lagerkommandanten. Die Villa steht, gut erhalten, nur wenige Meter vom Lager entfernt und demonstrierte auf beeindruckende Art und Weise den Kontrast zwischen den Häftlingen im Konzentrationslager und den Aufsehern und Kommandanten. Während im Lager gelitten und gestorben wurde, fanden in der Villa Partys und Familienfeiern statt.

Als wir das Tor des Konzentrationslagers durchgingen, berichtete mir ein mitgereistes Elternteil über seine Erfahrungen mit diesem Lager. Der Mann erzählte mir, dass er schon das KZ Dachau und das KZ Ausschwitz besichtigte. Im Gegensatz zu Struthof waren Dachau und Ausschwitz reine Vernichtungslager. Mein Gesprächspartner vertrat dennoch die Meinung, dass Struthof aufgrund seiner überschaubaren Größe und der gut erhaltenen Hinterbliebenschäften etwas ganz Besonderes wäre. Die Intensivität, die das Lager ausstrahlt, ist beklemmend und zeitgleich ergreifend. Die Nazis hatten viel mehr Zeit sich darüber Gedanken zu machen wie sie am besten und effektivsten die Häftlinge quälten oder töteten. Flucht war praktisch unmöglich.


Beim Eintritt in das Lager bekommt man einen guten Überblick über die gesamte Anlage. Während unsere Konfis den Besuch der Hinrichtungsstätte und des Gefängnisses noch gut überstanden, verlangte das Krematorium und besonders der Operationssaal des Lagers den jungen Menschen schon einiges ab. Für mich persönlich war schon der Besuch des Gefängnisses eine emotionale Angelegenheit. Bis zu 20 Insassen hockten in einer kleinen Zelle. Kaum Platz zum Schlafen, geschweige denn, zum Bewegen. Über dem kompletten Gefängnis trackt lag eine finstere und fast gespenstische Aura. Der Anblick des Prügelbocks lässt einen erschaudern. Welche Qual und was für Schmerzen müssen Menschen dort ertragen haben. Das Gefängnis war für seinen harten Vollzug und die besonders schreckliche Strafen berüchtigt.
Nach der Besichtigung des Krematoriums, was schon nichts für schwache Nerven war, führte uns der Weg durch den „Operationssaal“ des Lagers. In diesem Saal wurden medizinischen Experimente an den Deportierten durchgeführt. Die Häftlinge des KZ Struthof verstarben in der Regel durch Hunger, Erkrankung, Verletzungen, Erschöpfung oder halt durch diverse Hinrichtungs- und Foltermethoden. Das langsame oder schnelle Erhängen war ebenso üblich wie das Erschießen oder Totschlagen. Seinen zweifelhaften Bekanntheitsgrad erreichte das KZ jedoch aufgrund seiner vielen medizinische Versuchen an Deportierten. Diejenigen Einsassen die für medizinische Experimente ausgesucht wurden, fanden in der 9m² große Gaskammer ihren Tot. Der Besuch der noch gut erhaltenen Gaskammer, die in ihrem Originalzustand zu besichtigen ist, brachte auch mich an meine Grenzen. Wenn man vor dem Raum steht und sich vorstellt, welche grausamen Szenen sich dort abgespielt haben, muss man schonmal tief durchatmen. Natürlich war dieser Besuch auch für unsere Konfis alles andere als leicht zu verdauen. Das Ausmaß des Leids in diesem menschenverachtenden Lager ist nicht vorstellbar. Kaum zu glauben, dass dies alles ein Teil unserer Vergangenheit ist.


Fast 25.000 Menschen starben infolge von Entkräftung, Hunger, lagerbedingten Krankheiten oder wurden ermordet. Die genaue Anzahl der Opfer ist jedoch kaum feststellbar. Viele Opfer verstarben schon während ihrer Deportation und wurden einfach liegen gelassen. Von etwa 3000 eingelieferte Gefangene fehlt bis heute jede Spur. Fast 60 % der Häftlinge wogen unter 50 Kilogramm. Die Gier nach Essen war so groß, dass die Schwächsten sogar von ihren eigenen Mitgefangenen erschlagen wurden. Am schlimmsten traf es das Arbeitskommando, das im ortsansässigen Steinbruch des KZ arbeiten musste. Im Jahre 1943 waren von den Häftlingen des Lagers nur noch etwa 100 arbeitsfähig. Viele konnten den beschwerlichen Weg zum Steinbruch nicht mehr auf sich nehmen und wurden in Schubkarren zur Zwangsarbeit gebracht.
Beim abschließenden Besuch des Lager – Museums beschäftigte ich mich überwiegend mit den Berichten und Niederschriften von Zeitzeugen. Wie oft fühlen wir uns in unserem täglichen Leben vernachlässigt oder auch am Rande der Gesellschaft glücklos und ungerecht behandelt. Wie maßlos und ungerecht ist unser Denken im Anbetracht derer die dieses Martyrium durchleben mussten. Nein, wir dürfen diese Zeit niemals vergessen! Auschwitz, Dachau, Buchenwald, Bergen-Belsen, Hinzert, Hadamar und auch Natzweiler- Struthof bilden tiefe Narben in der Geschichte unseres Landes.


Der Besuch im KZ Natzweiler- Struthof hat mich damals sehr bewegt. Ich habe mich damals mit der Frage beschäftigt, inwieweit wir unsere Jugendlichen zu einem Besuch eines Konzentrationslagers auffordern sollten. Mittlerweile werden in der Politik Stimmen laut, die einen Schulbesuch eines KZs als Verpflichtung einfordern. Andere hingegen finden eine sogenannte „Zwangspädagogik“ kontraproduktiv. Auch der Zentralrat der Juden fordert seit geraumer Zeit, dass Schüler und Schülerinnen der höheren Klassen eine KZ-Gedenkstätte besuchen müssen. Nun ist es ja durchaus nicht selten, dass Schulklassen eine Gedenkstätte oder ein KZ besuchen. Es stellt sich lediglich die Frage, in weit und ob wir es verpflichtend machen sollten. Ich persönlich halte nichts von Zwang und finde ein Besuch sollte auch zukünftig freiwillig sein. Dennoch ist es unsere Pflicht eine gewisse Erinnerungskultur zu bewahren. Gerade in Zeiten, in denen es Politiker gibt, die unsere Vergangenheit und somit auch die Nazi-Zeit als „Mückenschiß“ in der deutschen Geschichte betrachten, ist es wichtiger denn je zu erinnern und wachzurütteln.
80. Jahre nach Ausschwitz ist es wieder hier, mitten unter uns, in unseren Ländern, Städten und Dörfern. Wir sehen deutliche Zeichen an Häuserwänden, an Fenstern, in Zeitschriften und in den sozialen Medien. Diesmal scheinen auch unsere Nachbarn und Freunde in Europa und in den USA betroffen zu sein. Rechte Parteien sind auf dem Vormarsch und erzählen uns die selbe braune Kotze wie vor 80. Jahren. Ich bin kein Gutmensch, kein Idealist und auch kein besonders guter Deutscher. Ich hatte Glück, dass ich hier geboren wurde und in einer behüteten Zeit aufgewachsen bin. Bisher durfte ich gottlob ein Leben ohne Krieg genießen. Ich möchte, dass auch meine Kinder, Enkelkinder, Stiefsöhne und Schwiegersöhne in Frieden leben dürfen und nicht für andere an der Front bluten müssen. Freiheit und Menschenrechte sind wertvolle Errungenschaften. Keine Frage: Menschen die zu uns kommen, sollen sich natürlich integrieren und unsere Gesetze annehmen. Einen Freund und Gastgeber auszunutzen oder bluten zu lassen ist nie eine Option. Gerade in dieser Zeit sollten wir Vereinen und Zusammenrücken und nicht spalten und entzweien. Nie wieder ist jetzt !!
