Vom Maskenball im Hesedenz bis zur Kappensitzung in der Borrwieshall‘ – Geschichte der „Derminga Faasend“
Schon im 19 Jahrhundert war man in Dirmingen bemüht, den Fastnachtsbrauchtum aufzuwerten. Bereits vor dem ersten Weltkrieg gab es in Dirmingen einen Fastnachtsumzug am Veilchendienstag. Im Jahre 1903 erschien ein sogenanntes „Liederbuch der Gesellschaft“, mit vielen närrischen Stimmungsliedern. In diesem Jahr 1903 richtete die Dirminger Fastnachtsgesellschaft “D’moss senn”, zu Dirmingen, erstmals eine große Fastnachtsveranstaltung mit diversen Bällen und großen Fastnachtsumzug aus. Im Jahre 1905 stand sogar das ganze Fastnachts-Wochenende unter dem Motto: ”Dirminger Faschingsfeier im Jahre des Humors 1905″. Ein entsprechendes Werbeplakat ist zeitgleich das älteste vorhandene Dokument über karnevalistisches Treiben in unserem Dorf.
Vor dem zweiten Weltkrieg hatte sich der damalige Dirminger Handwerkerverein und der Theaterverein Dirmingen um die Durchführung der Fastnacht mit Umzug und Kram – und Viehmarkt bemüht. Am 11.11.1950 organisierte die Dirminger Organisation „D moss senn“ und der Heimat- und Verkehrsverein Dirmingen eine Wahl des „Prinz Karneval“. Ein sogenannter „Närrische Rat“ diente damals als Organisator dieser Wahl. Der Dirminger Hans Müll gab sich zu dieser Zeit große Mühe und organisierte Umzüge und am Fastnachtsdienstag einen Krammarkt. Schließlich gelang es zu dieser Zeit in Dirmingen erstmals ein Prinzenpaar zu wählen. Der Heimat- und Verkehrsverein stellte 3 Jahre lang Dirminger Prinzenpaar und unternahm zudem die ersten Versuche eine erste Kappensitzung durchzuführen. Die Bemühungen das fastnächtliche Treiben in Dirmingen aufzuwerten trug erste Früchte. Neben der Wahl des Dirminger Prinzenpaares, wurde ein bunter Fastnachtsumzug und eine große Verhaftungswelle am “Faasend-Dienstag” durchgeführt. Ganz nebenbei wurde am sogenannten “Veilchen-Dienstag” ein Krammarkt ins Leben gerufen.
Man muss sich das karnevalistische Treiben zu dieser Zeit ganz anders als heute vorstellen. Die damaligen Umzüge waren längst nicht so prunkvoll wie heute. Im Wesentlichen spielte sich das fastnächtliche Treiben in den großen Sälen unseres Heimatortes ab. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in den späten 1940er- und in den frühen 50er-Jahren in verschiedenen saarländischen Städten und Gemeinden die ersten Karnevalsvereine gegründet. Nach anfänglichem Erfolgen des Heimat- und Verkehrsvereins und der Gesellschaft „D moss senn“ sank das Interesse der Bevölkerung an den vorhandenen närrischen Großveranstaltungen. Im Jahre 1955 übernahm die Kolpingfamilie Dirmingen das Kommando. Alles begann mit einem bunten Maskenball im “Hesedenz-Saal”. Diese Veranstaltung war praktisch die Geburtsstunde der heutigen Kappensitzungen. Seit dieser Zeit schwingt die Kolpingfamilie das närrische Zepter in unserem Heimatort. Der Maskenball im Jahre 1955 war die erste närrische Veranstaltung der damals neugegründeten Kolpingsfamilie. Mit dieser Auftaktveranstaltung setzte die Kolpingsfamilie sofort Maßstäbe. Ohne großen technischen Aufwand entwickelte sich die Fastnacht in Dirmingen zu einer festen Größe. Unter der Regie zahlreicher “Faasebooze” und des damaligen Sitzungspräsidenten Edmund Jochum wurde närrische Geschichte geschrieben. Die ersten Kappensitzungen im “Hesedenzsaal” verliefen äußerst erfolgreich.
In der heutigen Zeit geraten alte Bräuche und Sitten immer mehr in Vergessenheit. Im Saarland gab es früher den alten Brauch, dass die Kinder an Rosenmontag und Veilchendienstag “singen gehen” oder “klingeln gehen”. Verkleidet zogen die Kinder in kleinen Gruppen von Haus zu Haus um dort zu “klingeln“und zu betteln. Öffnet sich die Tür, begannen die Kinder damit, einen kleinen Reim oder ein kleines Lied vorzutragen. In Dirmingen und sicherlich auch im ganzen Saarland lautete der Reim meistens wie folgt:
„Ich bin ein kleiner König,
gib mir nicht zu wenig,
lass mich nicht zu lange stehen,
ich muss noch ein Haus weitergehen.“
Für Kinder war dieses alte Brauchtum die Gelegenheit um sich vor der Fastenzeit nochmal so richtig “voll zu stopfen“. Meistens wurden die Kinder nach ihrem Vortrag mit Süßigkeiten oder Kleingeld belohnt. Dieser alte Heischebrauchtum wurde viele Jahrzehnte zu Fastnacht von den Kindern in unserem Dorf durchgeführt.
Fastnacht hat immer auch etwas mit Heimat und Mundart zu tun. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden verschiedene Lieder, die immer mit dem närrischen Treiben in Zusammenhang gebracht wurden. Zu den bekanntesten saarländischen karnevalistischen Hymnen gehört:
„S is Faasenaachd, ’s is Faasenaachd, die Kischelcher werre [oder genn] gebagg(d); eraus demidd, eraus demidd, isch schdegge se in de Sagg.“ Manchmal sangen wir weiter: „Unn wenn die Ald kää Kischelscher baggd, dann is fier uns kään Faasenaachd“, usw. Mit denne Kischelcher waren natürlich die „Faase(naachds)ki(e)schelscher
Nachdem die ersten Kappensitzungen im „Hesedenzsaal“ den erhofften Erfolg gebracht hatten, schwamm die neugegründete Kolpingfamilie Dirmingen auf einer wahren Erfolgswelle. Die bekannte „Richard Wagner Kapelle“ spielte damals zum Tanz. Die Dirminger Willibald Spaniol, Hermann Hoffmann und Toni Bick waren damals unter anderem verantwortlich für die Durchführung der Kappensitzung. Die Gestaltung der Bühne und die Werbung der der ersten Kappensitzungen lag in den Händen von Hermann Hoffmann. Im Jahre 1956 wurde der erste Dirminger Rosenmontagszug mit großer Verhaftungswelle durchgeführt. Im Rahmen dieses närrischen Treibens wurden Kommunalpolitiker, Geschäftsleute und Lehrer verhaftet. Die Gefangenen konnten sich später im Hesedenz-Saal bei Speisen und Getränken wieder freikaufen. In den folgenden Jahren wurde sogar in regelmäßigen Abständen ein Dirminger Prinzenpaar inthronisiert. Auch wenn man es sich heute nur schwer vorstellen kann, die Rosenmontagsumzüge in Dirmingen schrieben viele Jahre ihre Erfolgsgeschichte. Die Kolpingsfamilie Dirmingen versuchte schon damals auf populäre Art und Weise ihre Veranstaltung zu bewerben. Auf einem sehr originellen Plakat aus dem Jahre 1961 wirbt die Kolpingsfamilie Dirmingen unter dem Motto: “Die lachende Bütt“. Alle Dirminger waren damals zur Gala-Kappensitzung im “Hesedenz-Saal” eingeladen. Witzigerweise waren die Mitwirkenden: “Alle bekannten Büttenredner vom Mühlbach-Höppesbüsch, Ziegelhütte und Hundsberg” und „Aus dem Medde Dorf“. Noch im Jahre 1965 gab es in Dirmingen nachweislich einen großen Rosenmontagsumzug mit Prinzenpaar und großer Verhaftungswelle von Gewerbetreibenden und Lehrern.
Im Jahre 1977 wurden die Kappensitzungen in die Dirminger Borrwieshalle verlegt. Diese Umsiedlung fand zunächst nicht bei allen Dirmingern großen Anklang. In den folgenden Jahren freundete man sich jedoch immer mehr mit der Borrwieshalle als Austragungsort für die Sitzungen an. Die Tradition der Büttenreden stammt aus dem 19.Jahrhundert, als die französischen Besatzer den Menschen westlich des Rheins politische Aktionen untersagten. Deshalb trafen sich die Rheinländer zu heimlichen Versammlungen, um sich trotzdem kritisch und humorvoll über politische Entwicklungen auszutauschen. Dieser Fastnachtsbrauchtum hat sich bis heute etabliert. Derjenige der in die Bütt klettert, darf über Alles und Jedes schimpfen und lästern. In Dirmingen gab es seit jeher eine große Tradition der Büttenredner.
Im Jahre 2012 endet die Ära eines ganz großen Büttenredners. Der „schönen Harry“ alias Hans-Peter Hoffmann nahm seinen närrischen Hut und dankte als Gallionsfigur der Derminga Fastnacht ab. Die Dirminger Kultufigur sagte tschüss und verabschiedete sich nach 34 Jahren von der Bühne. Nach insgesamt 37 Jahren Büttenredner-Daseins sagte Hans-Peter Hoffmann servus und beendet seine Karriere. Bereits im Alter von 15 Jahren begann das Dirminger Original Hans-Peter Hoffmann mit seinen Büttenreden. Im „Hesedenz-Saal“ trat Hoffmann erstmals als „Büttel vom Dienst“ auf. Diese Rolle des „Büttels“ füllte Hans-Peter Hoffmann auch nach dem Umzug der Dirminger Kappensitzung in die Borwieshalle im Jahr 1976 aus. Im Jahre 1979 trat das Dirminger „Faasend-Original“ Hoffmann als „Schütze Bumm“ auf und begeisterte mit dieser Rolle die Mengen. Im Jahre 1980 wurde die Kultfigur des „Schönen Harry“ geboren. Hans-Peter Hoffmann hatte mit dem „schönen Harry“ endlich seine optimale Figur gefunden. Im Laufe der Jahre perfektionierte Hoffmann seinen „Harry“ und erschuf damit ein echtes Stück Dirminger Geschichte. Seine Schlagfertigkeit und der Spaß an der eignen Verwandlung machten die „Kultufigur“ sehr schnell über die Grenzen hinaus bekannt. Das Publikum durfte am Leben und an den Problemen des „Harrys“ teilhaben und wurde dabei in bester Art und Weise unterhalten. Der „Schöne Harry“ errang sich sehr schnell auch in anderen Karnevalsvereinen einen Kultstatus. Schon bald durfte der „schönen Harry“ auf den großen Karnevalsbühnen unserer Region auftreten. Auch die Saarbrücker Prunksitzung „Mir sen net so“ engagierten unseren „Harry“. Über Jahrzehnte hinweg begann die Büttenrede des „schönen Harry“ mit dem Zitat: “Oh bin ich graad nomol so läärisch“. Allein dieser Satz genügte, um das närrische Volk zum Lachen zu bringen . Hans-Peter Hoffmann wusste genau, dass er den Erfolg des „Schönen Harry“ ausschließlich seinem Publikum zu verdanken hatte. Die über 34 Jahre langanhaltende Popularität ist nicht nur ein Markenzeichen, sondern Ausdruck großer Sympathiebekundungen. Es waren die vielen „Harry-Fans“, die ihn immer wieder zu spontanen extravaganzen kabarettistischer Einlagen antrieben. Das Publikum ist und war ein Teil des „Schönen Harry“. Bis heute ist Hans-Peter Hoffmann ein Original der „Derminga Faasend“. Als im Jahre 1979 die erste Show-Nummer in der Borrwieshalle „Die Affen sind los“ aufgeführt wurde, war es (der untergewichtige) Hans-Peter Hoffmann, der den unverwechselbaren Tarzan verkörperte. Es folgten die „Olympia-Riege“ und viele Playbacknummern, von denen das universelle Opernpaar Ludmilla „Fitschegòges“ und Pedro Lazzegalli bis heute unvergessen bleiben. Einen legendären Auftritt hatte Hans-Peter mit seinem Freund Frank Schlicher als Travestiekünstler „Mary und Gordy“. Diese Aufführung sorgte für wahre Begeisterungsstürme und ist bis heute eine Sternstunde der Dirminger Fastnacht.
Mit Frank Schlicher gibt es bis heute ein weiteres Original der „Derminga Faasend“. Ohne den agilen Dirminger Frank Schlicher würde es die heutige Kappensitzung in dieser Form nicht geben. Als Organisator der Kappensitzungen trägt er die Verantwortung für den heutigen KKV Dirmingen. Gestaltung und Programmablauf liegen in den Händen des symphytischen KKV -Vorsitzenden Frank Schlicher. Hans-Peter Hoffmann hingegen bleibt der Dirminger Fastnacht auch zukünftig verbunden und schlüpfte 2013 in die Rolle des Elferratspräsidenten. Der „Schöne Harry“ war nicht der einzige der über Jahrzehnte eine großartige Karriere als Büttenredner machte. Willibald Spaniol, Hermann Hoffmann, Mathias Hoffmann, Ursula Spaniol, und viele andere haben die Narren über Generationen begeistert. Heute sind es Nachwuchstalente wie Lena Conrad die auf eine positive Entwicklung hoffen lassen. Das besondere an der Kultufigur des „Schönen Harry“ ist jedoch die Tatsache, dass dieser über 30 Jahre lang die Dirminger Kappensitzung bereicherte. Auch Willibald Spaniol hat sich große Verdienste bei der Kolpingfamilie Dirmingen erworben. Über viele Jahre war er als Organisator und „Mädchen für alles“ Vordenker und Macher bei der Kolpingsfamilie. Daneben glänzten natürlich Hermann Hoffmann, Nikolaus Spaniol, Paul Hoffmann oder einige Jahre später Ernst Lutz oder Benno Fries. Die Elferratspräsidenten der Kolpingfamilie Dirmingen und des KKV Dirmingen waren bis heute: Edmund Jochum (bis 1982), Ernst Lutz ( von 1983-1994), Benno Fries (von 1995-2012), Hans-Peter Hoffmann ( von 2012 – Heute).
Im Jahre 2003 wurde der heutige Kolping Karnevalsverein als Untergruppierung der Kolpingsfamilie gegründet. Der KKV Dirmingen hat seitdem die Aufgabe das fastnächtliche Brauchtum aktiv zu unterstützten und umzusetzen. Bis zum heutigen Tag gelingt dies in beeindruckender Art und Weise. Die närrischen Veranstaltungen des KKV Dirmingen sind seit vielen Jahren der Erfolgshit in unserem Heimatdorf.
Der KKV Dirmingen hat seine ganz besonderen Eigenheiten. Als einer der wenigen Karnevalsvereine unserer Region verfügt der Kolping Karnevalsverein „Die Faasebooze“ Dirmingen, mit ihrem „Hoppla Hopp“, über einen eigenen Fastnachts-Ausruf. Auch farblich unterscheidet sich der KKV von den anderen Karnevalsvereinen. Die grellen „Gelb-schwarzen“ Farben des Elferrates stechen gleich jedem Narren ins Auge.
Die Fastnacht in Dirmingen ist bunt und facettenreich! Mit dem KKV Dirmingen wird die närrische 5 Jahreszeit zu etwas ganz Besonderen. Hoppla Hopp!