Von Stahl…, Bier, Lyoner un Kolle – Auf Kohle geboren und mit Stahl im Herzen leiden

„Es Fritzje das hat mo de Babbe gefrot: Wat soll ich dann später mo genn? Dat es doch ganz klar, du geschd off die Grub, so war’s bei uns immer dehemm. Es Fritzje es Berschmann wor, schafft onner Daach, er hat off de Babbe geheert, on gleich no da Schicht, das hat er verdient, genn immer paar Flasche geleert.“

Lied: Gruppe RASTLOS: „Bier, Lyoner un Kolle“

Alles klar an der Saar? Was geht da gerade ab im Land der Schwenker und Denker? Das schönste Bundesland der Welt hängt am Tropf. Intensivstation! „Saarstahl“, Eberspächer, Bosch, Festo, ZF, Halberg Guss. Überall im Land drohen Stellenabbau und Entlassungen. Dabei gehören gerade ZF und Saarstahl zu den größten Arbeitgebern im Saarland. Fachleute sprechen schon jetzt von der größten Wirtschaftskrise seit dem Jahre 2009 und dem anschließenden Ende des Bergbaus im Juni 2012. Während der Autozulieferer ZF mit der Verlagerung seiner Produktion ins Ausland an Gewinn -und Produktionsregulierung denkt, leidet der saarländische Stahl schon seit geraumer Zeit unter dem Druck des Import-Stahls aus China. Scheint so, als ob der ersehnte Klimawandel sein erstes Opfer mit sich zieht. Durch die Klimaschutzpolitik sind einer Studie zufolge Hunderttausende Arbeitsplätze bedroht. Die Aufgabe der Politik muss es nun sein, Klimaschutz und Stahlindustrie zu vereinbaren. Wobei, mir persönlich wird bei diesem Thema ein Stück zuviel auf die Politik geschimpft. Klar, wenn man auf die Politik draufhaut trifft man immer den Richtigen. Ich denke jedoch, dass gerade die „Bel Etage“ mit ihren Managern weitaus größere Verantwortung tragen als es uns allen bewusst ist. Allein das Wörtchen „Gewinnoptimierung“ verschafft mir eine Gänsehaut. Wo bleibt der Mensch?

Mein Ur-Opa Jakob Klein, mein Opa Artur Klein und mein Vater Horst Klein und meine Wenigkeit waren allesamt als Bergleute unter Tage beschäftigt. Auch mein Ur-Opa Johann-Georg Wagner gehörte zu den sogenannten Bergmannsbauern. Mit Sicherheit werden viele die diesen Blog lesen ähnliches aus ihrer Familienchronik berichten können. Unser Heimatland wurde auf Kohle und Stahl geboren. Nachdem der Bergbau seit dem Jahre 2012 Geschichte ist, lebt und leidet unser Land mit der eigenen Stahlindustrie. Man stelle sich einmal vor, dass Saarland würde die Autoindustrie und die Stahlindustrie verlieren. Nicht auszudenken. Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass Stahl -und Autoland Saarland befindet sich in einer großen Krise. Nichts mehr klar an der Saar. Die Stimmung ist bescheiden und die Zeichen stehen auf Sturm. Gewerkschaften schimpfen auf die Politik und werfen Wirtschaftsminister Altmeyer Untätigkeit vor. Kommt das alles so überraschend? Konnte man die Misere nicht voraussehen?

„Im Winter, wenn’s kalt es wird kräftich geheizt, es Fritzje die Heizung gut schiert. Solang aus de Kolle noch Koks werd gemacht e Saarlänner sicher net friert. Em Fritzje sei Schwoar, der schafft off da Hitt, am Owe es der aangestellt. On jede Daach brauch er e Unmenge Koks, damit sei Hochebsche brennt.“

Lied: Gruppe RASTLOS: „Bier, Lyoner un Kolle“

Diese Zeiten erinnern mich an die große Bergbaukrise in den 1990-ger Jahren. Auch wir Bergleute hatten damals „Kohle im Herzen“ und Wut im Bauch. Es sind immer die gleichen Argumente der großen Bosse und auch der Gewerkschaften. Politiker halten sich zurück, um dann anschließend zur richtigen Zeit die Fahne in den Wind zu halten. Guter Rat ist teuer. Was hilft in dieser Misere? Mal wieder soll auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden. Das kommt mir bekannt vor! Unser Ministerpräsident Tobias Hans sagte:“…. die Landesregierung werde alles unternehmen, um den Stahlstandort zukunftsfähig zu machen.“ Nachtigall ich hör dir trapsen. Was soll das heißen „Zukunftsfähig zu machen“? War es nicht möglich vorher richtungsweisende Veränderungen herbeizuführen? Man sagt, die europäische Stahlindustrie befindet sich in einer konjunkturellen und strukturellen Krise. Was immer das bedeuten mag, es hört sich nicht gut an. Ich habe ein ungutes Gefühl und denke mir, da kommt noch etwas auf uns zu. Natürlich spielt auch hier das Thema Klimawandel eine gewichtige Rolle. Durch das System mit CO2-Zertifikaten steigen die Kosten für die Betriebe. Wenn bei einer Stahlproduktion Kohlendioxid entsteht, muss ein Unternehmen entsprechend Emissionsrechte über Zertifikate kaufen. Hinzu kommt abschließend, dass gerade in den osteuropäischen Ländern die Lohnkosten niedriger sind als bei uns an der Saar. Tja Qualität kostet eben Geld.

„Doch wenn unser Fritzje am Fernseh dann heert, das Gruwe geschloss solle genn, dann frot er sich oft, was wird aus der Saar, wenn do mo kä Berschleit mehr senn. Dann fählt hier es Geld für Lyoner on Bier, Politigga mache’s euch klar, denn schließt ma die Gruwe so än no da anna, zersört ma die Seel von da Saar“.

Lied: Gruppe RASTLOS: „Bier, Lyoner un Kolle“

Wie gesagt, dass alles erinnert mich an die große Bergbaukrise in den 1990-ger Jahren. Wir dachten damals allen Ernstes, dass wir gemeinsam die Talfahrt stoppen werden. Bis nach Bonn zum Bundestag ging unsere Reise. In Schlafsäcken eingewickelt lagen wir unter der Tribüne des Müngersdorferstadions in Köln und waren fest entschlossen bis zum äußersten zu gehen. Unsere Forderungen waren klar und deutlich: Zukunft für die heimische Steinkohle, kein Stellenabbau und der Erhalt von mindestens einer großen Zeche an der Saar. Das Ende vom Lied kennt heute jeder echte Saarländer. Als wir von unserer Reise aus Köln und Bonn zurückkamen und als Etappensieger gefeiert wurden, waren bereits die Verträge zum Sozialverträglichen Stellenabbau unterschrieben. Genauso wie es unser damaliger Landesvater Peter Müller behauptet hatte ist es letztlich auch gekommen. Der Bergbau befand sich im Tiefflug und erlitt schließlich eine Bruchlandung. Hätte es damals keine Auto- und Stahlindustrie in unserem Land gegeben, wäre es weitaus schlimmer gekommen. Heute wird der saarländische Stahl für den Stahlbau, Maschinenbau oder für Offshore-Windkraftanlagen verwendet. Zudem ist das Unternehmen „Saarstahl“ weltweit führender Hersteller von Draht und Stab für die Automobil- und Bauindustrie.

Und jetzt? Wie geht es weiter im Land der Schwenker und Denker? Ich glaube diese Krise wird uns einiges abverlangen und viel Kraft kosten. Spätestens mit dem kommenden Brexit wird es einen weiteren Tiefschlag geben. Es ist schon erstaunlich wie viele Politiker sich plötzlich solidarisch erklären. Vordenken und Vorsorgen ist weitaus besser als nachbessern und retten. Unser Land ist auf Kohle und Stahl geboren. Unser Wohlstand und unsere Geschichte basierten auf der Arbeit der Bergleute und Hüttenarbeiter. Der Ruf des Bergmanns wurde in den letzten Jahren arg ramponiert. Heute tragen die fossilen Brennmittel ein Stück weit die Verantwortung für die Klimakrise. Als Bergmann hast du also dem Land mehr geschadet als Gutes getan. Ist das wirklich so? Ich glaube nicht! Kohle und Stahl sind ein Stück unserer Identität. In den letzten Jahren haben viele Politiker die Unart ihre Rede mit dem Bergmannsgruß „Glück auf“ zu beenden. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Oftmals handelt es sich jedoch ausgerechnet um diejenigen Politiker, die das Ende des Bergbaus eingeleitet haben. Mich begleitet die Sorge, dass es der Stahlindustrie bald ähnlich ergeht. Allein mit Lippenbekenntnissen und Facebook Postings wird es nicht gelingen unseren „Saarstahl“ zu retten. Was wir brauchen sind Innovationen und schnelles Handeln. Wenn dies nicht gelingt, werden bald die letzten Hochofen in unserem Land erlöschen.

„Ja Bier, Lyoner on Kolle, senn wichtich für uns an da Saar, denn wenn ma von jedem e bissje hat, wird satt ma on warm hat ma aach. ……denn wenn ma von jedem e bissje hat erhält ma die Seele der Saar.“

Lied: Gruppe RASTLOS: „Bier, Lyoner un Kolle“

Passend zu dem ganzen Stahl-Drama soll der Neunkircher Gasometer bald abgerissen werden. Grund ist der Bau eines großen Einkaufszentrums im Neunkircher Hüttenpark. Der alte Gasbehälter ist ein Wahrzeichen der Stadt Neunkirchen und erinnert an die eng verbundene Geschichte zur eigenen Stahlindustrie. Der 70 Meter hohe Gasbehälter gilt als eines der Wahrzeichen der Stadt Neunkirchen und somit auch unseres Landes. Der Koloss wurde im Jahre 1970 gebaut. Bereits im Jahre 1933 war der damalige Gasometer des Neunkircher Eisenwerks explodiert. Durch den Unfall wurden 68 Menschen getötet und 190 Personen verletzt. Auch dies ist ein Stück saarländischer Geschichte. Soll das alles nun ein Ende finden ? Neunkirchen ohne seinen Gasometer und unser Land ohne „Saarstahl“ ? Eigentlich unvorstellbar !

Ich wünsche allen Mitarbeitern in den krisengeschüttelten Betrieben alles erdenklich Gute, viel Kraft und Besonnenheit. Letztlich betrifft es uns Alle! Mit den besten solidarischen Grüßen eines ehemaligen Bergmanns ! Glück auf !

dav

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