Facebook Account – Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage
Ich sitze an meinem Rechner und habe die Maus bereits auf dem Button „Account löschen“. Ich zögere und überlege mir noch ob ich das auch wirklich möchte. Die sozialen Medien und insbesondere Facebook könnten so viele Vorteile bringen. Wenn ich an meine Gruppe „Echte Derminga“ denke, geht mir das Herz auf. Über Facebook ist es möglich mit meinen Landsleuten über ein gemeinsames, uns verbindendes Thema zu kommunizieren. Möchte ich das jetzt wirklich aufgeben? Auf der anderen Seite merke ich immer öfter das ich mich ärgere und diesen Ärger auch mit ins Bett nehme. Ich spiele mit der Maus auf meinem Pad und rolle auf den Button „Account löschen“ und dann wieder runter. Ein letztes Nachdenken und dann,….lasse ich es….! Mir hat mal wieder die Kraft gefehlt neu anzufangen und mich selbst zu schützen. Ich bin zu gerne mittendrin dabei. Ich weiß genau, dass ich meine Entscheidung recht bald bereuen werde und widme mich schnell wieder anderen Dingen.
Letztens habe ich im Netz eine interessante Aussage von Bertolt Brecht, aus dem Jahr 1927, gefunden. Damals wandte er sich an die Intendanten der Radiostationen und meinte: „Man habe mit dem Radio plötzlich die Möglichkeit, alles zu sagen“, aber man habe „nichts zu sagen“. Am meisten missfiel ihm, dass das neue Medium nur eine Richtung der Kommunikation kannte: die des Sendens. Er empfahl, den „Distributionsapparat“ in einen „Kommunikationsapparat“ zu verwandeln. Ein Medium, dass dem „Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern in Beziehung zu setzen“, sei der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens. Mittlerweile wurde der Wunsch von Berthold Brecht erfüllt und das Internet bietet genau eine solche Plattform. Was aber würde Brecht über das heutige Internet und die damit verbundenen sozialen Medien sagen?
Ehrlich gesagt, ich weiß nicht ob das noch lange gut geht. Grundsätzlich bin ich ein Freund der Meinungsfreiheit. Ich erkenne auch nicht hinter jeder kritischen Äußerung einen Nazi und habe auch kein Problem mit „Fridays for Future“ oder „Fridays for Altersarmut“. Ist doch gut, wenn Leute aufstehen und sich engagieren. In einer Demokratie herrscht Meinungsfreiheit, Mitsprache und Demonstrationsrecht. Das Problem liegt allein darin damit umgehen zu können. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass Facebook dafür nicht die richtige Plattform darstellt. Jeder sieht nur noch sich selbst und seine eigene Meinung. Von einem sozialen Umgang miteinander entfernen wir uns Tag für Tag mehr. Ich selbst bewege mich viel in den sozialen Medien und meine mir ein Urteil erlauben zu dürfen. Ich ertappe mich immer öfter dabei, dass ich mein Handy nehme, um Mails zu checken und schnell mal nachzusehen was auf Facebook gerade so abgeht. Das ganze kann schnell zur Sucht werden. Einer meiner Neujahrsvorsätze liegt darin das ganze etwas zu reduzieren und nicht mehr jedem Kommentar zu antworten. Ich muss lernen mich und meine Nerven schützen!
Das Internet verbindet Millionen Menschen auf der ganzen Welt miteinander. Ich bleibe dabei die Grundidee von Facebook ist wunderbar. Nie war es leichter weltweit zu kommunizieren oder eine Sache zu bewerben. Jeder kann sich in den sozialen Medien Gehör verschaffen und seine Meinung kundtun. Dabei bleibt jedoch das Gespräch auf der Strecke. Das Internet hat unsere Art zu kommunizieren keineswegs verbessert, sondern vielmehr verschlechtert. Der Ton untereinander ist auch rauer geworden. Die Sozialen Medien sind gerade bei politischen Themen ein Ort für Hass und Ausgrenzung. Jeder der sich ungerecht behandelt fühlt äußert nicht nur seine Meinung, sondern beleidigt auch noch Andersdenkende. Ich glaube das gerade Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram zu mehr Aggression verleiten. Das Internet ist zu einem Schlachtfeld geworden. Beleidigungen und Hasskommentare sind die Modernen Waffen unserer Gesellschaft.
Ich glaube, dass viele Menschen mit ihrer, auf Facebook erworbenen Macht, nicht umgehen können. Die sozialen Medien geben jedem einzelnen nicht nur die Möglichkeit die eigene Meinung zu äußern, sondern diese auch zu bewerben. Das Resultat ist in vielerlei Hinsicht Hass, Wut und Abneigung. Morddrohungen gegen Politiker oder Andersdenkende sind längst an der Tagesordnung. Sätze wie „….früher hätte man sie an die Wand gestellt“ oder“…. lasst sie an ihrem Papier ersticken“ sind noch die harmlosesten Äußerungen. Jüngstes Beispiel ist die aktuelle Morddrohung gegen den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Bedford-Strohm weil er ein Schiff zur Seenotrettung kaufen wollte. Shitstorm, Drohungen, Beleidigungen und Hass werden zur Normalität. Ich glaube, dass viele sich längst nicht mehr der Tragweite ihrer Kommentare bewusst sind.
Ich selbst diene da wiedermal als abschreckendes Beispiel. Es gibt Leute, mit denen ich über Facebook gestritten und danach von meiner Freundesliste gestrichen habe. Heute frage ich mich ob wir überhaupt Freunde waren oder vielmehr ob dieser Streit mit einem Gespräch zu vermieden gewesen wäre. Die Freundesliste auf Facebook ist ohnehin so ein Thema. Ich glaube ich habe über 1000 Freunde auf Facebook. Wie viele Freunde habe ich in Wirklichkeit? Wer von meinen sogenannten „Freunden“, in den sozialen Medien, kennt mich überhaupt und wer meint es gut mit mir? Ich höre die Geister, die ich rief!
Noch bin ich genauso wie alle anderen. Ich bewege mich viel im Netz und die Tatsache das ich einen eigenen Blog habe führt mir vor Augen, dass ich mich selbst gerne äußere und Stellung beziehe. Ich bilde mir ein, dass andere gerne mein Geschriebenes lesen. Ist das nicht Arrogant? Seit einigen Tagen verfolgt mich jedoch ein Gedanke. Ich glaube ich sollte meinen Umgang mit Facebook überdenken. Lange Zeit habe ich gedacht ich müsste jeden Müll kommentieren und meine Meinung vertreten. Ich glaube das lasse ich zukünftig lieber. Das Streiten im Netz macht krank!
Zudem lasse ich mich nicht gerne in einer Schublade stecken. Ich habe den Eindruck, dass man bei Facebook schnell in einer solchen landet. Die sind dagegen, die anderen sind dafür. Dort stehen die Politiker hinten das Volk, hier sind die Linken auf der anderen Seite die Rechten, hinten stehen die Gutmenschen und da vorne finden wir die Realisten. Der Mensch wird einfach wegen einer Äußerung oder eines Kommentars in einer Schublade gesteckt. Dort sind die „Fridays“- Gegner und drüben wiederum die „Fridays“- Befürworter. Herrscht im Netz wirklich Meinungsfreiheit? Ich fürchte wir befinden uns auf dem Weg die sozialen Medien zu missbrauchen. Die Stimmungsmache auf Facebook endet in alle Richtungen im Unermesslichen. Mittlerweile werden auf Facebook und Twitter ganze Wahlen gewonnen. Auch für die Politik ist Facebook Fluch und Segen. Wie lange hält sich jedoch noch diese Balance?