Alte Bücher, Niederschriften und Dokumente sind historische Zeitzeugen

Was wäre die Wissenschaft ohne historische Niederschriften, Dokumente und Bücher. Besonders die Heimatforschung ist auf den geschichtlichen Hintergrund historische Schriften angewiesen. In den alten Schinken finden wir wichtige Details über das Leben unserer Vorfahren. Unser heutiges Wissen basiert auf den Hinterlassenschaften der Menschen die früher alles niederschrieben und dokumentierten. Ohne Kirchenbücher, Tagebücher oder Erinnerungsskizzen wäre die Arbeit vieler Heimatforscher weitaus schwieriger und aufwendiger. Auch in Dirmingen gibt es viele alte historische Bücher und Niederschriften. Immer wenn ich ein solches altes Exemplar in den Händen halte, bekomme ich eine Gänsehaut. Was haben diese Zeilen nicht schon alles überstanden? Oft sitze ich tagelang an den alten Schriften und versuche sie zu übersetzen und zu verstehen. Wenn mich keiner beobachtet schließe ich die Augen und rieche an den Büchern. Alte Bücher fesseln und faszinieren. In historischen Schriften finden wir wichtige Hinweise aus den Weltkriegen, dem Vereinsleben, der Kirchenarbeit oder den persönlichen Erinnerungen der Menschen. Manchmal reichen die Dokumente zurück bis ins späte Mittelalter. Neulich konnte ich z.B wichtige Erkenntnis aus der Zeit des 30 -jährigen Krieges gewinnen.

Der „Dreißigjährige Krieg“ zählt zu den blutigsten Kapiteln der Weltgeschichte. Heute kann man in vielen Büchern über diesen brutalen Krieg lesen. Ich persönlich habe mich einmal mit der Frage beschäftigt wie die Bewohner in unserem Dorf diese Weltkatastrophe erlebten. Was als Religionskonflikt zwischen Protestanten und Katholiken begann, endete in einer Katastrophe. Begonnen hatte alles mit dem Aufstand des protestantischen Adelsbundes gegen die gewaltsame Rekatholisierung durch die habsburgischen Landesherren. Nach dem sogenannten Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 begann einer der schrecklichsten Kriege Europas. Am Ende war der 30 -jährige Krieg nicht nur ein Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, sondern auch zwischen den europäischen Großmächten. Das Gemetzel dauerte ganze 30 Jahre lang. In diesem Zeitraum wurden große Teile des Heiligen Römischen Reich deutscher Nation verwüstet. Viele Millionen Menschen starben entweder an den Folgen des Krieges oder durch Hunger und Erkrankung. Am Ende ging es aber nicht nur um den „rechten“ Glauben, sondern auch um eine europäische Vormachtstellung. Eigentlich bestand der Krieg aus mehreren Teilkonflikten. Auf der einen Seite stand das Heilige Römische Reich mit dem Kaiser, seinen Verbündeten und der sogenannten Katholischen Liga. Auf der anderen Seite standen die Protestantischen Länder mit ihren Verbündeten wie Schweden und Frankreich.

Im Jahr 1574 erbte Graf Philipp III. die Grafschaft „Nassau-Saarbrücken“ und führte die Reformation nach lutherischem Bekenntnis ein. Nur kurze Zeit später im Jahre 1575 wurde auch Dirmingen reformiert. Zu diesem Zeitpunkt gab es unter der Bevölkerung unseres Heimatortes kaum noch Katholiken. Als der Dreißigjährige Krieg 1618 ausbrach war die heutige Saargegend zunächst kaum davon berührt. Erst im Jahre 1624 erschienen erstmals Soldaten an der Saar. Im Sommer 1635 erreichten die Schrecken des Krieges die Region des heutigen Saarlandes mit voller Wucht. Das Schicksal der Zivilbevölkerung geriet zusehends in Gefahr. Immer öfter kam es zu erbitterten Kämpfen zwischen schwedisch-französischen und kaiserlichen Truppen. Am 30. September 1635 wurde St. Johann und wenige Tage später Saarbrücken von den kaiserlichen Soldaten erobert. In Saarbrücken tobte der 30- jährige Krieg besonders fürchterlich. Im Jahre 1637 lebten nur noch 70 Menschen in der völlig zerstörten Stadt. Die Soldateska trieben auf fürchterliche Weise ihr Unwesen und scheuten auch nicht davor zurück den ausgelaugten Dörfern zu schänden. Höfe wurden niedergebrannt, Felder verwüstet, das Vieh vertrieben, Menschen verjagt, gefoltert, geschändet oder massakriert. Diejenigen die nicht umgebracht wurden, starben letztlich an Hunger oder Krankheit. Genauso muss es sich auch in Dirmingen zugetragen haben. In der Dirminger und Berschweiler Renovatur Protocollum aus dem Jahre 1741 erfahren wir Details über den damaligen Zustand unseres Heimatortes Dirmingen. Am 26. November 1641, sieben Jahre vor Ende des 30-jährigen Krieges schreib Graf Johann von Saarbrücken an den Kaiser:

„Was zuvor unerhörtes Elend über das arme Volk ergangen, kann ich nicht denken, dass mir nicht dafür graue. Denn ich selbsten in Stätt, Flecken und Dörfern kommen, da man nicht ein Haus gefunden, darin nicht vor Hunger verschmachtete tote Körper gelegen. Ja, ich hab gesehen, dass die Leute vor Hunger nicht allein allerhand unnatürliche Speisen und sich untereinander selbst gefressen, sondern rasend worden, wie die unvernünftigen Tier die Sprach verloren.“

Originalbericht Graf Johann von Saarbrücken

Die Eindrücke die Graf Johann von Saarbrücken auf seiner Reise durch das Saargebiet sammelte, spiegelten die Zustände in den Dörfern. Krieg, Hungersnot, Pest und Elend verwandelten das Land in eine Hölle. In Dirmingen lebten am Ende des 30-jährigen Krieges, im Jahre 1648, noch ca. 10 Menschen. Das Leben kam nur langsam wieder zurück. In unserem Nachbarort Eppelborn lebte nach dem Krieg nur noch eine Frau.Heute gilt der „Dreißigjährige Krieg“ als der längste und blutigste Religionskrieg unserer Geschichte. Am Ende ging es jedoch längst nicht mehr um den Kampf zwischen Protestanten und Katholiken. Viele Söldner kämpften wechselnd auf beiden Seiten und orientierten sich an denjenigen die mehr Sold zahlten. Unvorstellbare Szenen müssen sich damals zugetragen haben. Überall lagen erschlagene, gefolterte, vergewaltigte Menschen, die nicht begraben wurden und einfach vor sich hin verwesten. Ausgebrannte Städte, verwüstete Dörfer, kahle Äcker und verbrannte Erde. Unter den Adligen sagte man damals: „Wer da noch lebte, lebte nicht mehr lange“. Europa lag in Trümmern. Heute wissen wir jedoch, dass die oft zitierte Entvölkerung in den Dörfern in vielen Fällen nur eine vorübergehende Erscheinung war. Viele Dorfbewohner waren vor den anrückenden Soldaten in die befestigten Städte oder in die Wälder geflüchtet und kehrten zu einem späteren Zeitpunkt zurück. Nachweislich starben die meisten Menschen nicht durch Soldaten, sondern an Typhus, Pest oder Hunger. Der 30-jährige Krieg wurde schließlich durch den „Westfälischen Frieden“ von Münster und Osnabrück im Jahre 1648 beendet. Die Dörfer im Saargebiet brauchten noch sehr lange bis sie sich von den fürchterlichen Kriegswirren erholt hatten.

Die ersten Eintragungen im ältesten Kirchenbuch der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen aus dem Jahre 1664 berichten von vier Kindern, die getauft wurden. In diesem ersten Kirchenbuch finden wir in der Zeit von 1664 bis 1670 insgesamt 34 Taufeintragungen und 15 Beerdigungen. Dies zeugt nicht gerade von einer schnellen Wiederbevölkerung.

In den letzten Monaten habe ich meine Heimatforschung dazu genutzt um in einigen alten Kirchenbüchern zu wälzen. Selbstverständlich habe ich diese historischen Schätze nicht bei mir Zuhause rumliegen. Vielmehr habe ich im Laufe der Zeit ganze Seiten kopiert oder einfach abfotografiert. Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig diese alten Kirchenbücher zu schützen. Von daher begrüße ich den Umgang unserer Gemeinden, Organisationen und Archive mit dem Umgang historischer Schriften. Jedes alte Dokument sollte geschützt und gut und sicher aufbewahrt werden. Historische Niederschriften helfen uns zu verstehen und zu erinnern. Die Pflege dieser alten Dokumente und Bücher ist enorm wichtig. Manchmal schadet es auch nicht, dafür etwas Geld in die Hand zu nehmen. Unsere Aufgabe liegt immerhin darin Erinnerungen zu bewahren.

Letztens bekam ich von Freunden ein historisches Tagebuch aus dem 1. Weltkrieg ausgeliehen. Jeden Abend versuche ich das schwierige Sütterlinschrift zu entziffern. Ich stelle mir vor, was genau in den Zeiten geschah als dieses Werk verfasst wurde. Ich stelle mir die Frage, ob wir heute sorgfältig genug mit diesen historischen Hinterlassenschaften umgehen. Ich denke, jede Mühle lohnt sich!

Ein Kommentar

  • Karl-Heinz Harich

    Guten Tag,
    ich finde ihren Artikel sehr interessant. Meine Vorfahren stammen aus Dirmingen u. Umgebung. Der Älteste von mir erforschte wurde 1602 geboren u. starb 1682. Wohl einer der Wenigen, die diesen Krieg überlebt haben. Ein Nikolaus Harich (Harig) wanderte mit weiteren 5 Personen 1784 über Wien in Richtung Ungarn aus. Leider sind mir die Namen seiner Mitauswanderer nicht bekannt. Es existieren, nach Angaben von „Archion“, Kirchbücher aus der Zeit von 1757 – 1809. Dieser Zeitraum wäre für meine Nachforschungen sehr interessant. Doch leider komme ich nicht an die Kirchenbücher nicht ran. Vielleicht haben Sie mir ja einen Tipp? Es würde mich freuen von Ihnen zu hören.

    Wünsche Ihnen eine gute Zeit!

    Mit freundlichem Gruß

    Karl-Heinz Harich

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