Von den Rauhnächten zwischen den Tagen !
„In abgelegenen Orten trifft man ab und zu noch auf den Glauben, in der Weihnachtszeit ginge der Werwolf um, und der Teufel säße auf den Schornsteinen. Zwischen Weihachten und Neujahr liegen die heiligen Nächte. In ihnen krächzt der Unglücksrabe, und das wilde Heer braust durch die Lüfte“
„Land und Leute an der Saar“ – Dr. Wilhelm Martin – 1951
Die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag gelten auch in unserer Heimatgegend als sogenannte Schwellenzeit zwischen dem Alten und dem Neuen, dem Dunkeln und dem Licht sowie dem Vergänglichem und Ewigkeit. Besonders im süddeutschen Raum und somit auch bei uns im Südwesten entstanden im Laufe der Jahrhunderte die Rauhnächte.
Schon die alten Germanen pflegten zum Jahreswechsel eine Vielzahl von seltsamen Sitten und Mythen. Viele von diesen heidnischen Bräuchen hielten sich bis ins 18. Jahrhundert und wurden von der Bevölkerung auch fleißig praktiziert. Im 19. Jahrhundert rückten die christlichen Rituale immer mehr in den Vordergrund und verdrängten den uralten Glauben an Geister und die damit verbundene schwarze Magie.
Die Rauhnächte gelten seit jeher als die Zeit der Geister, Toten, Dämonen und Werwölfe. Heute wissen wir, dass sich bei den Rauhnächten die uralten Bräuche unserer Vorfahren mit den Ritualen des Christentums vereinen. Der Volksmund macht mal wieder sein Ding daraus und lehrt seine Kinder das Fürchten. Während der Rauhnächte stehen die Tore des Totenreichs offen und geben Geister und Dämonen die Möglichkeit umherzuwandern.
Ein wichtiger Bestandteil der Rauhnächte ist die sogenannte „wilde Jagd“. Mit dieser „wilden Jagd“ sind die stürmischen Winternächte gemeint. Auch dieser Begriff stammt aus der germanischen Mythologie. Die „Wilde Jagd“ sei, so sagt der Volksmund: laut, unheimlich, jedoch nie böse oder gemein. Während der Rauhnächte durfte man keine Wäsche aufhängen, ansonst würden sich die Geister darin verfangen. Auch die Sage, dass aus der weißen Wäsche und den weißen Bettlacken im Laufe des kommenden Jahres Leichentücher würden, hielt sich besonders im ländlichen Raum. Anderorts wurde behauptet, dass in den Rauhnächten die Tiere miteinander sprechen. Es wurde jedoch davor gewarnt diesen zuzuhören. Unsere Vorfahren waren fest davon überzeugt, dass die Natur jeder Jahreszeit eine Berechtigung zuspricht. Die Menschen sollten während der Rauhnächte die herrschende Dunkelheit und nächtliche Stille zur Ruhe, Besinnung oder einfach nur zum Ausruhen nutzen. Man sollte Zuhause bleiben und sich dem Jahreswechsel in Besinnlichkeit hingeben.
Historische Quellen berichtet davon, dass sowohl die Kelten als auch die Germanen die Zeit der Wintersonnenwende und die drauf folgenden Rauhnächte feierten. Zur Zeit der Germanen wurden die Rauhnächte ursprünglich auch „Rauchnächte“ genannt. In dieser Zeit wurden Kräuter geräuchert, um dunkle Geister und Dämonen zu vertreiben. Bis heute ranken sich um die Rauhnächte viele Sagen und Legenden. Wahrscheinlich sind diese zu einer Zeit entstanden, in der man in der ruhigen, stillen Abenden beim Feuer zusammensaß und miteinander redete und erzählte. Die Dorfältesten waren in der Regel dafür verantwortlich die Sagen und Mythen der Ahnen weiterzugeben und jedem Dorfbewohner zu erzählen. In manchen Dörfern galten die Rauhnächte als äußerst gefährlich und gefürchtet. Es wurden besondere Regeln und Ordnungen aufgestellt, die unbedingt eingehalten werden mussten. Dabei stand bei vielen Mythen und Legenden immer wieder der Jahreswechsel im Vordergrund.
An Sylvester war es auch in unserer Gegend Brauch, dass die Menschen während der ersten halben Stunde des neuen Jahres alle Türen schlossen und nur die Hintertür geöffnet hielten. Man behauptete, dass dort der Segen hereinkäme. Außerdem legte man besonderen Wert auf das Klingen die Silvesterglocken. Wenn diese nicht hell und klar klangen, sollte das kommende Jahr kein gutes werden. Die Silvesternacht bildet den Übergang vom alten in das neue Jahr. Dieser Tag hatte schon bei unseren Vorfahren eine besondere Bedeutung. Man war fest davon überzeugt, dass man an diesem Tag einen Blick in die Zukunft werfen konnte. Früher gossen vor allem junge Frauen Blei, um ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt zu testen. Aus diesem alten Brauchtum entstand das Bleigießen das heute noch auf diversen Sylvester Partys zelebriert wird. Heute ist selbst diese Tradition schon wieder aus der Mode geraten.
Die Rauhnächte bilden also eine besondere Zeit. Alles ist im Wandel und mit einer gewissen Spannung geladen. Die Arbeit des vergangenen Jahres ist erledigt und das Neue kann oder darf noch nicht begonnen werden. Legenden, Bräuche und Mythen haben viel mit Aberglauben und dem Volksmund zu tun. Dabei gab es nicht nur dunkle Sagen und gruselige Geschichten, sondern auch gute und lustige Bräuche. Im 18.Jahrhundert wurde auch in unserer Heimatgegend das Brauchtum des Wandertages gepflegt. Dabei war es Tradition, dass am 27.Dezember eines jeden Jahres die Bewohner auf Wanderschaft gingen. Unter dem Begriff „wandern“ verstanden die Menschen zunächst einmal nicht unbedingt eine Wanderung durch die umliegende Landschaft. Viel mehr wechselten die Menschen zu der Jahreswende einfach ihre Arbeitsstelle. Das Alte endete und das Neue beginnt.
In einem alten vorliegenden Verwaltungsbericht des Landkreises Ottweiler, aus dem Jahre 1859, ist zu lesen: “ Der Tag des Dienstwechsels ist der 27.Dezember, oder mit anderen Worten, um Weihnachten ist die Wanderzeit“.
Natürlich wurde nicht in jedem Jahr der Arbeitsplatz gewechselt. Vielmehr wurde dieses Brauchtum symbolisch angedeutet. Der Knecht oder die Magd verließen kurzerhand die Wohnung des Dienstherren wobei die Wäschekisten oder der Schließkorb symbolisch vor die Haustür gestellt und wieder hereingetragen wurden. Dieses Ritual diente als Zeichen, dass der Arbeitsplatz einbehalten wurde. Vielerorts wurde am Abend dieses Wandertages am 27.Dezember in den großen Sälen unseres Ortes getanzt oder gefeiert. Historische Quellen unserer Dorfchronik berichten davon, dass in unseren Gaststätten zum Tanz geladen wurde. Besonders die jungen Männer freuten sich über diesem alten Brauchtum. Schließlich mussten die Burschen an diesem Tag nicht in die eigene Tasche greifen. Das Brauchtum verlangte, dass die Jungs an diesem Tag „zehrfrei“ gehalten wurden.
Aus dem guten alten Brauch des Wandertages entstand im 20.Jahrhundert eine neue Tradition, die sich vielerorts bis heute gehalten hat. Die Menschen nutzten die freien Tage zwischen Weihnachten und Neujahr zum Wandern und Ausspannen. Das Alte geht, dass Neue wird kommen! Was wird das neue Jahr bringen und welchen Herausforderungen müssen wir uns stellen? In Zeiten, in denen das Corona-Virus wütet, wünschen wir uns alle Gesundheit und ein schnelles Ende der pandemischen Lage.
In der tiefster Not sehnen wir uns danach, dass diese schlimme Zeit schnell vorbeigeht und etwas Neues beginnen kann. Dabei spielt es für uns keine Rolle, dass wir Minuten und Stunden unseres Lebens einfach so wegwerfen und hergeben möchten. Schließlich hat jeder von uns nur dieses eine Leben. Jede Sekunde und jede Stunde sind wertvoll und einzigartig. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob wir in schlechten oder guten Zeiten leben. Wir haben nur dies eine Leben.
Wenn wir es erzählen, bleibt es erhalten. Schweigt der Volksmund, stirbt seine Seele. Traditionen, Bräuche, Mythen, Legenden und Aberglaube bewahren unsere Dorfkultur. Lasst uns also besonders in dieser Zeit davon erzählen wie es Früher war und wie unsere Ahnen lebten. Wenn wir es unseren Kindern weitersagen, bleibt es erhalten. Genauso verhält es sich mit unserer Mundart. „Wenn ma se nemme schwätze gedd se verlor'“
„Besseres kann kein Volk vererben, Als der eigenen Väter Brauch. Wenn des Volkes Bräuche sterben, Stirbt des Volkes Seele auch.“
Volksmund
In diesem Sinne wünsche ich euch allen besinnliche Tage in rauen Nächten. Hoffnungsvolle Momente an kalten Wintertagen und einen guten und entspannten Rutsch in eine bessere Zukunft.