Dirmingens älteste Eisenbahnbrücken erinnern an die Zeit des Aufbruchs und der Industrialisierung

Dirmingens älteste Eisenbahnbrücken erinnern uns noch heute an die Zeit des Aufbruchs und Industrialisierung. Schon in einer Petition vom 10. November 1883, an die Königliche Eisenbahndirektion, forderte die damalige Bürgermeisterei Eppelborn-Dirmingen die Einführung einer neuen Bahnstrecke. Bevor der Bau zu der sogenannten Ill-Bahn jedoch vorangetrieben wurde, mussten sich die Menschen in unserem Heimatort mächtig strecken. Schließlich wurde die neue Strecke Lebach-Wemmetsweiler nach vielen Anstrengungen am Samstag, 15. Mai 1897 feierlich eingeweiht und eröffnet.

Vor allem Bergleute und Hüttenarbeiter profitierten von der Einführung der neuen Ill-Bahn. Die sogenannten „Hartfüßler“ nutzten fortan die Bahn und konnten sich den täglichen kilometerweiten Marsch auf ihre Grube ersparen. Die stundenlange Fußmärsche zu ihren Arbeitsstätten im Saarrevier kostet viel Kraft und vor allen Dingen Zeit. Die meisten Bergleute unserer Heimat arbeiteten damals auf den Zechen Itzenplitz, Reden, Altenwald, Heinitz, Bildstock, Friedrichsthal, Rußhütte, Sulzbach, Dudweiler, Camphausen und Altenkessel. In den ersten Wochen nach der Eröffnung der Bahnlinie beschwerte sich die Eisenbahndirektion bei der Bergverwaltung über zu prall gefüllte Züge. Vor der Einführung des Personenverkehrs, im Jahre 1897, wurde zunächst ausschließlich auf den Güterverkehr zum An- und Abtransport der Rohstoffe für den heimischen Kohlen- und Eisenindustrie gesetzt, Schnell merkte man, dass der Bau wichtiger Eisenbahnlinien sowohl dem Kohlenbergbau als auch die Eisenindustrie einen ungeheuren Aufschwung brachte. Für die Infrastruktur unseres Heimatortes waren die Strecken: Neunkirchen – Saarbrücken oder Saarbrücken – Wemmetsweiler – Neunkirchen lange Zeit von besonderem Stellenwert. Die Eisenbahn brachte den wirtschaftlichen Aufschwung und den Aufbruch in eine moderne Zeit. Unser Bundesland entstand auf der Grundlage von Kohle und Stahl. Die Eisenbahn war für die Entwicklung unseres Landes maßgeblich verantwortlich.

Dirminger Bahnhof in den 1930-er Jahren

Die Menschen in unserer Heimat mussten also lange Zeit für den Bau der langersehnten Eisenbahnstrecke kämpfen. Dabei ging es nicht zuletzt auch um eine finanzielle Entschädigung des Landkreises an die jeweiligen Ortschaften. Dirmingen fühlte sich lange Zeit nicht gerecht behandelt und verlangte mehr Geld vom Kreis. Der Landrat versuchte in dieser Zeit immer wieder die Woogen zu glätten und forderte die Gemeinderäte in den Ortschaften zur unentgeltlichen Abgabe der Liegenschaften auf. Der Kreis verlangte, dass die Ortschaften zumindest moralisch dem Eisenbahnbau entgegenkommen sollten. Der Gemeinderat verwies jedoch darauf, dass dem Ort zahlreiche Obstfelder, Wiesen und Bauland verloren gingen. Auch die Argumentation, dass Dirmingen schließlich vom Bahnbau profitieren würde, brachte zunächst nicht die gewünschte Entspannung. Der Landrat forderte die Gemeinde Dirmingen erneut zum Handeln auf und bat die bisherige Entscheidung zu überdenken. Der Gemeinderat blieb jedoch bei seinem Votum und beschlossen am 25. Mai 1895, dem Kreis das durch den Bahnbau entzogene Land nicht unentgeltlich zu überlassen. Diese Entscheidung stieß vielerorts auf Kritik und Unverständnis. Immerhin verlangten die Kommunalpolitiker zeitgleich die Einführung der Bahnstecke mit dem damit verbundenen Personenverkehr. Schließlich wurde eine Einigung gefunden und der Bau der Eisenbahnlinie wurde angestoßen und letztendlich umgesetzt.

Vor einigen Wochen kontaktierte mich ein Bürger aus unserem Nachbarort Humes. Bei seinem Besuch in meinem Büro überreichte er mir den originalen Bauplan der Eisenbahnbrücke die heute die Straße „Alte Mühle“ und die „Hierscheiderstraße“ vereint. Dankbar nahm ich das Geschenk entgegen und verwahre es seitdem gut und sicher auf. Immerhin handelt es sich bei dem guten Stück um eine echte Rarität. Tatsächlich habe ich mir die Frage gestellt warum ich ausgerechnet jetzt, wo wir uns mit dem Zustand der Eisenbahnbrücke in der „Humeserstraße“ befassen müssen, diesen historischen Bauplan geschenkt bekomme. Wink des Schicksals oder reiner Zufall ? Irgendwann ist alles vorbei und selbst die stabilste Brücke muss einmal erneuert werden. Im Gegensatz zu der Eisenbahnbrücke zum „Hundsberg“ verfügt die Stahlbrücke, die über die „Humeserstrasse“ zur „Haardt“ führt über massive Schäden. Der Zahn der Zeit hat buchstäblich an der Konstruktion der Brücke genagt. Aus Sicherheitsgründen dürften aktuell keine LKWs mehr die Brücke passieren. Ich persönlich vertrete die Meinung, dass die Tage der Brücke in absehbarer Zeit gezählt sind. Wie es dann weitergehen wird ? Vermutlich muss zunächst viel Bürokratie und Verwaltungsarbeit durchgeführt werden. Die tatsächliche Erneuerung der Brücke wird nicht von heute auf morgen stattfinden können. Gottlob wurde bereits gehandelt und eine Umleitungsstrecke überarbeitet und asphaltiert. Vor dem Bau der Brücke, im Jahre 1913, befand sich einige Meter unterhalb der heutigen Brücke ein Bahnübergang der von Menschenhand betätigt werden musste. Für diese Arbeit war damals eigens ein angestellter Bahnwärter verantwortlich.

Bahnübergang in der heutigen „Humeserstraße“ mit dem Bahnwärter (links davon, nicht zu sehen, stand das Wohnhaus meines Großvaters.

Beim Bau der Bahnstrecke mussten im 19. Jahrhundert auch in Dirmingen zahlreiche Gebäude abgebrochen werden. Die Bahn benötigte zum Ausbau der Strecke viel Platz. Altes musste weichen damit neues erschaffen wurde. Durch den Bahnbau veränderte sich unser Ortsbild. Alte Häuser verschwanden, neue Straßen und Wege entstanden, Brücken wurden errichtet und Bäche wurden begradigt oder verlegt. Auch das Elternhaus meines Großvaters väterlicherseits, dass Anwesen „Zimmermichels“, stand dem Fortschritt im Wege. Meine Familie bekam einen neuen Bauplatz und eine Entschädigung zugesprochen. Dafür musste die Familie ihr altes Bauernhaus in der heutigen „Humeserstrasse“ verlassen und in der Ortsmitte neu anfangen. Dabei blieb ein Teil des alten Anwesen bis heute erhalten und ist mittlerweile wieder bewohnt. Noch vor dem zweiten Weltkrieg verfügte der Dirminger Bahnhof über ein groß angelegtes Areal mit zeitweise bis zu 8 Gleisen. Mit der Entwicklung des Automobils wurde das Bahnhofsgelände im laufe der Jahres sukzessiv verkleinert und zurück gebaut. In den 1950-er Jahren erging es unserer Ortsmitte und den damit verbundenen älteren Bauernhäusern ganz ähnlich. Durch den Ausbau und die Verbreitung der Dorfstraße mussten Häuser abgebrochen werden. Der Fortschritt nahm sich Stück für Stück seinen Raum.

Dirminger Bahnhof im Jahre 1940

Seit vielen Jahren verkauft die Deutsche Bahn alte Bahnhöfe und Streckenabschnitte, um sie vor dem Verfall zu retten. Einem Bericht zufolge wurden in den vergangenen 20 Jahren mehr als 2.000 ausgediente Empfangsgebäude verkauft oder umgestaltet. Es entstanden Wohnungen, Büros, Künstlerateliers oder Kindergärten, die mit Leidenschaft saniert oder ausgebaut wurden. Auf diesem Weg konnte auch in Dirmingen das alte Bahnhofsgebäude sinnvoll weitergenutzt werden. Bereits im Jahre 1984 stand das alte Bahnhofsgebäude des Dirminger Bahnhofs mit seiner Eingangshalle und der Schalterstelle zum Verkauf an. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir als Kinder immer noch die Fahrkarten an einem Schalter kaufen mussten. Gottlob wurde damals ein Käufer gefunden der den Bahnhof, mit viel Liebe zum Detail, zu Wohnzwecken umbaute. Der Baustil des Gebäudes wurde erhalten und blieb der Nachwelt erhalten. Das Bahnhofsgebäude in Dirmingen wurde zeitgleich mit dem Gebäude in Illingen im Jahre 1896 erbaut. Die Gebäude wurden damals aus Ziegelsteinen unserer Dampfziegelei errichtet und erhielten Diensträume und Dienstwohnungen für die Mitarbeiter.

Bahnhof Dirmingen in den 1980-er Jahren

Mittlerweile ist die Blütezeit der Bahn ins Stocken geraten. Viele Jahrzehnte war der Personen- und Güterverkehr dominierend. Mit der Erfindung des Automobils entstand ganz langsam ein weiterer Gigant der modernen Technik. Es dauerte noch einige Jahre, bis diese neue Erfindung in den Dörfern ankam und mit der Bahn konkurrieren konnte. Nachdem sich immer mehr Menschen ein Auto leisten konnten, ging der Trend „weg” von der Schiene hin zur Straße. Alles im Leben hat seine Zeit. Nun scheint auch die Zeit gekommen zu sein, sich über die Bahnbrücke in der „Humeserstrasse“ zu unterhalten. Wir werden sehen was die Zukunft bringt. Unsere kommunalpolitischen Gremien werden sich in Kürze mit der Eisenbahnbrücke beschäftigen. Wichtig ist, dass die Menschen in der „Humeserstrasse“ und der „Haardt“ nicht vom Dorf abgeschnitten werden und weiterhin schnell die Ortsmitte erreichen können. Dies wurde mit der Sanierung- und Asphaltierung der Umleitungsstrecke bereits vorangetrieben. Alles andere braucht wahrscheinlich etwas Geduld und Zeit.

Dirminger Familie mit dem „neuen“ Automobil

Mit der Einführung der Bahnstrecke und dem Bau des Bahnhofs kam der Fortschritt endgültig in den Dörfern des Saarlandes an. Die Eisenbahn hat bis heute große Bedeutung für die Menschen unserer Region. Die Einführung eines überregionalen Verkehrsnetzes brachte den Menschen den Wohlstand. Die Bemühungen der Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert bezüglich der Streckenführung hat sich gelohnt. Noch heute wird die Bahn täglich von zahlreichen Menschen genutzt. Irgendwann werden wir auch den Punkt erreichen, an dem die alte Eisenbahnbrücke in der “ Humeserstraße“ ersetzt werden muss. Dies kann noch eine Zeit in Anspruch nehmen oder am Ende doch relativ zeitnah geschehen. Warten wir ab, was uns die Zukunft bringt.

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