Was ist dran an unseren Sagen, Mythen und Legenden?

Wie in den meisten Ländern Europas gibt es auch im Saarland zahlreiche Sagen und Legenden. Meistens bemerkt man erst auf den zweiten Blick, dass viele weitverbreitete Sagen und volkstümliche Erzählungen in lokale Varianten umgewandelt werden. Die Menschen erzählten sich schon immer gerne unglaubliche Geschichten. Die meisten Erzählungen wurden über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben. Im Laufe der Jahre verändert sich so manche Geschichte und viele Details bleiben auf der Strecke. Besonders in der Zeit der Romantik, von 1795 bis 1848, entstanden zahlreiche Märchen, Sagen und Legenden. Das damals noch nicht so dicht besiedelte Saargebiet bot einen optimalen Nährboden für Geschichtenerzähler und die Verbreiter von Mythen, Sagen und Legenden. Wälder, Weiden und kleine romantische Dörfer weckten die Fantasie der Märchenerzähler, Großmütter, Wirtsleuten, Philosophen und Schreiberlingen. In Deutschland gibt es einen riesigen Schatz an Märchen und Geschichten. Mal sind diese Sagen und Legenden unterhaltsam und lustig, mal rätselhaft und lehrreich, mal gruselig und ganz oft auch geheimnisvoll.

Viele der regionalen Erzählungen, Legenden und Fabeln, die sich immer wieder auch auf tatsächliche Ereignisse, Orte oder Personen beziehen, geraten zusehends in Vergessenheit. Wenn wir unsere Geschichten und Legenden nicht weitererzählen, werden sie irgendwann verloren gehen. Natürlich gibt es auch in Dirmingen, wie in den meisten anderen saarländischen Dörfern, etliche Sagen, Mythen und Erzählungen. Zu den bekanntesten Sagen unseres Dorfes gehört mit Sicherheit die Geschichte von der „Goldenen Chaise“, um die sich bis heute zahlreiche Geschichten ranken. Die „Goldene Chaise“ soll, der Sage nach, in der Frankenbach begraben liegen. Ein fränkischer Fürst soll die Kutsche auf seiner Flucht im Bereich der Frankenbach vergraben haben. Die Sage behauptet das die „Chaise“ nicht tiefer als ein Hahnenfuß unter der Erde liegen soll.

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Schon als Kind machten wir uns auf den Weg in die Frankenbach, um endlich fündig und somit reich zu werden. Alles buddeln und graben nutzte nichts. Wir blieben leider ohne Erfolg und trösteten uns damit, dass es sich wahrscheinlich um einen sehr großen Hahn gehandelt haben muss. Spaß beiseite, Sagen, Mythen und Legenden entstehen überall und basieren letztlich aus alten Überlieferungen, einem Stück Aberglaube und alten Geschichten. Den Rest besorgt der Volksmund! Genau hier liegt buchstäblich der „Hase im Pfeffer“.  Viele unserer Sagen, Mythen und Legenden ähneln sich und werden in anderen Ortschaften in abgeänderter Form weitererzählt. Genauso verhält es sich auch mit der Sage um die „Goldene Chaise“, im Dirminger Frankenbach. Nur ein paar Kilometer weiter, ganz in der Nähe im benachbarten Tholey, wird die Geschichte in anderer Form berichtet.

Die Varussage aus Tholey ähnelt in vielerlei Hinsicht unserer Sage um die „Goldenen Chaise“. Zumindest scheint es so, dass der gute Hahn schon öfter als Messeinheit benutzt wurde. Bekanntlich ist Tholey nur 9 Kilometer von Dirmingen entfernt. Es ist gut möglich, dass es sich im Grunde um die gleiche Sage handelt, die jedoch im Laufe der Jahrhunderte lokal abgewandelt wurde. Aus dem römischen Statthalter wurde irgendwann kurzerhand ein fränkischer Fürst. Die Sage könnte kurzerhand den Zeiten angepasst geworden sein. Nachweislich gehört das Gebiet der Frankenbach zu den ältesten Liegenschaften unseres Heimatortes. Keltische, römische und Germanische Funde weisen auf Siedlungsgebiete im Bereich der Frankenbach. Die Besiedlung unseres Dorfes begann in der Frankenbach. Irgendwann ließen sich die Menschen am Zusammenfluss der Ill und Alsbach nieder. Landschaft mit Weiden und Wäldern benötigen natürlich auch Sagen oder Legenden. Der Volksmund macht sich seinen eigenen Reim auf die uralten Geschichten unserer Region.

Rictius Varus, römischer Statthalter in Trier, ein erklärter Christenfeind, schloss mit dem Teufel eine Wette ab: während er mit einem Sechsgespann den Schaumberg hinaufgaloppierte, sollte der Teufel ebenso schnell den Weg vor ihm pflastern, indem er das Pflaster hinter dem Gespann wegriss und vorne neu verlegte. Varus verlor die Wette und wurde vom Höllenfürsten an Ort und Stelle gebannt. Die Deichsel des goldverzierten Wagens soll nach oben gerichtet so dicht unter dem Erdboden liegen, dass ein Hahn sie freischarren könnte, wenn er nur wüsste, wo. Ein kopfloses Pferd soll im Wareswald (der in typischer Weise einer Volksetymologie Varuswald genannt wird) spuken.

Eine weitere Legende rankt sich um die Dirminger Ortsmitte. Eine uralte Geschichte berichteten davon, dass früher in unserem Dorfzentrum ein Kloster existierte. Bis zur Neuordnung der Diözesangrenzen, durch Preußen, gehörte Dirmingen zum Bistum Metz. In einer alten Schrift heißt es:“ …wurde schon vor 870 dem Metzer Eigenkloster St. Nabor bewusst als Grenzposten gegenüber den Ausstrahlungen des Trierer kirchlichen Stützpunktes Tholey übertragen und besaß die Pfarrei mit Patronatsrechten.“ Heute wissen wir, dass das christliche Leben in Dirmingen wahrscheinlich nicht von Tholey sondern vielmehr von Illingen beeinflusst wurde. Im Jahre 893 wurde die Illinger Kirche dem Kloster Neumünster zugeordnet. Seitdem gehörte Illingen und nachweislich auch Dirmingen zum Metzer Bistum. In den Archiven der Abtei Tholey finden wir keine Hinweise auf eine seelsorgerische Tätigkeit der Tholeyer Mönche in Dirmingen.  Fall geklärt, war‘s das mit dem sagenumwobenen Kloster? Naja, nicht so ganz, vielleicht entstand die Legende ganz einfach aus der Verbindung und der Nähe zu der Abtei Tholey. Das Kloster in Tholey gehört zu den ältesten unseres Landes und beeinflusste definitiv den ländlichen Raum unserer Region. Die Legende, dass Mönche des Klosters Tholey für den Bau der ersten Dirminger Kirche verantwortlich waren, können wir nicht bestätigen. Vielmehr gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Mönche des Zisterzienserordens am Bau der heute evangelischen Kirche beteiligten waren. Die Zisterzienser schufen auch an der Saar nachweislich landwirtschaftliche Höfe und Musterbetriebe, förderten Obst- und Weinbau und trugen auch zur Verbreitung der hochmittelalterlichen Kultur bei. Viele im Zuge des zisterziensischen Baubooms geschaffenen Gebäude wiesen Elemente eines neuen gotischen Baustils auf, genau wie am Beispiel unserer Kirche zu sehen.

Die beiden heutigen Flurbezeichnungen „Im großen Kloster“ oder „Im Hof“ sorgen ebenfalls für Spekulationen. Die beiden Fluren befinden sich in unmittelbarer Nähe zur evangelischen Kirche und grenzen an dem ehemaligen Gelände der „Brauerei Schäfer“, an der heutigen Straße „Am Render“. Unterlagen die eine Existenz eines Klosters in Dirmingen beweisen würden, gibt es nicht. Eigentlich ist es auch sehr unwahrscheinlich das hier in Dirmingen jemals ein Kloster existierte. Der Sage nach existierte früher ein unterirdischer Gang von diesem möglichen Kloster in der Ortsmitte zum heutigen Benediktinerkloster in Tholey. Einen Beweis bleibt diese These jedoch schuldig!  Als das alte historische „Schwäns-Haus“ abgerissen wurde, entdeckten Arbeiter einen unterirdischen Gang, der in Richtung Tholey führte. War das der Beweis oder der Stoff aus dem Legenden gemacht werden?  Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass es sich bei diesem gefunden Gang um ein „Hähloch“ handelte. Ein „Hähloch“ war früher nichts anderes als ein Versteck für Lebensmittel oder Wertgegenstände.

Der ehemalige Dirminger Posthalter Johann Nikolaus Heintz berichtete, dass der „Kläse Vater“ ihm, als kleiner Junge, von einem unterirdischen Gang erzählte. Bei der Renovierung der evangelischen Kirche zu Dirmingen im Jahre 1890 entdeckten Arbeiter unter dem Alter einen Hohlraum, der wie ein Gang ausgesehen haben soll. Vor ca. 80 Jahren konnte sich die ältesten Bewohner Dirmingens an einen alten Gewölbe Keller in der Nähe des “Kläse- Hauses“ erinnern. Ist das alles nur Zufall und Legende? Das „Kläse Haus“ wurde vor über 60 Jahren abgerissen und nur noch der alte historische „Kläse-Keller“ erinnert an das Haus in der Ortsmitte. Sei’s drum der Volksmund machte sich seinen Reim aus den vorhandenen Quellen und so entstand schließlich die Sage von einem Kloster in Dirmingen. Am Ende wird die Wahrheit wohl wie immer in der Mitte liegen! Ich kann mir durchaus vorstellen, dass während der Christianisierung die Mönche ihrer Missionarsarbeit in Dirmingen nachgingen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass diese in einer Behausung oder einem Anwesen auf den heutigen besagten Fluren lebten oder übernachteten. Aus dieser Behausung wurde irgendwann kurzum ein Kloster gemacht. Das alles ist nicht bewiesen und hoch spekulativ.

Die „Steenrutsch“ im Dirminger Wald bietet seit vielen Jahren ebenfalls viel Zündstoff für Spekulationen. Dieses wunderschöne, geheimnisvolle Gestein ist gemacht für Sagen, Mythen oder Legenden. Alles, was uns besonders und selten vorkommt nährt den Boden für Spekulationen und neuerliche Thesen. Genau das ist der Stoff, aus dem unsere Sagen und Legenden entstehen. In Dorfunterlagen finden wir Hinweise und Berichte über seltsame Vorkommnisse an der „Steenrutsch“. Angeblich diente das Konglomerat schon sehr früh allen glücklich und unglücklich verliebten Einheimischen. Aus dem Liebeskult rund um die „Steenrutsch“ entstand im vergangenen Jahrhundert die Tradition den Namen des geliebten Menschen in Stein zu meißeln. Viele dieser Liebes Bekundungen finden wir noch heute als Erinnerung an eine uralte, aber auch romantische Zeit in Stein gehauen. Die These, dass unsere „Steenrutsch“ unseren Vorfahren einmal als Kultstätte diente, ist weit hergeholt und nicht nachweisbar. Fakt ist jedoch, dass schon immer viele verliebte Menschen den Schutz des Konglomerats suchten. Vor vielen Jahrzehnten befand sich der alte Exerzierplatz in der Nähe der „Steenrutsch“. Genau dort wurden einst Dorf- Feuerwehrfeste und sportliche Veranstaltungen durchgeführt. Für viele Pärchen bot das Konglomerat die optimale Möglichkeit die Ruhe in Zweisamkeit zu genießen.

Seid Menschengedenken gehören Sagen, Mythen und Legenden zu unserem Leben. Geschichten erzählen, zuhören, spinnen, träumen und hinterfragen. Wo liegt die Wahrheit und was ist dran an den vielen Erzählungen unserer Vorfahren. Wichtig ist, dass wir Sagen und Legenden unserer Vorfahren weitererzählen, nur dann gehen sie uns auch nicht verloren.

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