Der Häuptling der Apachen wird zum nationalen Sorgenkind

Beim Lesen dieser Nachricht hatte es mir die Sprache verschlagen. Ich glaubte meine Augen und nicht suchte im Netz nach weiteren Informationen. Mit sowas hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Wollen die jetzt allen Ernstes Winnetou verbieten?  Der Ravensburger Verlag nimmt mehrere Winnetou-Produkte aus dem Sortiment und das ARD vermeldet ab sofort keine Winnetou Filme mehr zu zeigen. Innerhalb weniger Tage entfachte eine heftige Diskussion über den Umgang mit dem Häuptling der Apachen. Entweder du bist dafür oder du bist dagegen, dazwischen gibt es nichts. Zahlreiche Politiker und Künstler haben sich längst in die Diskussion eingemischt und so wird der Häuptling der Apachen auf seine alten Tage noch zum nationalen Problemfall degradiert. Der alte Karl May dürfte sich in Anbetracht der aktuellen Diskussion im Grabe umdrehen.

Ich musste die Nachricht erst mal sacken lassen, um mir dann meine Gedanken machen zu können. Was war passiert und wie konnte es so weit kommen. Fakt ist, mit der Veröffentlichung des neuen Kinofilms „Der junge Häuptling Winnetou“ entfachte eine Rassismus Debatte. Ernsthaft jetzt? Nachdem ersten Schock, einer Tasse Kaffee und dem Durchlesen von vielen „für und wider“ glaube ich mittlerweile verstanden zu haben, um was es wirklich geht. Das Unternehmen Ravensburger entschied sich nach eigenen Angaben wegen „vieler negativer Rückmeldungen“ und dem hohen Druck aus Teilen der Bevölkerung zu diesem ungewöhnlichen Schritt. In einer Pressemitteilung teilte der Verlag mit, dass man bei den Winnetou-Titeln zu der Überzeugung gelangt sei, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung Amerikas ein viel zu „romantisierendes Bild mit vielen Klischees“ verliehen zu haben. In Wirklichkeit sei der Film jedoch weit entfernt von dem, wie es der indigenen Bevölkerung tatsächlich erging.

Tatsächlich? Na, da haben wir ja lange dafür gebraucht, um das endlich einmal zu verstehen. Natürlich ist dieses Argument nicht von der Hand zu weisen. Was bei der Eroberung Amerikas mit den Indianern oder Entschuldigung den Ur-Einwohnern geschah war ein Verbrechen an der Menschlichkeit. Kein Thema! Seltsam nur, dass es dafür einen Kinder und Jugendfilm braucht, um daran zu erinnern. Ist das jetzt nicht etwas über das Ziel hinausgeschossen? Langsam wird in mir der Eindruck erweckt, dass wir vor lauter „Gutdenken“ die Realität aus den Augen verlieren.

Als historisch interessierter Mensch kenne ich den geschichtlichen Hintergrund und die Vertreibung der indigenen Bevölkerung aus Gebieten Nordamerikas. Anfang des 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Großteil der indigenen Bevölkerung unterworfen, vertrieben oder getötet. Ein Großteil der indianischen Urbevölkerung Nordamerikas wurde praktisch ausgelöscht. Ja, es stimmt, auch die Amerikaner haben eine Sünde an der Menschlichkeit begangen.

Was bedeutet diese Debatte nun im Klartext? Heißt das, dass meine ganze Kinder- und Jugendzeit auf einem Fehler oder einem Missverständnis basiert? Haben wir uns als Kinder schuldig gemacht oder waren wir sogar rassistisch? Ich erinnere mich an endlose, wunderschöne Tage in den Wäldern unseres Heimatortes. Damals wollten wir alle so sein wie Chingachgook, Unkas, Sitting Bull oder Winnetou. Alle Mädels wollten werden wie Nscho-tschi, Ribanna oder viele Jahre später auch Pocahontas. War das alles falsch und am Ende ein großer Fehler? Bei unserem Kinderspiel wollten die wenigsten ein Cowboy sein. Die meisten wollten als tapferer Indianer als Sioux, Cheyenne und oder ein Apache rumlaufen. Und nun, diskutiert man in den sozialen Medien wie ein richtiger und würdevoller Umgang mit Indianern oder Entschuldigung einem indigenen Volk auszusehen mag. Ich gebe zu, ich habe damit so meine Probleme.

Was kommt als nächstes? Werden wir an der Fastnacht alle Indianer-Kostüme verbieten? Müssen PUR und NENA ihre Indianer-Lieder umdichten? Wohin führt uns diese Debatte? Ich für meinen Teil denke, dass diese Diskussion an den Menschen vorbeiführt. Wir haben wahrhaftig größere Probleme in unserem Land. Ich kann mir gut vorstellen, dass es vielen Indianern bei dieser Debatte ähnlich ergeht wie vielen Frauen bei der Gender-Diskussion. Viel wichtiger wäre es die Probleme der Frauen oder in diesem Fall der Indianer endlich einmal anzugehen und umgehend Hilfe zu gewährleisten. Dazu gehört, dass Frauen endlich einmal gerechter bezahlt werden und mehr Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt erfahren. So gut sie auch gemeint ist, die aktuelle Genderdebatte füllt keinen Geldbeutel. Genauso ist es im übertragenen Sinne mit den Indianern. Wenn man sich einmal mit den indigenen Völkern Nordamerikas befasst, werden deren Probleme offensichtlich: Fehlende Akzeptanz, Arbeitslosigkeit, fehlende Schulbildung, Alkohol und Drogen gehören besonders in dieser Bevölkerungsschicht zu den größten Problemen. Indianer haben oft eine besonders enge Bindung zu ihrer Heimat und der Natur. Bei der Eroberung Amerikas wurde den Indianern ihr Land geraubt und bis heute nicht wieder zurückgegeben. Die Vereinigten Staaten haben diesbezüglich viel Porzellan zerschlagen und bis heute nicht damit begonnen diesen Sündenfall aufzuarbeiten.

Anstatt den Finger genau auf diese Wunde zu legen, zerreiben wir uns im deutschen Lande mit der Frage ob die Bücher des alten Karl May rassistisch sind. Natürlich sind diese Bücher nicht frei von Rassismus! Natürlich steht in diesen Büchern vieles geschrieben, was nicht gerade menschlich wirkt: Rothaut oder Bastard sind nur zwei Beispiele böser Diffamierungen an der indigenen Bevölkerung. Stimmt! diese Tatsache ist nicht von der Hand zu weisen.

Stellt sich die Frage, was wir als nächsten angehen. Wir könnten vielleicht den guten Luther verbieten, der wegen seiner Haltung zu den Juden nicht gerade unumstritten war. Wir könnten aber auch den alten Turnvater Jahn verbieten, der ganz offensichtlich starke antisemitische Werte übertrug. Schaffen wir nun als Konsequenz den Protestantismus ab oder lösen wir die vielen Turnvereine, die sich nach „Jahn“ benennen auf? Nein, soweit darf es nicht kommen. Luther, Jahn oder auch Karl May waren Kinder ihrer Zeit! Merke: Wo Licht ist, befindet sich immer auch Schatten!

Die Bezeichnung „Indianer“ stammt aus der Kolonialzeit. Christoph Kolumbus 1492 dachte damals zunächst er hätte Indien entdeckt. Am Ende wurde bekannterweise das gute Amerika aus der Wiege gehoben. Das Wort „Indianer“ ruft laut Fachwelt Assoziationen wach, die stark von Klischees geprägt sind und nur wenig mit der Realität zu tun haben. In den Vereinigten Staaten gibt es heute nur noch 574 staatlich anerkannte indianische Nationen beziehungsweise Stämme und Stammesgruppen. Diese Bevölkerungsgruppe wird heute „Native Americans“ genannt. Die Debatte in den sozialen Medien geht inzwischen so weit, dass man nur noch von dem „I-Wort“ spricht. Das alles wegen eines kleinen Kinder -und Jugendfilms.  

Tatsächlich finden viele indigenen Völker den Begriff „Indianer“ als hochproblematisch, verletzend und verallgemeinert. Beim zweiten Nachfragen verweisen die Sprecher der indigenen Völker jedoch auf viel wichtiger Probleme. Die fehlende Akzeptanz und das Gefühl ein Mensch zweiter Klasse zu sein, wiegt viel schwerer. Wir sollten einen Schritt vor dem anderen tun! Aus meiner Sicht bringt das jetzt wirklich nichts, den guten Winnetou zu verbieten.

Ich denke zurück an meine Kinderzeit. War das denn wirklich alles so falsch? Kriegsbemalung, Kriegstanz, Marterpfahl und das Ausgraben des Kriegsbeils? Ja stimmt, etwas zu viel Krieg befindet sich in dieser Auflistung. Dabei dürfen wir niemals vergessen, dass der „weiße Mann“ den Sturm gesät hat. Der „Weiße Mann“, oje, wieder so ein klischeehaftes Wörtchen. Was habe ich da wohl wieder angerichtet?

Ja, es stimmt: Winnetou, Chingachgook aber auch Old Shutterhand, oder Tom Sawyer und Huckleberry Finn waren „Helden meiner Kindheit“. Wobei ich bei dem letztgenannten Klassiker jetzt kein weiteres Fass aufmachen möchte. Wenn man sich diesen Roman einmal durchliest, stößt man auf einen weiteren amerikanischen Alptraum.  

Liebe Leute, mir persönlich führt diese Debatte zu weit! Ich frage mich: Was kommt als nächstes? Vielleicht die Gebrüder Grimm? Lest euch mal den Struwwelpeter oder Max und Moritz durch. Wer suchet der findet! In der Geschichte unseres Landes wurden beim malen von Bildern, aufnehmen von Liedern, schreiben von Büchern oder auch drehen von Filmen viele Fehler gemacht. Diese Fehler korrigiert man nicht einfach so mit einem Verbot! Aus meiner Sicht müssen wir vielmehr an unseren Werten arbeiten. Meine Kinderzeit und die liebe zu den Karl May Büchern, der übrigens alles andere als ein ehrenvoller Mann war, hat mir auch viel Gutes vermittelt. Wir dürfen niemals vergessen, dass in allen Karl May Büchern und allen damit verbundenen Verfilmungen der gute Winnetou auch für Ehre, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Menschlichkeit und Heimatliebe stand. Und, am Ende siegte immer das Gute !  

Schließlich hat der gute Winnetou gerne auch mal ne‘ Blutsbrüderschaft geschlossen oder eine Friedenspfeife geraucht. Genau das sollten wir alle jetzt mal sinnbildlich tun und uns beruhigen. Wir haben ganz andere Probleme auf dieser schönen Erde.

Ein Kommentar

  • Christoph Schmidt

    Herr Klein, ich stimme mit ihnen überein mit dem was sie schreiben. Es handelt sich um Kinder und Jugendbücher, die auch ich gerne gelesen haben. Um „Geschichten“ und nicht um Geschichte. Wenn dann Erwachsene aus diesen Geschichten eventuell was falsches daraus lesen ist es deren Sache. Wenn der Verlag diese Bücher nicht mehr drucken mag, ok, Wenn dann auch noch die öffentlichen Rundfunksender darauf anspringen, dann fehlt mir das Verständnis. Wir haben in Deutschland und auch weltweit größere und wichtigere Probleme. Da denke ich nicht nur an die Inflation oder die Energiekrise, ich denke da auch an stark aufkeimenden Antisemitismus aber auch denke ich daran wie sich ausländische Clans sich bei uns breit machen und das nicht mehr nur in den Großstädten auch auf dem Land. Ich denke auch an die Fremdenhassparolen einer deutschen Partei, wir wollen ja kein Namen nennen. Die Liste wäre sicher noch fortzuführen. Das sind Probleme die wir haben und nicht welche hochgelehrten Mitmenschen aus Jugendbücher herauslesen. Ein Zitat aus den Büchern der „Känguru Chroniken „Das gute an dem Internet ist, jeder kann seine Meinung kundtun das schlechet ist, jeder tut es auch. Und so sehe ich es auch, vor 40 Jahren hätte das keine so öffentliche Diskussion hervorgehoben. ich werde mir weiter Winnetou im TV ansehen und wenn es nicht in den öffentlichen Sendern kommt dann warte ich bis in den anderen Sendern kommt, ich habe Zeit. MfG Christoph Schmidt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert