Kultstätte für Generationen – „Charlys Disco“ am Dirminger Bahnhof

Erinnert ihr euch noch an Charlys Disco? In letzter Zeit werde ich gerade von jüngeren Dorfbewohnern immer wieder gefragt ob es in Dirmingen tatsächlich einmal eine Diskothek gegeben hat. Viele, gerade jüngere Dorfbewohner, können sich kaum noch vorstellen, dass in unserem Heimartort neben einer Brauerei auch einmal eine Disco existierte. Das große Kneipen, Club- und Diskothekensterben setzt seit Jahrzehnten seinen unaufhaltsamen Trend fort. Die Pandemie hat diese Entwicklung leider noch beschleunigt. Auch das Ausgehverhalten unserer Jugendlichen hat sich in den letzten zwanzig Jahren massiv verändert. Kinder und Jugendliche haben einen Großteil ihrer Aktivitäten in die sozialen Medien verlegt. Dabei möchte ich nicht mit erhobenem Zeigefinger daran erinnern, dass angeblich „…früher alles besser gewesen sein soll.“ Von wegen, auch damals war bei weitem nicht alles Gold was glänzt. Vielmehr haben sich die Probleme einfach verschoben. Digitale Freizeitaktivitäten haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die heutigen „potenziellen Discogänger“ verbringen ihre Freizeit lieber vor dem Smartphone oder dem Rechner. Dank dem Lieferservice, Spotify, Netflix & Co. muss unsere Jugend die eigenen vier Wände kaum noch verlassen. Vielen Kindern und Jugendlichen ist es längst nicht mehr so wichtig, sich mit ihren Leuten zu treffen. Der Kontakt über die sozialen Medien oder WhatsApp ist auf ein Vielfaches leichter. Ich bin noch nicht ganz dahintergekommen, wie man das heute mit dem Flirten macht. Irgendwie scheint aber auch das zu funktionieren. Ich hoffe wir sterben Mangelns körperlicher Nähe nicht aus !

Noch in den 1980-er Jahren existierten in unserem Dorf zahlreiche Kneipen, Restaurants und mit „Charlys Disco“ sogar ein Club. Bereits am frühen Freitagabend traf man sich, nach einer arbeitsreichen Woche, in einer Kneipe seine Wahl um dann anschließend durch das Dorf zu tingeln oder von Kneipe zu Kneipe zu ziehen. Der feuchtfröhliche Abschuss wurde stets in „Charlys Disco“ gefeiert. In unserer Region gab es damals so einige kleine Clubs. Neben „Charlys Disco“ fand man das „Boccaccio“ in Uchtelfangen, den „Club 68“ in Dörsdorf oder auch die „Downtown“ in Lebach. Diese kleinen, gemütlichen Clubs hatten den Vorteil, dass alles etwas familiärerer gehandhabt wurde. Man kannte sich und es war kein Problem wenn man in der Not auch mal einen „Deckel“ machen musste. In größeren Clubs wäre das kaum möglich gewesen.

Das „Kneipen-Tingeln“ durch unseren Ort hatte einen gewissen Charme. Jeder pflegte seine eigenen Rituale und besuchte seine eigene Stammkneipe. Ich persönlich fand mich jeden Abend im Gasthaus „Alte Post“ ein. Dort, wo sich jetzt die Bäckerei Bost befindet, tobte einst das Nachtleben. Von dort ging es weiter in das Gasthaus „Schuhhannesse“ und wiederum weiter ins Braustüble oder für absolute Insider in den „Albatros“ oder die „Ziegelhütte“. Man musste sich damals schon anstrengen, um allen Kneipen an einem Samstagabend die Ehre zu erweisen.  Nicht wenige Leute ersparten sich das Vorglühen und pilgerten sofort zu Charlys Disco.

Gasthaus „Alte Post“
Gaststätte „Sportklause“

Bereits gegen Ende der 1960-er Jahre kommt Schwung in die Discotheken dieses Landes. Die Zeit der Beatclubs ging langsam zu Ende und statt Live-Musik startet die gute alte Schallplatte ihren Siegeszug durch die Läden der Republik. Vorgänger der Diskotheken waren die amerikanischen Bars mit Jukeboxen, die die US-Soldaten in den 1950er-Jahren nach Deutschland brachten. Der DJ einer Diskothek wurde praktisch zum Moderator des Abends. Bei dem DJ konnte man sich seine Musik wünschen oder einfach nur eine Unterhaltung pflegen. Die neusten Hits bekam man zuerst in der Disco zu hören. Der Höhepunkt der Disco-Ära bildeten die 1970er- und 80er-Jahren. Nicht nur in den Städten, sondern auch in den Dörfern wurde zu den Hits der ganz großen Stars getanzt. Die Tanzschuppen dieses Landes wurden zum Ausdruck einer neuen Jugendkultur.

Die Musik in den Dorf- Diskotheken orientierte sich ganz stark am Publikum. Im Gegensatz zu den Clubs in den Städten hatte der DJ auf dem Land erheblich mehr Kontakt zu seinen Gästen. Meistens wurden Schlager und moderne Popmusik gespielt. Mit der Disco-Musik entwickelt sich auch ein neuer Tanzstil, der Disco-Fox. Nicht selten kam es vor, dass sogar auf „Smoke on the Water“ von Deep Purple Disco-Fox getanzt wurde. In den 1980-er Jahren wurde die Musikwelt von vielen amerikanischen Tanzfilmen wie „Saturday Night Fever“, Flashdance“, „Footloose“ geprägt. Aus den Kassettenkindern der Republik wurden die „Jäger der heißen Scheiben“. Vinyl war ein heißbegehrtes Objekt der Begierde.

Charlys Disco
Charlys Disco

Zwei Jahrzehnte dauert der Siegeszug der Diskotheken. Schon Ende der 1980-er merkte man einen gewissen Strukturwandel. Nachdem die ersten Kneipen massive Probleme bekamen und letztendlich geschlossen werden mussten, war der Niedergang der Kneipenkultur kaum noch von der Hand zu weisen. Anfang der 1990er-Jahre wurde es noch schwieriger und der negative Trend in der Disco-Landschaft lag wie ein dunkler Schatten über die Szene. Im Jahre 1991 muss die Dirminger Diskothek Charleys Disco geschlossen werden. Immer mehr Großraum-Diskotheken entstanden, in denen die Gäste auf verschiedenen Dancefloors zu verschiedenen Musikrichtungen abtanzen konnten. Der Techno-Sound erobert die Disco-Szene, zeitgleich entstand in den großen Städten eine neue Clubszene, in der viele verschiedene alternative Musikrichtungen eine Heimat fand. Unser Dorf erlebte zu Beginn der 1990er Jahre einen echten Kulturschock. Ein Jahr nach der Schließung von Charlys Disco, musste die „Schäfer Brauerei“ ihre Pforten schließen.

Schon Mitte der 1960-er Jahre betrieb Christel Brill die Gaststätte „Sportklause“ am Bahnhof. In der Zeit von 1970 bis 1975 wurde die Bahnhofskneipe „Sportklause“ mit moderner Diskothek im Untergeschoss von der neuen Inhaberin Brunhilde Urmoneit geführt. Die Dirmingerin setzte erstmals auf das moderne Konzept einer Dorf- Diskothek. Während sich die gute Brunhilde Urmoneit persönlich um die Gaststätte „Sportklause“ kümmerte, trug ihre Tochter Birgit Vogel geborene Urmoneit schon in jungen Jahren die Verantwortung über die Diskothek im Untergeschoss der Lokalräume. Schon die ersten Jahre in der Disco verliefen äußerst erfolgreich. Als DJ fungierten in dieser Zeit unter anderem Toni Hoffmann, Thomas Hinsberger, Martin Hinsberger oder auch Peter Heidemann von dem man erzählt, dass sogar der Saarländische Rundfunk auf ihn aufmerksam wurde. In Fachkreisen wurde das ehemalige RASTLOS-Mitglied Peter Heidemann auch augenzwinkernd der „Sexauer vom Illtal“ genannt.

Inge und Rita – Gasthaus „Schuhhannesse“
Dirminger Originale: Jakob Graus, Herbert Zimmer und Karl- Charly- Brill

Im Jahre 1975 übernahm der Dirminger Karl Brill und seine Ehefrau Christel die kleine Diskothek über der Gaststätte „Sportklause“. Karl Brill renovierte den kleinen Club und hauchte der Diskothek neues Leben ein. „Charlys Disco“ war ein echtes Stück Dirminger Geschichte. Generationen haben in diesem Club ihre schönste Zeit verbracht. Die Diskothek mit Gaststätte befand sich gegenüberliegend des Dirminger Bahnhofes oberhalb des Brühlparks. Der Name „Charlys Disco“ orientierte sich am Vornamen des Besitzers Karl Brill. Der gute Karl alias „Charly“ war ein ruhiger, gelassener und freundlicher Zeitgenosse. Ich bewunderte immer seine ruhige und besonnene Art und Weise. Irgendwie schien es mir, als würde der gute Karl Brill stets über den Dingen stehen. Von 1975 bis zum Jahre 1990 arbeitete die gute Steffi als Bedienung in „Charleys Disco“. Neben Karl Brill wurde Sie zum Gesicht des Clubs. Kein Mensch kann sagen, wie viele Getränke die gute Steffi im Laufe der Jahre ausgeschenkt hat.

Mitte der 1980-er Jahre wurde die kleine Diskothek von einer neuen DJs-Generation geprägt. Neben Gerd Brill dem Sohn von Karl Brill legten, Klaus Spaniol, Gilbert Spaniol, Manfred Hoff, Stefan Hinsberger-Konz oder Gerd von Essen in dem Dirminger Club ihre Platten auf. Gerd van Essen pflegte eine große Nähe zu Karl Brill und unterstützte diesen auch bei den Sanierungsarbeiten des Clubs. Stefan Hinsberger-Konz war der DJ meiner Zeit. Der gebürtige Dirminger war ein ausgezeichneter DJ und geborener Entertainer. Zu seinen Stärken gehörte eine gewisse Empathie genau zu wissen, welchen Song man am besten zu welcher Zeit spielt. Stefan besaß genau das richtige Fingerspitzengefühl für sein Publikum. Die anderen DJs von Charlys Disco sollten es mir bitte nicht übel nehmen. In der Phase als Stefan Hinsberger-Konz bei „Charlys Disco“ auflegte, begann meine Sturm und Drang Zeit. Am Ende war Stephan Hinsberger-Konz der letzte aktive DJ in Charlys Disco.

Discothekenbesitzer und Namensgeber Karl Brill alias Charly
Kultbedienung und gute Seele Steffi

Am Kirmes Samstag 1991 um 03:00 Uhr nachts schließt der Club für immer die Pforten. Zeitzeugen berichten, dass es ein trauriger Abschied gewesen sein muss. Man versprach sich von dem Termin Kirmessamstag noch einmal eine volle Bude. Leider fanden am Ende nur noch wenige Kunden den Weg in den kleinen Club am Bahnhof. Karl Brill und Stefan Hinsberger-Konz schlossen um 03:00 Uhr nachts gemeinsam ein echtes Dirminger Kapitel. Geblieben ist die Erinnerung an eine großartige Zeit mit viel Musik und Gefühl.

Charleys Disco. Mensch, was waren die Zeiten. Wenn ich heute an dem Gebäude des ehemaligen Clubs am Dirminger Bahnhof vorbeispaziere, erfasst mich eine gewisse Wehmut. Charlys Disco hat das Leben von so einigen Generationen geprägt. Die Erinnerung an diesen Club zaubert mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht.

Charleys Disco: Erster Tanz, erste Liebe und zum ersten Mal Alkohol bis zum Umfallen. Früher, ja früher war das anders. Der „Feindkontakt“ oder besser der Kontakt zum anderen Geschlecht wurde noch offen ausgetragen und sogar gesucht. Ich erinnere mich an viele peinliche Momente: „Schuldige, ich habe meine Telefonnummer vergessen, kannst du mir mal dein leihen“. Es war das Zeitalter Naivität und pubertären Peinlichkeiten. Gekämpft wurde immer mit offenem Visier und nicht an der Tastatur des eigenen Smartphones. Ziel war der Körperkontakt oder eine gewisse Dröhnung der besonderen Art. Am besten laut und schrill aber auch unbedingt schön und unvergesslich. Apfelkorn, Amaretto, Möwe, Jacky und Schäfer Bier gehörten zum Grundnahrungsmittel. Nein, stolz sollte man auf diese Lebensweise nicht sein. Auf der anderen Seite hat uns diese Zeit geprägt und bestimmt auch weiterentwickelt. Wir lernten auf unsere ureigene Art und Weise mit dem anderen Geschlecht umzugehen. Im Grunde drehte sich immer alles um Mädchen. Warum nur nahm man die ganze Prozedur am Wochenende auf sich? Natürlich wegen Spaß, Musik, Alkohol und nicht zuletzt wegen den vielen Mädchen.

DJ Stefan Hinsberger-Konz
Immer Spaß an der Sache: Mac Gabler mit Gitarre, rechts Hans Peter Hoffmann

Ich erinnere mich an viele wunderbare Momente. Es war unsere Zeit. Inzwischen haben uns viele Weggefährten für immer verlassen und weilen nicht mehr unter uns. Mit der Erinnerung an Charlys Disco kehren auch diese altvertrauten Gesichter immer wieder zurück. Wenn ich manchmal die Augen schließe, höre ich noch immer die Stimme von DJ Stefan. Es roch nach Zigaretten, Schweiß und Parfüm. Könnt ihr euch erinnern ?

Am 13.11. 87 wurde Stefan Hinsberger-Konz aus persönlichen, familiären Gründen Nachhause gerufen. In seiner Not fragte er mich als Stammkunden ob ich seinen Job als DJ übernehmen könnte. Wie selbstverständlich hatte ich zugesagt und aus dem einen Abend wurden am Ende mehrere Monate. Eine Zeitlang durfte ich als eher mäßiger Hobby-DJ in Charlys Club auflegen. Heute bin ich ein wenig stolz auf diese Zeit. Immerhin wurde ich somit zu einem winzig, kleinen Bestandteil eines großartigen Kapitels Dirminger Geschichte. An meine Zeit als DJ in Charlys Disco erinnern sich nur noch die Wenigsten. Vielleicht ist das auch gut so! Es gibt sicherlich schönere Geschichte aus diesem wunderbaren Club am Dirminger Bahnhof. Erinnert ihr euch an Charlys Disco? Was verbindet ihr mit diesem Stück Heimat? Wenn ihr wollt, dürft ihr gerne eure persönlichen Geschichten oder Erfahrungen in den Kommentaren hinterlassen.

DJ Stefan Hinsberger-Konz

6 Kommentare

  • Anja Ziegler

    Ja war ne Geile zeit. Ich habe auch mal platten aufgelegt. Und als Steffi aufhörte, habe ich erst den DJ gemacht und um zum Feierabend hin die Theke.

  • Rüdiger Jakobs

    Wir sind immer mit dem Taxi hingefahren war eine schöne Zeit an die man gerne zurück denkt!

  • kleinfrank

    Hallo, vielen lieben Dank für deine Rückmeldung. Ich schreibe immer persönlich und direkt in meinen Blog. Aus Datenschutzrechtlichen Gründen ist es nicht möglich den Blog weiterzuleiten. Ich stehe bei einigen Menschen diesbezüglich im Wort. Letztendlich handelt es sich bei dem Text um einen geistigen Besitz verbunden mit Namen und Daten. Dafür habe ich ausschließlich für diesen Blog die Erlaubnis erhalten. Bitte um Verständnis. Viele liebe Grüße Frank

  • Patrizia Fuchs

    Ein wunderschöner Blog
    War das eine schöne Zeit beim Charly!
    Ich hatte auch dort schon bedient!
    In der Disco und oben in der Wirtschaft da hieß die Inhaberin ‚waltraud‘ Nachname weiß ich nicht mehr!
    Könntest du mir diesen Beitrag per Mail schicken?

  • Christian Mohr

    1991, meine erste Saison auf’m Belker. An besagtem Kirmessamstag war ich dann das erste mal beim Charly.

  • Jörg Sawatzky

    Toller Beitrag Frank!

    Meine Mutter( es Fritzje) hat lange mit Steffi beim Karl in der Disco bedient! In der Zeit war ich auch sehr oft beim Charly.
    War das eine tolle Zeit, obwohl ich da noch sehr jung war!
    Danach hatte Mutter auf die Kneipe am Bahnhof über der Disco!
    Lang ist es her. Unvergessen da konnte man am Wochenende schöne Kneipentouren machen und überall war was los

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