Mit der Industrialisierung kamen auch Mord und Totschlag nach Dirmingen

Beim Bau der Bahnstrecke mussten im 19. Jahrhundert auch in Dirmingen zahlreiche Gebäude abgebrochen werden. Die Bahn benötigte zum Ausbau der Strecke viel Platz. Altes musste weichen damit neues erschaffen wurde. Durch den Bahnbau veränderte sich unser Ortsbild. Alte Häuser verschwanden, neue Straßen und Wege entstanden, Brücken wurden errichtet und Bäche wurden begradigt oder verlegt. Auch das Elternhaus meines Großvaters väterlicherseits, dass Anwesen “Zimmermichels”, stand dem Fortschritt im Wege. Meine Familie bekam einen neuen Bauplatz und eine Entschädigung zugesprochen. Dafür musste die Familie ihr altes Bauernhaus in der heutigen “Humeserstrasse” verlassen und in der Ortsmitte neu anfangen.

Dirmingens älteste Eisenbahnbrücken erinnern uns noch heute an die Zeit des Aufbruchs und Industrialisierung. Schon in einer Petition vom 10. November 1883, an die Königliche Eisenbahndirektion, forderte die damalige Bürgermeisterei Eppelborn-Dirmingen die Einführung einer neuen Bahnstrecke. Bevor der Bau zu der sogenannten Ill-Bahn jedoch vorangetrieben wurde, mussten sich die Menschen in unserem Heimatort mächtig strecken. Schließlich wurde die neue Strecke Lebach-Wemmetsweiler nach vielen Anstrengungen am Samstag, 15. Mai 1897 feierlich eingeweiht und eröffnet.

Heute im Jahr 2023 steht die historische Eisenbahnbrücke in der “Humeserstrasse” vor dem Abbruch. Das Bauwerk ist im Laufe der Jahre stark in Mitleidenschaft geraten und ist nicht mehr zu retten. Auf die Bewohner der “Humeserstrasse” oder “An der Haardt” warten einige umständliche Jahre bis hin zum Neubau einer Brücke.

Der industrielle Aufschwung im 19. Jahrhundert verschaffte den Menschen in unserem Dorf Arbeitsplätze und Wohlstand. Der Bau der königlichen Eisenbahndirektion Köln bzw. St. Johann – Saarbrücken machte auch dem Arbeitsmarkt an der Saar zu schaffen. Die Arbeiten gerieten aufgrund mangelnder Arbeitskräfte immer wieder ins Stocken. Deshalb heuerten die ausführenden Bauunternehmer immer mehr Serben, Slowaken, Kroaten und vor allen Dingen Italiener an. Die Gastarbeiter wurden meist in Baracken außerhalb der Ortschaften untergebracht. Die Geburtenregister der Standesämter belegen, dass zu dieser Zeit viele italienische Kinder im Saargebiet geboren wurden. Das ist grundsätzlich schonmal nicht schlecht. Immerhin werteten die neuen Mitbürger mit ihren kulinarischen Köstlichkeiten unsere deutsch-bürgerliche Küche auf.

Auf der anderen Seite entstand der offizielle Beruf des Eisenbahnarbeiters oder Gleisbauers. In den 1890-er Jahren wurde im Illtal massiv an der Fertigstellung der Eisenbahnstrecke gearbeitet. Die Männer mussten für hartes Geld von früh bis spät arbeiten. Viele Arbeiter aus südost Europa suchten damals ihr Glück in unserem Tal. Bei der Vielfalt der Nationalitäten mit ihren unterschiedlichen Mentalitäten kam es immer wieder zu Streitigkeiten, Schlägereien und Messerstechereien. Die Gewaltdelikte zwischen den Gastarbeitern nahmen stetig zu und so kam es auch zu Spannungen zwischen der Bevölkerung und den Gastarbeitern. Unmittelbar vor der Fertigstellung der Bahnlinie im Jahre 1897 wurde ein Dirminger Bürger Opfer eines Überfalls. Beim Versuch, sich vor den mit Messern bewaffneten Fremden in Sicherheit zu bringen, ist der Mann gegenüber der Apotheke vor der geschlossenen Haustür von „Beegels“ Wohnhaus von seinen Verfolgern niedergestochen worden. Das Opfer verstarb noch am Tatort.

Ich halte mich hier streng an die historischen Niederschriften und bewerte diese Tat nicht aufgrund irgendeiner Herkunft oder Nationalität. Natürlich entscheidet die persönliche Herkunft eines Menschen nicht über dessen Wesen und Verhalten. Überall auf der Welt gibt es gute und weniger gute Leute.

Ob der Mord an dem Dirminger Bürger letztendlich aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Am Ende bilden jedoch auch diese Geschehnissen ein Teil unserer Geschichte.

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