Echte „Derminga“: Das Gänsegretel

Das alte evangelische Pfarrhaus steht seit vielen Jahren unter Einzeldenkmalschutz. Die links neben dem Pfarrhaus verlaufende Straße hat ihren Namen „Herrengärten“ wohl in „Anlegung an die Herrschaft derer die das spätere Pfarrhaus im Jahre 1736 erbauten und dort lebten“. In unseren Chroniken finden wir Hinweise darauf, dass die Straße bereits im Jahre 1684 „Hohlgasse“ genannt wurde. Ihren eigentlichen Namen „Herrengärten“ bekam die Straße jedoch erst viel später in den 1960-er Jahren. In den Chroniken finden wir unter der Rubrik Flurbezeichnungen den Text: „Im Besitz der Herren des Ortes, die in einem Ortsteil zusammenwohnen und als die reichsten Bauern des Ortes gelten. Wahrscheinlich sind dies die ältesten Siedler (Freisassen). Nicht ausgeschlossen ist auch, dass es sich um die Gärten der „Häre“ d.i der Geistlichen handelte“.

Vieles deutet darauf hin, dass dieses Pfarrhaus zuvor als Jagd sitz der Herrscherfamilie Nassau-Saarbrücken genutzt wurde. Bis heute ranken sich viele Sagen und Geschichten um das barocke Anwesen. Eine der bekanntesten Erzählungen handelt von der saarländischen Fürstin Katharina Kest, die im Volksmund auch „Gänsegretel“ genannt wurde. Katharina Kest oder besser das Gänsegretel ist wohl die bekannteste Persönlichkeit mit Dirminger Wurzeln. Das Mädchen aus einfachen Verhältnissen entwickelte sich im Laufe ihres Lebens von einer Magd zur Mätresse und schließlich zur Freifrau und Reichsgräfin von Ottweiler, Herzogin von Dillingen und späterer Fürstin von Nassau Saarbrücken. Katharina war die Ehefrau des Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken.

Die Mutter der Fürstin, eine gewisse Barbara Wohlfahrt, wohnte in Dirmingen und soll Magd am ehemaligen Jagdschloss oder Pfarrhaus in Dirmingen gewesen sein. Aus den Chroniken geht hervor, dass das Ehepaar Johann Christoph Kest, aus Fechingen und Anna Barbara Wohlfahrt aus Dirmingen heirateten. Die Eltern von Anna Barbara Wohlfahrt waren einfache Bauern aus Dirmingen. Den historischen Quellen zufolge diente Anna Barbara Wohlfahrt (Wagner) als Magd in dem kleinen Jagdschloss derer von Nassau-Saarbrücken. In Dirmingen lernte Sie auch irgendwann ihren späteren Ehemann Johann Georg Kest kennen und lieben. Die beiden wurden ein Ehepaar zogen nach Fechingen. In ihrer neuen Heimat bekamen die Beiden eine gemeinsame Tochter: Das Mädchen wurde auf den Namen Katharina getauft und ging als „Gänsegretel“ in die saarländische Geschichte ein.

Das Gänsegretel
Grenzsteine Nassau-Saarbrücken in Dirmingen

Katharina Kest, das Gänsegretel, wurde am 1. März 1757 in Fechingen als Leibeigene geboren. Ihr Vater erzog Katharina zur Magd, wobei das Füttern der Gänse schon früh zu ihren Aufgaben gehörte. Ob ihr Name „Gänsegretel“ vom Hüten der Gänse abgeleitet wurde, ist nicht nachzuweisen. Der Legende zufolge bekam sie ihren Spitznamen, aufgrund der Tatsache, dass Sie die entlaufene Gans ihres Religionslehrers rettete. Katharina befreite die Gans und bewahrte diese vor der Misshandlung einiger Jugendlicher. Katharina brachte die Gans heil zu ihrem Besitzer zurück und erhielt postum den Namen „Gänsegretel“. Als ihr Vater starb musste Katharina und ihre Mutter, nach einem langjährigen Rechtsstreit über das Vermögen der Großfamilie, Haus und Hof verlassen. Gemeinsam zogen die beiden in die Landeshauptstadt Saarbrücken. Dort erhofften sich Mutter und Tochter bessere Lebensbedingungen.

Freifrau Frederike Amalie von Dorsberg war zu dieser Zeit die offizielle Mätrese des Fürsten Ludwig von Nassau Saarbrücken. Sie hatte zwei uneheliche Kinder mit dem Fürsten. Die Freifrau stellte damals die erst 15-jährige Katharina als Kindermädchen und Kammerzofe ein. Katharina war damals sehr frisch, bescheiden und fleißig. Die Freifrau von Dorsberg wollte die Zofe fördern und ihr eine Ausbildung geben. Auf Bitten der Fürstin Amalie von Dorsberg ließ Fürst Ludwig die gute Katharina in Metz zur Dame ausbilden. Der Fürst überzeugte sich selbst bei einer routinemäßigen Fahrt von den Fortschritten des Mädchens. In Paris und Nancy wurde Katharina schließlich zu einer vollendenden Dame ausgebildet. Ostern 1774 kehrte sie mit 16 Jahren zu ihrer Gönnerin und dem Fürsten nach Saarbrücken zurück und wurde zur neuen Mätresse des Fürsten. Am 1. September 1774 schloss Ludwig, der seit 1766 verheiratet war und zudem zwei uneheliche Kinder mit Frederike Amalie von Dorsberg hatte, mit Katharina eine morganatische Ehe („Ehe zur linken Hand“). Katharina bekam den Titel Freifrau von Ludwigsberg verliehen. Im Jahre 1775 reiste der Fürst mit Frau Dorsberg und Katharina zu einem Jagdschloss nach Jägersfreude. Dort kam es zu einem Eklat, der in Adelskreisen zu einem echten Skandal aufgeputscht wurde. Der Fürst machte Katharina den Hof. Dies ließ sich Freifrau von Dorsberg nicht gefallen und zog ihre Konsequenzen. Bald darauf gingen die Freifrau und der Fürst getrennte Wege.

Aus Ludwig und Katharina wurde nun ganz offiziell ein Paar. Zuvor rang Katharina der Fürst jedoch das Versprechen ab, dass ihre Verbindung für immer halten sollte und ohne Schande für Sie über die Bühne ging. Der Fürst war erstaunt über dieser naiven Freimut, küsste sie und streifte ihr einen Goldreif über den Finger. Katharina trennte sich nie mehr von diesem Ring und trug diesen bis zu ihrem Tod an ihrem Finger. Obwohl der Fürst immer noch offiziell mit Wilhelmine von Schwarzenburg -Rudolstadt verheiratet war und mit ihr auch einen gemeinsamen Sohn hatte, legte der Fürst sein Hauptaugenmerk auf Katharina. Der Fürst liebte seine Katharina, und sie liebte ihn. Davon geben Dutzende Briefe, sicher in den Archiven verwahrt, und zahlreiche Erzählungen von Zeitgenossen Zeugnis. Jedoch vor allem bei der Geistlichkeit stieß diese Verbindung auf großen Widerstand. Die Fürstin lebte noch und war äußerst beliebt beim Volk. Thomas Baltasar Rollé, fürstlicher Hofprediger, berichtete von einem typischen Vorfall. Katharina besuchte die Schlosskirche an einem Sonntag und setzte sich in den Kirchenstuhl der Fürstin. Rollé war empört und rief ihr zu: „Hure, weiche deiner Fürstin!“ Katharina eilte sofort zum Fürsten und forderte Rache. Der befahl den Pastor zu sich und legte seine Waffen bereit, um ihn zu erschießen. Die Freunde baten Rollé händeringend, der Aufforderung nicht nachzukommen und erst einmal abzuwarten, bis der schlimmste Zorn verraucht wäre. Aber der ging zu seinem Fürsten mit der Bibel unterm Arm: „Ich bin gerufen, ich werde gehen“. Vor dem Fürsten öffnete er die Bibel mit den Worten: „Hier steht es geschrieben, Teufel kratz es aus!“ Ludwig imponierte diese Haltung. Er ließ die Waffen unberührt und lud den Prediger an seine Tafel.

Der Fürst erreichte beim Kaiser, dass Katharina im Jahre 1783 in den Stand einer Reichsgräfin von Ottweiler erhoben wurde. Im Jahre 1784 wurde Katharina zur Reichsgräfin von Ottweiler erkoren und 1789 zur Herzogin von Dillingen benannt.

Nachdem Fürstin Wilhelmine 1780 verstarb, durften Ludwig und Katharina endlich heiraten. Am 28 Januar 1787 schlossen die beiden ihre Ehe. Wenige Tage später wurde Katharina zur Fürstin von Nassau Saarbrücken berufen. Im Jahre 1789 wurde Adolf, das einzige eheliche geborene ihrer insgesamt sieben Kinder geboren. Als 1793 die französische Revolution das Saarland erreichte floh die fürstliche Familie nach Mannheim und später nach Aschaffenburg. Im Jahre 1794 starb Fürst Ludwig. Katharina kehrte nach Mannheim zurück und verstarb am 11. Dezember 1829. Tragischerweise starben mit Ausnahme von Tochter Luise alle ihre Kinder vor der Gräfin.

Bis heute wird das Andenken der Gräfin von Ottweiler gepflegt und als touristische Attraktion vermarktet. Das „Gänsegretel“ hat einen hohen Stellenwert in unserem beschaulichen Ländchen. Dabei sollte bei allem Respekt niemals vergessen werden, dass das „Gänsegretel“ echtes „Derminga“ Blut in sich trug.  

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