Der Herbst – Wenn die Natur eine Seite im Buch des Lebens umblättert – Ein Blick zurück kann nicht schaden !

Der Morgen ist nebelverhangen, die Tage kürzer und die Nächte kälter. Der Herbst zieht über das Land. Kraniche ziehen in ihre Winterquartiere. Der Herbst wirkt Melancholisch und steht sinnbildlich für den Abschied. Der Sommer ist Geschichte und die Blätter fallen von den Bäumen. Jede Jahreszeit hat etwas wunderbares, einzigartiges und faszinierendes. Die Natur zeigt sich in ihrer Farben- und Genussvielfalt: Wein, Viez, Apfelmuss, Marmelade, Gemüse- und Fruchternte und auch „Laxem“. Der Herbst lädt uns dazu ein, an alte Bräuche und Traditionen anzuknüpfen. Wisst ihr noch, könnt ihr euch erinnern ? „Rommelbootzeschnitze“, Kastanien sammeln, Stockbrot machen, Drachen steigen lassen, Obst einmachen und „Siessschmeer“ oder Laxem kochen. Gut so, in den letzten Jahren rücken diese alte Traditionen und Sitten wieder mehr in den Mittelpunkt. Viele dieser alten Bräuche sind im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten. Schön, dass wieder immer mehr Familien und Kinder Interesse an den alten Brauchtümern finden.

Für meine Oma waren diese Bräuche eine Selbstverständlich und Teil ihres Lebens. Ich erinnere mich noch gut an meine Kinderzeit. Das ist zugegebenermaßen eine Ecke her und seitdem hat sich so einiges verändert. Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich noch heute meine Oma auf einem alten Holzstuhl in unserem Garten sitzen. Zwischen den Beinen auf dem Boden steht ein Eimer. In der Hand hat Sie ein kleines Messer, ein „Kneipsche“ und schält in sekundenschnelle eine Kartoffel. Meistens war Sie im Herbst den ganzen Tag damit beschäftigt Obst oder Kartoffeln zu schälen, Marmelade (Siess) zu kochen oder Obst einzumachen. In unserem Garten gab es damals so einiges zu ernten. Erdbeeren, Salat, Gurken, Tomaten und auch Bohnen. Wenn der Herbst kam, musste alles verarbeitet oder eingemacht werden. Meine Mutter und meine Oma waren meistens eine ganze Woche damit beschäftigt. Während der Arbeit erzählte meine Oma von Früher. Gebannt hörte ich ihr zu und lauschte die alten Geschichten. Wenn ich meine Augen schließe, kann ich noch heute ihre Stimme hören. Am 30. September wäre meine Oma 110 Jahre alt geworden. Die Jahre vergehen und mittlerweile bin ich selbst Opa geworden. Alt zu werden ist mühselig, erfüllend und schön. Mit dem Alter wächst auch eine gewisse Verantwortung: Nimmt es mit und gebt es weiter ! Erzählt ihnen von dieser Welt und vergesst niemals wo ihr herkommt. Legt euren Dialekt, den Brauchtum und die Sitten in die Hände eurer Kinder.

Kindheitserinnerungen: Nach der Schule ging es los. Mit den Kindern aus unserer Straße hinauf zur „Leh“, dem Wald unserer Kindheit. Wir sammelten Kastanien und stahlen dem Bauer ein paar “Rommele” (Futterrüben). Die schönste aller „Rommelbootze“ musste es sein. Früher gab es in unserem Dorf noch viele Bauern die Futterrüben anpflanzten. Die Futterrüben wurden damals eigens für das Vieh angebaut. Irgendwann wurde dieser Anbau überflüssig und die Landwirtschaft konzentrierte sich auf den Maisanbau. Wenn der Herbst kam, wimmelte es im Dorf nur so von Traktoren. Die „Rommelbootze“ wurden in der Regel abends zuhause geschnitzt. Anschließend wurden die Teile ans Fenster oder vor die Haustür gestellt. Das Wort “Rommelbootze” stammt aus dem saarländischen wobei das Wörtchen im moselfränkischen anders ausgesprochen wird als bei uns im rheinfränkischen. Es bedeutet in hochdeutscher Übersetzung ungefähr so viel wie „Rübengeist”. Eine Rommelbootze ist eine ausgehöhlte Futterrübe mit einer eingeschnitzten furchterregenden Fratze. Damit das Ganze im Dunklen gruselig ausschaut, steckte man noch eine Kerze oder eine Glühlampe hinein. Das Ganze erinnert irgendwie schon ganz stark an das heutige Halloween, orra?

Eingebettet und beseelt von diesen alten Traditionen erlebten wir eine unbefangene Kinderzeit. Vieles spielte sich auf der „Leh“, dem Wald oberhalb unserer Straße ab. Wir ließen Drachen steigen, und brachten „Rommele“ zum Schnitzen und Kastanien zum Basteln mit nachhause. Auf dem Nachhauseweg vermischte sich der Geruch der Biermaische unserer Brauerei mit dem Geruch von Äpfeln oder gekochtem Laxem. Dazwischen gab es noch eine Prise Kuhmist. Wie ich das vermisse! Ja, ich liebte den Gestank von Kuhmist! Irgendwie hat Kuhmist bis heute etwas „Hämisches“ für mich. Komisch, seltsam, aber wahr ! Warmer Kakao, selbstgemachtes noch warmes Brot mit Laxem und Eimer voller Äpfel, Birnen, Quetschen und Mirabellen. “Sellemols” gab es noch Obst. Jeder Bauer hatte irgendwo eine Obstbaumwiese mit tonnenweise Kernobst stehen. Heute unvorstellbar, orra? Vor einigen Jahren habe ich damit begonnen mit den Kindern aus unserem Dorf “Rommelbootze” zu schnitzen. Dabei war es zunächst gar nicht so einfach genügend “Rommele” zu bekommen. Welcher Bauer sät heute noch Futterrüben an? Die uralte Tradition des „Rommelbootzeschnitze“ hat ihren Ursprung aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Man erzählt sich, dass damals die Kinder Futterrüben von den Feldern stahlen, um in der Not wenigstens eine Rübensuppe essen zu können. Aus den ausgehöhlten Rüben bastelten die Kinder dann Laternen, mit denen sie von Haus zu Haus zogen und um Essen bettelten. Obwohl die ganze Geschichte schon sehr an das heutige “Halloween” erinnert, hat es am Ende doch wenig damit zu tun. Tatsächlich hat sich im Laufe der Jahre ein Wandel vollzog. Halloween kam in den 1990-er Jahren über den Ozean zu uns hinüber und schrieb sofort eine eigene Erfolgsgeschichte. Gruseln, Spukgeschichten und Süßigkeiten sammeln faszinierten die Kinder. Partys wurden organisiert und Kostüme angezogen. Noch heute betrachtet die katholische Kirche auf der Insel den Abend vor Allerheiligen als “All Hallows Eve”, als den Abend vor Allerheiligen am 1. November. Wir evangelische Christen hingegen erinnern am 31. Oktober an den Reformationstag. Am Ende ist es heutzutage eine Geschmacksache. Ein jeder wie er will ! Auf der anderen Seite ist es wieder mal typisch Deutsch. Wir vergessen unsere eigene Kultur, verdrängen unsere Bräuche und unseren Glauben und zeigen dann enttäuscht und wütend mit dem Finger auf alles Fremde. Traditionen muss man Leben, weitergeben und pflegen. Das ist eine Aufgabe und sollte am Ende zu einer gewissen Verpflichtung werden. Meine Oma dachte nicht darüber nach irgendetwas weiterzugeben. Es ist, wie es ist und so war es immer. Wenn man lebt, muss man an irgendetwas glauben. Wenn man den Glauben verliert wird man schnell des Lebens müde.

Und heute ? Nein es ist nicht alles schlecht ! Im Gegenteil: Wir haben alle Chancen und alle Zeit uns das Leben schön zu machen. Dabei kann ein Blick auf die eigene Geschichte nicht schaden. Nehmt es mit und macht euer Ding daraus ! Der Herbst kann so schön sein. Der Sommer ist vorbei und es ist schön von der Kälte in die warme Stube zu kommen. Rote Wangen, kalte Nase, die “Fregg” und einen schönen Abend eingekuschelt in eine Decke bei einem heißen Tee oder einem Rotwein. Dazu kann man sich mal wieder eine Kerze anzünden oder ein Buch lesen. Kennt ihr das Rascheln von Herbstlaub? Habt ihr schonmal das Laub von den Blättern fallen gehört. Stille, Entspannung und innere Einkehr. Das alles bringt der Herbst mit sich !

Auch das Essen verändert sich. Von der leichten Sommerküche gehen wir über in das deftige vielleicht auch etwas ungesündere Essen.  Kürbissuppe, Zwiebelkuchen, Aufläufe, mehr Fleisch und Braten. Die Gemütlichkeit zieht in unser Leben und bis Weihnachten ist es nicht mehr lange hin. Der Wind wird stärker, Stürme ziehen auf und der Regen zieht über das Land. Abends wird es früher dunkel, die Sonne ist nur selten vor 09:00 Uhr zu sehen. Unser Schlafrhythmus rehabilitiert sich und die Nächte werden erholsamer. Es ist die Zeit der Weinernte und die Zeit von Federweißer und Flammkuchen. Der Herbst kann so schön sein ! Wir müssen in nur annehmen und in unser Leben lassen. Vielleicht bietet uns dieser Herbst mal wieder die Zeit zur inneren Einkehr und zum Umdenken. Immerhin ist schon bald Weihnachten und Spekulatius und Lebkuchen steht schon seit September in den Regalen der Einkaufsmärkte. Wir sollten versuchen im Herbst eine gewissen Aufbruchstimmung zu finden.Ich persönlich bin gerade damit beschäftigt das “loslassen” zu lernen. Loslassen können, kann sehr befreiend sein. Ja, dass alte neigt sich dem Ende zu und die Welt ist im Wandel. Das muss aber nicht schlecht sein ! Meine Oma sagte immer: Es ist nichts so schlecht, als dass es nicht für irgendwas gut wäre!

Übrigens: Am Freitag,18. Oktober 2024 ist es wieder soweit ! Um 16:00 Uhr werden wir mit den Kindern unseres Dorfes wieder “Rommele” schnitzen. Wenn ihr die Voranmeldung verpasst habt, ist das nicht ganz so schlimm. Wir haben immer noch die ein oder andere “Rommel” übrig. Bitte bringt etwas Werkzeug wie Messer und Löffel zum Schnitzen mit. Für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt!

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