Erinnerungen an die „Schöne Aussicht“ sollten uns eine Mahnung sein !

Die meisten Einheimischen verbinden mit der Schutzhütte „Schöne Aussicht“, im Naherholungsgebiet Steinrausche, viele gute und schöne Erinnerungen. Die Schutzhütte am Waldesrand stand wie kaum ein anderes Objekt für Teilhabe und Ehrenamt. Die Hütte wurde ehrenamtlich erbaut, gepflegt und betrieben. Als das ehrenamtliche Engagement schließlich nachließ war es um die schmucke Hütte geschehen. Im Jahre 2020 musste die kleine, schöne, idyllische Schutzhütte von der Gemeinde abgerissen, eingeebnet und entfernt werden. Als Ortsvorsteher war die Zustimmung zu diesem Verfahren praktisch eine meiner ersten Amtshandlungen. Leider blieb mir nach der Anfrage der Gemeindespitze keine Wahl als dem Abriss der legendären Schutzhütte zuzustimmen. Durch das morsche, brüchige Holz war die Hütte an vielen Stellen völlig haltlos. In diesem Zustand konnte die „Schöne Ausschicht“ keinem Wanderer oder Spaziergänger eine echte Freude bereiten. Vielmehr drohte die Hütte am Ende einzustürzen. Von der Idee die Hütte zu reparieren oder zu sanieren, mussten wir damals schnell Abstand nehmen. Es war einfach nichts mehr zu machen! Schweren Herzens mussten wir uns also von der „Schönen Aussicht“ verabschieden.
Am Ende erinnerte nur noch der Name „Schöne Aussicht“ an ihren eigentlichen Sinn. Von einer „schönen Aussicht“ konnte am Schluss kaum noch eine Rede sein. Bäume, Hecken und Wildwuchs verhinderten den ehemals freien und schönen Blick über das Dirminger Tal. Beim Abbruch der Schutzhütte blieb kein Auge trocken. In nur wenigen Minuten wurde die Hütte dem Erdboden gleichgemacht. Heute erinnert nur noch eine flache, bewachsene Fläche an die „Schöne Aussicht“. Es wird noch wenige Jahre dauern bis nichts mehr an die Hütte und ihren Standort erinnert. Die Natur erobert gewinnt wieder die Oberhand und nimmt sich zurück, was ihr gehört.


Die Zeit der Schutzhütten oder Waldhäuschen geht zu Ende. Schutzhütten dienten in unbebautem Gebiet und im Wald dem Schutz vor Unwetter und starkem Schneefall. Dabei konnten Schutzhütten bewirtschaftet oder unbewirtschaftet betrieben werden. Sie waren ein Ort der Erholung, des Austauschs und des Schutzes. Im Saarland wurden solche Hütten, genau wie in Dirmingen, überwiegend ehrenamtlich betrieben. Wenn das Interesse der Ehrenämtler oder der Wanderer und Spaziergänger nachließ, bedeutete das in der Regel das Ende der Hütte. Während die Schutzhütten in den Alpen einen hohen Stellenwert genossen und oftmals sogar das Überleben der Alpinisten sicherten, förderten die Schutzhütten in unseren eher ruhigen Gegenden den sanften Tourismus. Schutzhütten, wie in Dirmingen dienten überwiegend dem gesellschaftlichen Aspekt. Viele Dirmingerinnen und Dirminger nutzen die Hütte zu gemeinschaftlichem Austausch, der Erholung oder der Dorfgemeinschaftspflege.

Im Jahre 1983 entstand die Idee auf dem Dirminger Hundsberg, unmittelbar neben dem Denkmal, eine Schutzhütte zu errichten. Die Dirminger Fritz Fell und Horst Schäfer gehörten zu den Männern der ersten Stunde. Gemeinsam mit einigen Weggefährten übernahmen sie Verantwortung für den Bau der Schutzhütte. Leider ist es mir nicht gelungen alle Namen der engagierten Männer zusammenzukratzen. Der zuständige Förster des Waldgebietes rund um die „Steenrutsch“ stellte dem motivierten Männerkreis das Holz für den Hüttenbau zur Verfügung. Das Holz wurde in einem Sägewerk in Freisen zurechtgeschnitten und zubereitet. Im Laufe der Zeit bereitete die schöne Hütte vielen Menschen eine große Freude. Durch die „Schöne Aussicht“ wurde die Fläche zwischen dem Denkmal und dem Waldparkplatz massiv aufgewertet. Inspiriert von der „Schönen Aussicht“ entstanden viele weitere Ideen zur Aufwertung des Areals. So entstand unter anderem auch „Klein-Finkenrech“ oder eine weitere kleine Erholungshütte in der Nähe der Parkfläche.


Die Schutzhütte „Schöne Aussicht“ wurde damals feierlich eingeweiht. Zu einer eigens eingerichteten Feierstunde kamen zahlreichen Gäste aus der Kommunalpolitik, der Gemeindeverwaltung und der Bevölkerung. Damals wurde der hohe Stellenwert der Naherholung unterstrichen. Wenn man heute durch das Naherholungsgebiet Steinrausche wandert, bekommt man Tränen in die Augen. Der Borkenkäfer hat den Wald stark beschädigt. Nichts lädt mehr zum Verweilen oder Ausruhen ein. Der Waldparkplatz an dem sich einst die „Schöne Aussicht“ befindet sich ebenso in einem mäßigen Zustand. Auch das Umfeld rund um das historische Denkmal weckt eine gewisse Traurigkeit. Wie immer fehlt es an Geld, Innovation, Ehrenamt und Einfallsreichtum. Wir alle zeigen mit dem Finger auf den Missstand und finden nicht die Kraft eine Veränderung herbeizuführen.

Der rührige Dirminger Franz Masella kümmerte sich jahrelang ehrenamtlich um die Schutzhütte. In liebevoller Kleinarbeit pflegte der Rentner das Bauwerk und wertete das Kleinod Stück für Stück weiter auf. Täglich kehrten Wanderer und Spaziergänger an der „Schönen Aussicht“ ein und genossen in lustiger Runde das ein oder andere „Schäfer Bier“. Mit der Zeit kamen immer mehr Leute aus dem Dorf einfach so zur „Schönen Aussicht“ um dort ihre Freizeit zu genießen. Man saß zusammen am Tisch, trank ein paar Bier, Wein oder einfach nur Wasser und ließ den Alltag Revue passieren. Die „Schöne Aussicht“ wurde zu einem kommunikativen Ort, an dem die Menschen sich trafen und austauschten. In der Hütte befanden sich zahlreiche Wanderteller, Urkunden, Bilder, Kupferstiche und viele lustige Aufkleber. Vor der Hütte wurde im Laufe der Jahre neue Sitzgelegenheiten aufgestellt. Der Beliebtheitsgrad der „Schönen Aussicht“ wuchs stetig und man war ständig bemüht neue Idee rund um das Anwesen zu knüpfen. Dazu gehörten „Dämmerschoppen“, „Frühschoppen“ oder einfach nur Kaffee und Kuchen- Nachmittage.


Nachdem Franz Masella verstarb, ging es mit der Hütte rapide bergab. Ein Nachfolger wurde leider nicht gefunden. Den Namen „Schönen Aussicht“ hatte die kultige Hütte zu diesem Zeitpunkt längst verloren. Im Zuge eines Waldfests wurde das Areal noch einmal aufwendig hergerichtet und aufgewertet. Leider konnte dieser Zustand nicht lange gehalten werden. Das Naherholungsgebiet „Steenrutsch“ muss wieder aufgewertet werden. Wir alle müssen uns wieder mehr sensibilisieren und aufhören mit dem Finger auf andere zu zeigen. So wie es ist, kann es nicht bleiben! Wir brauchen dringend Innovation, Glück und Geld. Die Gemeindeverwaltung wird diese Aufgabe nicht allein bewältigen können. Letztens kam die Frage auf, warum wir nicht einfach eine neue Schutzhütte an Ort und Stelle bauen. Ein Neubau macht nur dann Sinn, wenn man wieder das alte Flair und die ursprünglichen Voraussetzungen schafft. Dabei spielt auch das Ehrenamt eine gewichtige Rolle. Grundsätzlich sollten wir mit der Zeit gehen. Ist eine solche Schutzhütte noch zeitgemäß? Wir brauchen Innovation und den Mut neue Wege zu gehen.
Mit dem Naturdenkmal „Steenrutsch“, einem uralten Konglomerat, verfügt Dirmingen inmitten des Waldes über eine wunderschöne Sehenswürdigkeit. Wenn wir unser Naturdenkmal in den Blickpunkt des sanften Tourismus stellen möchten, müssen wir den Leuten auch zeigen, wie sie dort hingelangen. Außerdem müssen wir den Wanderweg zur „Steenrutsch“ herrichten und begehbar machen. Wie gehen wir also mit dem in die Jahre gekommenen Kulturgut um? Guter Rat ist teuer! Wir müssen unsere Kräfte bündeln und das Thema entschlossen angehen. Wenn nicht wir, wer sonst?! Es reicht nicht aus, dass Übel beim Namen zu nennen. Hier müssen Gemeindeverwaltung, Landkreis, Forst, Land und Ehrenamt enger zusammenrutschen. Wir leben auf einem wunderschönen Fleckchen Erde. Wir müssen uns kümmern und zumindest versuchen es besser zu machen. Das ist nicht die Zeit um die Hände entspannt in den Schoss zu legen.

Vieles liegt im Naherholungsgebiet „Steinrausche“ im Argen: Hunderte Bäume mussten gerodet werden, der Waldparkplatz ist hinüber, Klein-Finkenrech existiert nicht mehr, das Kriegsdenkmal ist in einem katastrophalen Zustand und die Wassertretanlage lädt längst nicht mehr zur Erholung ein. Auch die Naherholung muss der heutigen Zeit angepasst werden. Wir sind gut beraten, wenn wir alles hinterfragen. Nicht alles ergibt einen Sinn und vieles muss erneuert oder neu gedacht werden. Vieles ist längst nicht mehr zeitgemäß und liegt auch nicht mehr im Trend. Auf der anderen Seite lohnt es sich laut nachzudenken, um die Sanierung und Aufwertung des Naherholungsgebietes voranzutreiben. Nichts kommt von selbst!
Dirmingen ist schön! Um den Status-Quo zu erhalten müssen wir aufstehen, anpacken und es besser machen. „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“ Willy Brandt, 15. September 1992