#WeRemember – 75. Jahre nach Ausschwitz- Judenverfolgung auch bei uns Dehemm

„……Und viele sagen immer noch, So schlimm ist das doch wirklich nicht, Es ist doch hier weit und breit, Kein neues Drittes Reich in Sicht…“

Liedtext: Sie brauchen keinen Führer – Udo Lindenberg

Am 27. Januar 1945 wurde das deutsche Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit. Seitdem steht der Name Auschwitz als Synonym für den Holocaust. Der Mord an rund sechs Millionen Juden hängt bis heute wie eine dunkle schwere Wolke über unserem Land. Letztendlich ging das KZ Auschwitz-Birkenau als das bekannteste und schrecklichste deutsche Vernichtungslager in die Geschichtsbücher ein. Mit einer Kapazität von bis zu 200.000 Gefangenen diente es alleine der Tötung von Menschen. Neben Juden wurden auch Sinti und Roma, Kranke und Behinderte Menschen deportiert, gequält und getötet. In den insgesamt sieben Gaskammern wurden Schätzungen zufolge 1,1 Millionen Menschen ermordet. Darunter waren mehr als 900 000 Juden aus ganz Europa.

In Erinnerung an dieses schreckliche Verbrechen an der Menschheit habe ich mich einmal intensiv mit der Judenverfolgung in unserer Heimat beschäftigt. Wie war das damals in unserem schönen Illtal? War das alles weit weg von uns und wussten unsere Leute wirklich nicht was in den vielen Konzentrationslagern geschah? Möglicherweise lebten zur Zeit des Nationalismus auch in Dirmingen Juden. Im Saarbrücker Staatsarchiv fand ich jedoch keine Hinweise darauf, dass in unserem Dorf Juden deportiert wurden. Nachweislich wurden jedoch auch bei uns politisch Verfolgte verhaftet, in ein KZ gesteckt oder hingerichtet.

In Illingen bestand bis zum Jahre 1940 eine jüdische Gemeinde. Wahrscheinlich wurde diese Gemeinde in die Zeit des 18. Jahrhunderts gegründet. Im Jahre 1763 lebten ca. neun jüdische Familien in unserem schönen Illtal. Darunter nachweislich in Illingen, Wemmetsweiler und Eppelborn. Mit seiner Darstellung „Tempo, Tempo! Raus, nach Palästina! – Antisemitismus in der Bürgermeisterei Eppelborn“ verfasste der Heimatforscher Hans Günther Maas einen lesenswerten Bericht. Darin werden die Anfeindungen gegen die jüdischen Familie von Viktor Gottschalk und der Familie von Silbermann/Theis verdeutlicht. Zu lesen sind auch die Bemühungen und das Scheitern dieser Familien, sich in das dörfliche Leben einzugliedern. Es gab also auch in unserer Gegend jüdische Familien die verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Ich denke wir dürfen nie aufhören unseren Kindern zu erzählen, was damals geschehen ist.

„….Und viele sagen immer noch: Das wird sich niemals wiederholen! Aber seht ihr denn nicht an den Häuserwänden Dieselben alten neuen Parolen?“

Liedtext: Sie brauchen keinen Führer – Udo Lindenberg

Der im Jahre 1895 gebildete Synagogenbezirk Illingen umfasste alle in Illingen, Gennweiler, Merchweiler, Quierschied und Heiligenwald lebenden jüdischen Personen. Die Gemeinde war im Besitz einer jüdischen Volksschule und hatte zeitweise einen eigenen Rabbiner. Die Juden in Illingen und Umgebung hatten viel für die Entwicklung und die Infrastruktur in unserer Heimat geleistet. Heute erinnert sich kaum noch jemand an die jüdischen Familien die in unserer Heimat lebten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten die jüdischen Familien vor allem vom Vieh-, Lumpen- und Warenhandel. Die Juden waren immer schon gute Händler und fleißige Arbeiter. Schürte genau dies den Hass und die Abneigung in der Bevölkerung? In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden von vielen jüdischen Kaufleuten zahlreiche Gewerbe eröffnet und betrieben. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Illingen und Umgebung über 200 jüdische Einwohner gezählt. Die jüdischen Mitbürger versuchten sich auch während des Nationalismus zu integrieren. Zahlreiche jüdische Mitbürger waren Mitglied in Sportvereinen, kulturellen Vereinen oder kämpften im ersten Weltkrieg für ihr deutsches Vaterland.

Während meiner Recherchen zu diesem Thema wurde mir erzählt, dass es in Dirmingen in den 1920-ger Jahren jüdische Kaufleute gegeben hatte. Vermutlich gehörte auch diese Familie zur jüdischen Gemeinde Illingen. Das Schicksal dieser Familie ist mir nicht bekannt. Im Jahre 1933 lebten noch 107 jüdische Menschen in Illingen. Bereits kurz nach der Angliederung des Saarlandes an das Deutsche Reich im Jahre 1935, entschlossen sich viele der jüdischen Einwohner zur Auswanderung. Beim Novemberpogrom 1938 kam es auch in Illingen zu schweren Ausschreitungen und Misshandlungen von jüdischen Einwohnern. Am 22. Oktober 1940 wurden die noch verbliebenen 19 jüdischen Einwohner nach Gurs deportiert. Die meisten saarländischen Juden wurden in das französische Lager „Camp de Gurs“ deportiert.

Nein es war nicht weit weg, es war hier! Genau hier in unserer Heimat. Antisemitismus ist heute so aktuell wie schon lange nicht mehr!

Im Jahre 1747 wurde in Illingen ein jüdischer Friedhof angelegt. Bis 1831 wurden hier auch die Toten der jüdischen Gemeinden Neunkirchen und Ottweiler beigesetzt. Während der NS-Zeit wurde der Friedhof im Jahre 1938 zerstört. Im Jahre 1949 wurde er weitgehend wieder hergerichtet wobei etwa 180 intakte Grabsteine erhalten blieben. Im gleichen Jahr wurde ein Mahnmal mit folgender Inschrift errichtet: „Die Synagogengemeinde Illingen, ihrem zerstörten Gotteshaus, ihren Toten und Opfern der Gewalt zur ehrenden Erinnerung! Errichtet von Zivilgemeinde Illingen – Synagogengemeinde Saar 1949“.  

Einer Studie zufolge hat sich nur jeder zweite Deutsche mindestens einmal in einem ehemaligen KZ ein Bild von den Gräueltaten der Nazis gemacht. In letzter Zeit gibt es vermehrt Forderungen nach Pflichtbesuchen von Schülern in Gedenkstätten. Ich habe gelesen, dass gerade junge Leute das gut fänden. Ich persönlich habe hingegen so mein Problem mit Zwang und Pflicht. Ich denke es muss von jedem selbst kommen. Aufrichtiges Bedauern und Mitgefühl kann man nicht erzwingen. Aufklärung wäre viel wichtiger! Ob man für diese Aufklärung ein KZ-Besuch erzwingen muss? Keine Ahnung.

Vor 75 Jahren am 27. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz von sowjetischen Soldaten befreit. Gerade in den letzten Jahren und Monaten hört man immer wieder von Schändungen der jüdischen Friedhöfe. Das Ganze bereitet mir echte Sorgen. Antisemitismus in unserer Heimat, kann das sein? Haben wir nun aus unserer Geschichte gelernt oder steuern wir erneut einer Katastrophe entgegen? Wir sollten uns besinnen und den Zeitgeist wahrnehmen. Zu glauben, dass wir mit der Nazi-Zeit nichts mehr zu tun haben wäre ein fataler Irrtum. Wir sind in der Verantwortung, die Erinnerung an die grausamen Verbrechen der Nazis wachzuhalten und allen rechten Bewegungen entgegenzutreten und zu verhindern, dass sich dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte wiederholt. Für mich steht eines klar fest: Nie wieder Antisemitismus!

“Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.”

Max Mannheimer, Holocaust-Überlebender
Quelle: Gemeinde Illingen

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