Straßenfastnacht ist die ehrlichste Form des Karnevals

Millionen Menschen feierten auch in diesem Jahr ausgelassen die närrische fünfte Jahreszeit. Natürlich wurde auch im Saarland, in der Tradition des rheinischen Karnevals, gefeiert. Am Rosenmontag erreichte, mit der Straßenfastnacht, die wohl ehrlichste Form des Karnevals die Menschen in den Dörfern und Städten. Dabei wird der Karneval nicht überall gleich gefeiert. In Baden-Württemberg beispielsweise wird die alemannische Fasnacht gefeiert. Diese Form des Karnevals findet ihren Ursprung im Mittelalter.  

In Saarwellingen feiert man den Karneval in einer der alemannischen Tradition verwandten Form. Obwohl die Fastnacht in Saarwellingen grundsätzlich in der rheinischen Fastnachtskultur stattfindet, wird das närrische Treiben am „Fetten Donnerstag“ mit dem „Greesetag“ begonnen. Die „Faasebooze“ tragen an diesem Tag die Kleidung ihrer Großmütter. Das saarländische Wörtchen “Greese“ leitet sich von Greisin ab. Der Ursprung dieses Brauchtums ist nicht ganz geklärt wobei diese Form bereits im Jahre 1624 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Die „Greese-Fasend“ ähnelt stark dem alemannischen Brauchtum und verkörpert gleichzeitig die bekannte Altweiberfastnacht. Vermutlich stammt der Begriff „Greese“ aus dem 16. Jahrhundert. Damals war Saarwellingen das letzte Dorf des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ an der Grenze zum Königreich Frankreich. Die angrenzenden Wälder wurden massiv für Schmuggelgeschäfte genutzt. Damit die Schmuggler nicht von den französischen und reichsdeutschen Zöllnern erwischt wurden, verkleideten sie sich oft als alte Frauen, oder, wie es in der Saarwellinger Mundart heißt: als „Greesen“.

In Dirmingen hingegen wird traditionell der rheinische Karneval zelebriert. Pünktlich zum Straßenfastnacht läuft auch unser KKV „die Faasebooze“ Dirmingen zu Hochform auf. Immerhin beteiligt sich unser KKV an vier närrischen Lindwürmern in unserer Region. Neben dem umgekehrten Rathaussturm in Eppelborn, konnte man die „Derminga Faasebooze“ auf dem Nachtumzug in Macherbach und den „Fastnachtsumzügen“ in Berschweiler und Bubach-Calmesweiler sehen. Wie bereits erwähnt, ich glaube die Straßenfastnacht ist die ehrlichste Form des Karnevals. Die „Faasend“ erreicht endlich den „kleinen Mann“ und gibt diesem dem Raum mitzumachen und mitzufeiern. Jeder „Jeck“ ist anders und kann auf seine ureigene Art und Weise mitfeiern. Nicht jeder hat das Talent sich auf einer Kappensitzung mit einer Büttenrede oder einem Tanz zu präsentieren. Außerdem hat auch nicht jeder das Geld sich eine Eintrittskarte für die großen Prunksitzungen unseres Landes zu kaufen. Zur Straßenfastnacht sind wir alle gleich. Gemäß dem rheinischen Karneval wird auf die deutschen Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wert gelegt. Ehrlich gesagt ist mir das etwas zu altbacken und vielleicht auch etwas zu spießig. Nichts desto trotz spiegeln diese Grundwerte jedoch den karnevalistischen Charakter wider. Zur Fastnacht sind wir alle gleich und die Macht liegt in den Händen des närrischen Volkes.

Die zwei größten Fastnachtsumzüge des Saarlandes finden in Saarbrücken-Burbach mit mehr als 200.000 Besuchern und in Neunkirchen mit mehr als 100.000 Besuchern statt. Warum feiern wir eigentlich Karneval und wo genau liegt der Ursprung dieses uralten Brauchtums? Schon die alten Germanen trugen Masken und Tierfelle, um mit viel Mummenschanz die bösen Geisterwesen zu vertreiben und die guten Geister zu erwecken, damit sie den Frühling bringen. Streng genommen war die Fastnacht früher ein christliches Fest. Für die katholischen Christen ist der Karneval bis heute das Symbol für den Beginn der 40-tägigen Fastenzeit vor dem Osterfest. Irgendwo darin liegt womöglich auch der Grund dafür, dass viele kirchliche Vereine, wie zum Beispiel unsere Kolpingfamilie das fastnächtliche Brauchtum pflegt. Heute wird das alles viel entspannter gesehen und längst feiern auch evangelische Christen gerne die Fastnacht.

Früher war in unserem streng katholischen Bundesland die Fastnacht die einzige Möglichkeit einmal ausgiebig zu feiern. Als Zeichen der Buße ließen sich die Katholiken dann am Aschermittwoch, in einer Messe, ein Aschenkreuz auf die Stirn zeichnen. Für mich persönlich war das früher immer sehr befremdlich. Als Kind konnte ich nicht verstehen warum meine katholischen Schulfreunde mit einem Aschenkreuz bemalt wurden. Damals fühlte ich mich ausgegrenzt und als Mensch zweiter Klasse. Ich konnte als Kind nicht verstehen was es mit dem Aschenkreuz auf sich hat und meine Eltern sahen auch nicht die Notwendigkeit mir diesen katholische Brauchtum zu erklären: „Mir senn evangelisch, mir mache so ebbes net“.

Bei der Straßenfastnacht wird gesungen, getanzt und gerufen. Unser „Derminga“ Narrenruf heißt nicht Helau oder Alaaf und auch nicht wie im Saarland üblich Alleh-hopp! Nein, wir haben in Dirmingen unseren eigenen Ausruf: Hoppla Hopp! Fastnacht verbindet und der eigene Ausruf kann schon viel über Herkunft und Tradition erklären. In Lebach ruft man „Da Je“, im Ommersheim „Sack zu“, in Dillingen-Diefflen „Nau je“ und im guten alten Herrensohr (Kaltnaggisch) „Gudd druff“. Der im Saarland allgemein bekannt Ausruf „Alleh hopp!“ leitet sich vom französischen Begriff „allez hop!“ ab und bedeutet so viel wie in etwa „los geht’s!“. Erinnert ihr Euch:

“S is Faasenaachd, ‘s is Faasenaachd, die Kischelcher genn gebagg ; eraus demedd, eraus demedd, ma schdesche se in de Sagg, unn wenn die Mame kään Kischelscher baggd, dann bloose ma eewe uff die Faasenaachd”.

Kinderlied -Heische-brauch

„Faasend“ hat immer etwas mit Heimat, Sprache und eigener Dorfkultur zu tun. Man kann es drehen und wenden wie man möchte, man kann aus seiner Haut nicht raus. Den Stallgeruch verliert man nicht und seine Herkunft wird man niemals leugnen können. Warum nicht die Gelegenheit nutzen und einfach stolz darauf zu sein. Naja, mit dem Heimatstolz ist das in der heutigen Zeit so eine Sache. Wobei ich nicht einsehe, dass ich mir das Wörtchen Heimat von einigen braunen Zeitgenossen wegnehmen lasse. Der Begriff Heimat darf niemals von einer Partei oder einer politischen Gesinnung vereinnahmt werden. Das Wort Heimat gehört uns allen und sollte von jedem einzelnen nach belieben genutzt werden dürfen. Gerade zur Straßenfastnacht sollten wir uns nicht schämen den Begriff Heimat zu verwenden. Niemand hat ein Patent darauf, und schon gar nicht die rechte Ecke.

Es hat etwas erhebendes an einem Fastnachtsumzug aktiv teilzunehmen. Man präsentiert seine Farben, seine Traditionen und irgendwie auch seine Heimat. Voran die Garde, dahinter der Elferrat und dazwischen Akteure und Organisatoren. Alle Zusammen feiern in ihrem ureigenen Brauchtum die Fastnacht. Die Straßenfastnacht steht für Ausgelassenheit, Gemeinsamkeit und Miteinander. Auch der Stolz spielt dabei eine gewichtige Rolle, wobei auch das Wörtchen Stolz mit Vorsicht zu genießen ist. Grundsätzlich sollten wir alle etwas lockerer mit den uralten Werten und Traditionen umgehen. Letztlich ist es immer das, was man daraus macht.

Schon in den frühen 1950-ger Jahre hat der Heimat- und Verkehrsverein Dirmingen versucht unseren dorfeigenen Fastnachtsbrauchtum aufzuwerten. Die Wahl eines Dirminger Prinzenpaares, ein bunter Fastnachtsumzug und eine große Verhaftungswelle am “Faasend-Dienstag” gehörten zu den närrischen Aktivitäten. Nebenbei wurde am sogenannten “Veilchen-Dienstag” ein Krammarkt durchgeführt. Woher der Name Veilchendienstag kommt, scheint nicht eindeutig geklärt. Es ist nahelegend, dass wie der Nelkensamstag, Tulpensonntag oder Orchideensonntag die floralen Namen so schön zum Rosenmontag passten. Nach anfänglichem Erfolg sank das Interesse der Bevölkerung an diesen närrischen Veranstaltungen. Die Aktivitäten wurden eingestellt und das Brauchtum kam zum Erlegen. Nachweislich wurde jedoch noch viel früher in Dirmingen Fastnacht gefeiert. Schon vor dem ersten Weltkrieg gab es in Dirmingen einen Fastnachtsumzug am Veilchendienstag. Im Jahre 1903 erschien ein sogenanntes „Liederbuch der Gesellschaft“, mit vielen närrischen Stimmungsliedern. Genau in diesem Jahr 1903 veranstaltete die Dirminger Fastnachtsgesellschaft “D’moss senn” ein großes Fastnachtswochenende mit diversen Bällen und großen Umzügen. Im Jahre 1905 stand das ganze Fastnachtswochenende unter dem Motto: ”Dirminger Faschingsfeier im Jahre des Humors 1905″. Die vorliegenden Quellen zu diesen Veranstaltungen sind zeitgleich die ältesten Nachweise auf karnevalistisches Treiben in unserem Dorf.

Im Jahre 1955 übernahm die Kolpingfamilie Dirmingen das Kommando. Bekanntlich begann alles mit einem bunten Maskenball im “Hesedenz-Saal”. Diese Veranstaltung war praktisch die Geburtsstunde der heutigen Kappensitzungen. Seit dieser Zeit schwingt die Kolpingfamilie das närrische Zepter in unserem Heimatort. Was wäre unsere „Faasend“ ohne die Aktivitäten des Kolping Karnevalsvereins Dirmingen? Heute bin ich sehr glücklich ein Teil dieses Vereins sein zu dürfen. Ich feiere gerne “Faasend” und freue mich jeden Winter auf diesen wunderbaren Brauchtum.

Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Was bleibt von dem närrischen Treiben? Am Ende war es für viele nicht mehr als ein schönes ausgelassenes Wochenende. Andere hingegen sehen in dem alten Fastnachtsbrauchtum die schönste Zeit des Jahres. Für manche Menschen jedoch spielt Fastnacht keine Rolle. Kein Problem, ein jeder nach seiner Façon. Wichtig ist jedoch, dass wir uns gegenseitig tolerieren. Nicht jeder kann ein „Faasebooz“ sein. Gegenseitiger Respekt spielt jedoch gerade im Karneval eine gewichtige Rolle. Man muss die Menschen nehmen wie sie sind, schließlich ist jeder Jeck anders ! Hoppla Hopp