Grenzkonflikte zwischen Dirmingen, Hierscheid und Humes
Unser Heimatort Dirmingen gehörte mehrere Jahrhunderten, in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken, zu einer Grenzregion. Während der Großteil unserer heutigen Heimatgemeinde zu Lothringen gehörte, war Dirmingen schon immer ein Teil der Grafschafft Nassau-Saarbrücken. Bei unserem Nachbarort Hierscheid hingegen wechselten im Laufe der Jahrhunderte öfter mal die Herrschaftsverhältnisse. Dies sorgte immer wieder zu Spannungen.
Noch heute zeugen die Grenzsteine zwischen Dirmingen und Humes, Eppelborn, Hierscheid oder auch Thalexweiler oder Sotzweiler von einer mit Spannung beladenen Zeit. Die sogenannte „Das-dat-Linie“, in der unser Heimatort liegt, erinnert noch heute an die ehemalige Grenzregion von Nassau Saarbrücken und Lothringen. Dabei gab es in unserer heutigen Gemeinde viele Jahrhunderte Spannungen zwischen den zu Nassau gehörenden Dirmingern und Hierscheidern und den zu den Lothringern gehörenden anderen Ortschaften wie Eppelborn, Wiesbach oder beispielsweise Humes. Während es zwischen Dirmingen und Berschweiler immer wieder Auseinandersetzungen wegen Weideland gab, konzentrierten sich die Konflikte zwischen den nassauischen und lothringischen Ortschaften verstärkt auf den Holzfrevel. Dabei gab es besonders zwischen Humes und Hierscheid viele Streitereien. Dirmingen spielte dabei aufgrund seines großen Waldgebietes, als direkter Nachbar beider Dörfer, eine große Rolle. Mitte des 18. Jahrhunderts gehörte Humes zu Lothringen und Hierscheid zu Nassau. Nachweislich waren es gerade die Lothringer die sich immer wieder der Teilfläche des Hierscheider Banns bemächtigten.
Im Jahre 1741 musste der Forstbeamte der Meierei Dirmingen Christoph Hammerer anzeigen dass der „Steinartzen Nickel von Humes nächst dem dreybännigen Stein welcher Hummeser, die Dirminger und die Hirschder Banne scheidet sich die sogenannten Dreyspitz auf dem Hirschder Bann widerrechtlich angemasset überackert und besamt hat„. Die Lothringer aus Humes schlugen trotz des Protestes der nassauischen Bewohner im Hierscheider Buchwald Holz und rodeten die Teilfläche des Waldes. In solchen Fällen ging es öfters extrem brutal zu Werke. Am 16.02.1741 spielte sich an der Hierscheider Banngrenze zu Dirmingen Folgendes ab:
Carl und Johannes aus Humes hatten am 16.02. 1741, in unredlicher Absicht, die Bannmeile im Hohlfelder Jungenwald bearbeitet. Bei ihrem Tun wurden die beiden vom Dirminger Förster Hammerer überrascht und zur Rede gestellt. Was dann geschah schildert der Forstbeamte Hammerer in seinem Bericht wie folgt:
„…..wie ich nun nahe bei Johannes gestanden und ihn pfänden wollte, gab dieser zwar gute Worte, aber der Carl, der auf dem Baum gesessen,stieg herunter und ihn Vermuths schlug er mir hinterhertragen, ich weiß nicht ob mit der Axt oder womit, auf mörderische Weise auf den Kopf. Desgleichen auch der Johannes da ich auf ersteren Streich nicht fallen wollte, bis sie mich zu Boden schlugen, sagten darbet : dass ist der rechte Schelm, der uns auch unsere Gerechtigkeit wehren will Holtz zu hauen, man muss den Hundt todtschlagen, wie dann auch wirklich, da ich auf dem Boden lag….noch mehrere Streiche gefallen sind auf Kopf, Arm und Hüfte und ich glaube, wenn nicht etlich Leute aus Hirscht und Hummes in der Nähe gewesen wären…..so hätten sie noch nicht aufgehört zuzuschlagen. Weil mir nun nicht befohlen ist, um eines Astes oder eines Baumes wegen, einen Menschen krumm und lahm zuschlagen oder gar Todt zu schießen, weil solches von beyden hohen Herrschaften nicht ausgemacht ist. So habe ich derenthalben keine Thätlichkeit an ihnen verüben wollen. Sollte mir aber künftighin einer von diesen Schelmen …..begegnen so werde ich Revange suchen, es mag befohlen sein oder nicht, weil mir die zwei sehr wehe Thun und ich in den nächsten acht Tagen meinen Forst nicht versehen kann……“
Die Sache landete schließlich vor Gericht. Regierungssprecher Schultz leitet das Schreiben des Försters umgehend an den Amtmann El Payen in Tholey weiter und forderte die Auslieferung und Bestrafung der beiden Holzfrevler. In seiner Aufforderung verwies der Beamte darauf, dass der Dirminger Förster auf „……..unstrittige diesseitigem Territorium die Täter angetroffen“ habe. Der Förster sei nach den ersten Schlägen davongelaufen und hingefallen. Daraufhin haben die Täter wieder zugeschlagen. Das Ende dieses Verfahrens ist leider nicht bekannt.
Im Jahre 1766 fiel das gesamte Herzogtum Lothringen an Frankreich. Demzufolge wurden die Herrschaft Eppelborn und somit auch Wiesbach und Humes an das Königreich ausgegliedert. Alleine Hierscheid und Dirmingen verblieben bei Nassau Saarbrücken. Hierscheid war mit diesem Schritt praktisch eingeklammert….und konnte rasch mal über die Grenzen gehen. Diese Umklammerung des Hierscheider Bannes, durch das französische Territorium, war nur von kurzer Dauer. Bereits 1768 wurde Wiesbach und Humes vereinbarungsgemäß an Nassau Saarbrücken ausgetauscht . Als dann 1786 das gesamte Amt Schaumburg, inklusive der Herrschaft Eppelborn, an das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken fiel, nahm die Reichsgrenze einen ganz anderen Verlauf wobei Hierscheid endgültig aus dem Grenzgebiet ausschied . Bei der Bann Renovation im Jahre 1773 wurde die Grenzlinie endgültig festgelegt und im Grenzbereich zu Eppelborn, mit den teilweise bis zum heutigen Tag erhaltenen Nassauer Steinen markiert. Diese auf dem Dirminger Bann befindlichen Grenzsteinen zeigen auf der zu Hierscheid zugewendeten Seite die Wolfgange und das Kürzel NS für Nassau Saarbrücken, auf der anderen Seite wurde 1786 die französische Lilie durch das bayrische Rautewappen, das Symbol der im Herzogtum Pfalz Zweibrücken regierenden Wittelsbacher ersetzt.
In der ersten Hälfte des 18 Jahrhunderts stand die fürstliche Verwaltung in Ottweiler den Grenzverletzungen und Holzdiebstählen der Lothringer weitgehend machtlos gegenüber. Wenn Holzfrevler erwischt wurden drohte ihnen schlimmstenfalls eine milde Strafe oder eine Verwarnung. Weitreichende Strafen scheiterten an den lothringischen Amtsmännern von Tholey. Die Lothringer schützen immer wieder ihre Landleute und verhinderten somit die notwendige Rechtsprechung. Von daher dürfte auch die Tat an dem Dirminger Förster Hammerer vergleichbar milde ausgegangen sein. Als sich im Jahre 1762 der künftige Verlauf der Reichsgrenze abzeichnete bekam Nassau zusehends mehr Handhabe. Im Juli des Jahres äußerte die Nassauer Amtsverwaltung die Hoffnung auf Besserung. Die Drohung, dass Humes und Wiesbach alsbald nach der Grenzregulierung zur Nassau gehören würden und die Täter somit der Gerichtsbarkeit der Nassauer unterstehen, sorgte für Respekt und Angst. Zukünftig würde es dann keine sanften Strafen mehr geben Sonden mehr Härte.
Der französische Grenz-Kommissar Joseph Mathis setzte aufgrund seiner Souveränität den räuberischen Aktivitäten der Lothringer ein Ende. Er ließ im Juni 1765 auf Plakaten, die an allen Kirchentüren der Region angeschlagen wurden, verkünden:
Wie Joseph Mathis , königlicher Rath und Commissarius über die Gränzen hiesiger Gegenden : zufolge derer uns zugekommenen Befehlen …..verbieten nochmals hierdurch ernstlich denen Gemeinden Wustweiler , Wiesbach und Humes auch sonst jedermänniglich einigen Frevel oder Holtz Diebstahl zu begehen in den Waldungen des Fürsten von Nassau Saarbrücken unter der Verwarnung ,dass die so hierwieder handeln, arretiert und nach Saarbrücken ins Gefängnis geführt werden.“
Diese Ankündigung zeigte bei unseren Nachbarn ihre Wirkung. Weiter Grenzzwischenfälle und Holzdiebstähle gegenüber Hierscheid und Dirmingen blieben weitgehend aus.
Heute mag so mancher denken, dass solche Geschichten Schnee von Gestern sind und keinen mehr interessieren. Immerhin bleiben solche Berichte jedoch ein Teil unserer gemeinsamen Geschichte.
(Quelle und Infos u.a: Eppelborner Heimatheft Nr.12.)