Weihnachten 2020 – Eine echte Chance für die Ökumene

Mag sein, dass es Menschen geben wird, die mich nach dem Lesen dieses Blogeintrages für sentimental halten. Mag sein, dass ich mich täusche, aber ich glaube dieses Weihnachtsfest hat etwas besonders ausgelöst. Bereits mit Beginn der Pandemie habe ich festgestellt, dass in unserem Dorf die Ökumene wieder mehr in den Vordergrund gerückt wird. Schon im Sommer wurden, unter guten Zuspruch, die ersten ökumenische „OpenAir“ Gottesdienst abgehalten. Dies allein ist längst noch nichts besonders und wird in vielen anderen Ortschaften ebenso praktiziert. Die Art und Weise wie diese Gottesdienste jedoch zustande kamen und wie seitdem unsere beiden Kirchengemeinden zusammenarbeiten gibt jedoch Anlass zur Hoffnung.

Ich habe mir zuletzt öfters die Frage gestellt, ob es tatsächlich sein könnte, dass wieder mal eine Katastrophe unsere Dorfgemeinschaft enger zusammenschweißt. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein besonderes Ereignis dafür Sorge trägt, dass die Menschen in unserem Dorf zusammenrücken und die Ökumene in den Vordergrund stellen. Unmittelbar vor dem Ende des 2. Weltkrieges wurde, am 21, Februar 1945, die katholische Kirche auf dem Rotenberg während eines Bombenangriffs vollkommen zerstört. Dieser schwarze Tag in der Geschichte, der damals noch jungen katholischen St. Wendalinus-Gemeinde, wurde zu einem Schicksalstag für unsere Dorfgemeinschaft. In tiefster Not reichte die evangelische Kirchengemeinde die Hand und bot den Katholiken ihre Kirche an. Es war die Frau des Evangelischen Pfarrers Engel, die nach Rücksprache mit ihrem Mann, auf den Rotenberg eilte und dem damaligen Pastor Didas ein entsprechendes Angebot unterbreitete. Die katholische Pfarrgemeinde nahm an und die evangelische Kirche in der Ortsmitte wurde über Jahre hinweg als sogenannte Simultankirche genutzt.

Der damalige Küster Peter Bastuck berichtete:

„Bereits einen Tag nach dem schrecklichen Angriff kam die Frau des evangelischen Pfarrers Engel, der zum Kriegsdienst eingezogen war in das Pfarrhaus und teilte Herrn Pastor mit, dass die evangelische Kirchengemeinde den Katholiken die evangelische Kirche zur Mitbenutzung überlassen wolle und Herr Pastor möge einverstanden sein.

……Mit großer Niedergeschlagenheit standen wir in der für uns fremden Kirche, aber auch mit froher Dankbarkeit den evangelischen Christen gegenüber, die auf diese Weise Anteil an unserem Unglück nahmen. Wir fühlten uns bald als christliche Freunde, obschon uns manches trennte. Von diesem Bewusstsein getragen, haben wir das Gebet um Vereinigung aller Christen im wahren Glauben vielleicht noch nie mit solcher Inbrunst gebetet, wie in der evangelischen Kirche.“

Offensichtlich musste also erst ein Unglück geschehen um die beiden Kirchengemeinden wachzurütteln. Damals versprachen sich Christen beider Konfessionen, dass zukünftig der Burgfrieden im Dorf gehalten werden sollte.

Weihnachten 2020: Unmittelbar vor der Adventszeit standen wir vor der Frage, wie wir in Zeiten der Pandemie das Weihnachtsfest feiern können. In den letzten Monaten wurde deutlich, dass es ein begründetes Interesse daran besteht, Weihnachten in der Ökumene zu feiern. Was über Jahrzehnte hinweg kaum vorstellbar schien, bewirkte am Ende ausgerechnet eine Seuche.

Erneut sorgte also eine Katastrophe dafür, dass die Dorfgemeinschaft zusammenrückt und die Ökumene wiederentdeckt. Dabei gab es wieder mal eine erstaunliche Parallele: Während des zweiten Weltkrieges waren sich Pastor Didas und der evangelische Pfarrer Engel spürbar nähergekommen. Schon damals wurde zu Kriegszeiten Dinge vereinbart, die nicht unbedingt üblich waren. So wurden zum Beispiel Kriegsopfer in einer gemeinsamen Zeremonie beerdigt. Auch das heutige Verhältnis der Gemeindereferentin Anne Haan von der katholischen Pfarreiengemeinschaft Eppelborn-Dirmingen und des evangelischen Pfarrers Harro Eder ist bemerkenswert und gibt großen Grund zur Hoffnung. Gemeinsam wurden Adventsandachten und „Online-Gottesdienste“ angeboten und eben auch ökumenische „Heilig-Abend-Gottesdienste“ durchgeführt. Wenn es nach den Worten der beiden Geistlichen geht, sollen im kommenden Jahr weitere gemeinsame Aktionen folgen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Grundsätzlich gibt es in Dirmingen keine Probleme zwischen Protestanten und Katholiken. Diese Zeiten sind ohnehin längst vorbei und gehören der Geschichte an. Auch das Verhältnis zwischen dem Presbyterium und der katholischen Pfarrgemeinderat wird auf Augenhöhe gepflegt. Dennoch wird uns ab und zu immer noch in Erinnerung gerufen, dass gerade in Dirmingen über viele Jahrhunderte extreme Spannungen zwischen den beiden Konfessionen herrschten. Gottlob gehören diese Zeiten der Vergangenheit an.

Heute bietet uns die Ökumene eine echte Chance. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen beider Konfessionen an einer engen Zusammenarbeit interessiert sind. In Zeiten, in denen beide Kirchen mit Problemen zu kämpfen haben, könnte die Ökumene hilfreich sein. Weihnachten 2020 gibt allen Grund zur Hoffnung. Gemeinsam wurden in unserem Dörfchen ökumenische Gottesdienste angeboten und durchgeführt. Von denjenigen die einen Gottesdienst besucht hatten, bekamen wir durchweg ein positives Feedback. Hand in Hand wurde daran gearbeitet, den Menschen zumindest an Weihnachten ein weinig Normalität zu vermitteln. Ja, es mag sein, dass ich durch dieses Weihnachtsfest ein wenig Sentimental geworden bin. Es ist jedoch unbestritten, dass in der Adventszeit Türen aufgestoßen und durchschritten wurden. Die Ökumene bietet eine echte Chance für unsere Dorfgemeinschaft. Wir müssen diese Chance nur zu nutzen wissen!

Natürlich liegt zwischen beiden Kirchen immer noch so manches Hindernis. Großes entsteht jedoch bekanntlich im Kleinen und warum sollen wir nicht in unserem Dorf aufzeigen, wie es funktionieren kann? Wenn dieses verflixte Jahr 2020 am Ende irgendetwas gutes gebracht hat, dann die Tatsache, dass wir durch die Ökumene mehr Möglichkeiten haben. Lasst uns diesen guten Weg, im gemeinsamen Miteinander auf Augenhöhe, weitergehen und vorantreiben.

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