Wenn Steine sprechen könnten – Historische Grenzsteine als Zeitzeugen

Manchmal wünschte ich mir, dass Steine sprechen und von der Geschichte unserer Heimat berichten könnten. Gelegentlich nehme ich nach einem Spaziergang auf einem der mächtigen Grenzsteine Platz und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Die auf Dirminger Bann befindlichen historischen Grenzsteine sind inzwischen über 270 Jahre alt und Teil unserer Identität. Die Steine haben Krieg und Zerstörung überstanden und sind bis heute schweigende Zeitzeugen unserer Geschichte. Gelegen in einer wunderschönen Landschaft mit ausgedehnten Wäldern, Wiesen und Feldern erinnern die Grenzsteine an die historische Grenzlinie zwischen der Grafschaft Nassau-Saarbrücken und dem einstigen Herzogtum Lothringen.

Die wuchtigen Grenzsteine aus rotem Vogesen-Sandstein wurden im Jahre 1767 aufgestellt und markiert. Welche Zeiten haben diese Steine nicht schon überstanden? Krieg, Frieden, Seuchen und auch Armut und Wohlstand. Unbeirrt halten sie im Dirminger Wald Stand und erinnern uns an eine längst vergangene Zeit. Täglich passieren Spaziergänger und Wanderer die historischen Steine, ohne ihnen dabei Beachtung zu schenken. Die wuchtigen Grenzsteine sind längst in die Natur und unsere gewohnte Umgebung übergegangen. Man findet diese mächtigen Hoheitsgrenzsteine an der Eppelborner, Thalexweiler, Sotzweiler, Bubach/Calmesweiler, Macherbacher und Dirminger Banngrenze, vorbeilaufend am Freizeitzentrum Finkenrech und auch im Naherholungsgebiet „Steinrausche“.

Der Nassauisch-Lothringische Grenzverlauf ist bis heute gut erkennbar und erinnert zudem an die Spannungen beider Hoheitsgebiete. Im 18. Jahrhundert gehörte das Amt Schaumburg und mit ihm auch das katholische Eppelborn, mit der Baronie Buseck und den Ortschaften Wiesbach, Bubach/Calmesweiler, Macherbach, Habach, Humes sowie Sotzweiler und die Zennerei Thalexweiler zum Herzogtum Lothringen. Das Dorf Hierscheid war ebenfalls Lothringen zugeordnet wobei es auch einmal kurzzeitig zu Nassau-Saarbrücken geöhrte. Das nassauisch protestantische Dirmingen hingegen gehörte seit dem frühen Mittelalter zur Grafschaft Saarbrücken.

Im Jahre 1736 wurde Stanislaus Leszczynski, der frühere König von Polen-Litauen, im Herzogtum als König eingesetzt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1766 herrschte er über das Herzogtum Lothringen. Nach seinem Tod fiel das Herzogtum Lothringen an Frankreich. Nach diesem Herrschaftswechsels wurde im Jahr 1767 die damalige Hoheitsgrenze zwischen Frankreich und der Grafschaft Nassau-Saarbrücken mit mächtigen Hoheitsgrenzsteinen ausgesteint. Durch die mit den Steinen markierte Grenze zwischen Dirmingen, Eppelborn, Thalexweiler und Sotzweiler wurde die Staatsgrenze zwischen dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und dem Königreich Frankreich markiert. Auf der Lothringer Seite wurden die Grenzsteine mit der französischen Lilie oder mit dem Lothringer Kreuz für das lothringische Amt Schaumburg markiert. Auf der Nassauischen Seite, zu der Dirmingen gehörte, wurde die nassauische Wolfsangel als Hoheitszeichen eingemeißelt. Im Jahre 1787 fiel das Amt Schaumburg durch Gebietstausch mit Frankreich zum Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Danach wurden die vorhandenen Grenzsteine auf Eppelborner, Thalexweiler und auch Sotzweiler Seite mit dem Raute-Wappen als Hoheitszeichen von Pfalz-Zweibrücken markiert. Auf der nassauischen Seite wurde als Markierung die Z-förmige Wolfsangel und die Buchstaben NS für Nassau-Saarbrücken eingemeißelt. Die auf nassauischer Seite vorhandene „Wolfsangel“ finden wir seit dem Jahre 1986 auch im Wappen unseres Heimatortes Dirmingen.

Damit die Steine nicht heimlich von der anderen Seite aus dem Weg geräumt wurden, hat man sie damals nummeriert. Die Bezeichnung KW stammt aus dem frühen 19.Jahrhundert und bedeutet königlicher Wald. Über viele Jahrhunderte hinweg verschoben sich immer wieder die Grenzen mitteleuropäischer Fürstentümer. Ganz oft wechselten sogar ganze Gebiete und Regionen ihre Herrschaft. Die Grenzsteine dienten nicht nur der Machtdemonstration und der Ermahnung die Grenzen einzuhalten, sondern auch der Orientierung ortsfremder Wanderer und Händler. An den Steinen konnte man leicht erkennen, auf welchem Terrain man sich gerade befand. Die wuchtigen Zeitzeugen markieren noch heute die Gemarkungsgrenzen von Dirmingen.

Neben den Grenzsteinen erinnert auch das Wappen der Gemeinde Eppelborn an die ehemaligen Hoheitsgebiete. Dabei spiegelt sich die Geschichte der Ortschaften im Wappen der Gemeinde Eppelborn wider: Der gestümmelte Adler in Rot erinnert an die Zugehörigkeit von Bubach, Calmesweiler, Eppelborn, Habach, Humes, Macherbach und Wiesbach zu Lothringen. Der silberne Doppelhaken in Blau, die „Wolfsangel“, weist auf die Verbindung von Dirmingen und Hierscheid mit Nassau-Saarbrücken hin. Der silberne Schrägrechtsbalken gehörte zum Wappen eines ritterlichen Adelsgeschlechts, das Eppelborn im 14. und 15. Jahrhundert zu Lehen hatte. Die Farben Rot-Silber erinnern an die Herrschaft Kurtriers über Calmesweiler, und sie würdigen auch die geistige kulturelle Ausstrahlung der Trierischen Kirche in die weite Kirchenprovinz zu der Eppelborn seit dem frühen Mittelalter gehörte (Quelle: Wikipedia, Homepage: Gemeinde Eppelborn).

Manchmal stehe ich ehrfürchtig vor diesen Steinen und versuche mir vorzustellen, wer schon alles an dieser Grenze vorbeiging. Welche Kleidung trugen die Menschen und was war ihr Antrieb. Wer passierte diesen Waldstreifen tatsächlich und wie kann man sich das damalige Leben vorstellen. Nicht alles findet man in Büchern und historischen Schriften niedergeschrieben. Der Schriftsteller George Orwell sagte einmal:“ Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.“ Natürlich gibt es wichtigeres als sich mit der Vergangenheit zu befassen und nicht alles was früher gut war, hat sich als nützlich erwiesen. Ich bin jedoch ein großer Freund davon die eigene Identität zu bewahren und Werte zu vermitteln. Ich erinnere mich an eine Diskussion die im vergangenen Jahr in den sozialen Medien stattfand. Damals wurde gefordert die Wolfsangel aus dem Wappen der Gemeinde Eppelborn und vermutlich auch aus dem unseres Heimatortes Dirmingen zu entfernen. Die Z-förmige Wolfsangel sollte nicht weiterhin als bestialisches Jagdinstrument verherrlicht werden. Meine Meinung dazu habe ich bereits in einem Blogeintrag geäußert. Die Identität einer ganzen Region kann man nicht damit verändern, indem man einfach ein Wappenzeichen austauscht. Schon William Shakespeare hatte erkannt: „Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden.” Die Geschichte unserer Heimat wird man mit einer solchen Maßnahme nicht ausradieren können. Es kommt immer darauf an, aus welcher Perspektive man auf die Dinge blickt. Manchmal kann ein Zeichen auch als Mahnung zur Erinnerungskultur werden. Sei’s drum, gottlob darf jeder in diesem Land seine Meinung frei äußern. An den historischen Grenzsteinen geht jedoch auch diese Debatte spurlos vorbei. Früher waren diese Grenzsteine elementar wichtige Hoheitszeichen. Heute stehen Sie als stumme Zeitzeugen im Dirminger Wald. Gut so !

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