Was erzählt uns der Turmhahn – Historischer Blick über das Dorf
Besuch des Turmhahns der evangelischen Kirche zu Dirmingen in den Häusern der Gemeinde vom 06.- 09. August 1936
Der evangelischen Pfarrer Wilhelm Engel hat uns mit seinen beiden Büchern wichtige Zeitdokumente hinterlassen.
In seinem Werk „Gedenket den vorigen Tagen“ finden wir den „Besuch des Turmhahns“ aus dem Jahre 1936. In diesen phantasievollen Zeilen werden wichtige Hinweise über die Geschichte unseres Heimatortes verdeutlicht.
Der Turmhahn
Grüß Gott, ihr meine lieben Leut, fürwahr, ein seltner Gast kommt heut ! Ich komm -ihr seht es mir doch an – als euer alter Kirchturmhahn.
Ich bin schon hundertneunzig Jahr und lebe noch ! trotz mancher G’fahr, in die ich- hoch ob eurer Welt- auf meinen Kirchturm bin gestellt.
Schon manchmal war ich operiert, mit Flicken vielerlei geziert; am rechten Fuß hab ich den Sporn zu meinem großen Leid verlor ’n
den Bart hat mir der Rost verzehrt, was übrig ist, ist nichts mehr wert. Mein Schwanz steht noch zu meiner Freud, er ist auch manchmal schon erneut.
Am schlimmsten ist mein Leib getroffen: klaffend steht eine Wunde offen. Hier schlug einst eine Kugel ein, es sollt mein letztes Stündlein sein.
Oh weh! Ich wackelte gar sehr, es dreht‘ die Welt sich um mich her. Jedoch als kampfgewohnter Mann nahm ich bald stramme Haltung an, ließ Wunde immer Wunde sein und schaut‘ in euer Dorf hinein.
Fast jeden kenn‘ ich von dem Tag, da er in weißem Kissen lag, und man in einem frohen Zug ihn hin zur heil ‚gen Taufe trug.
Und als ihr wurdet konfirmiert, sah ich euch rosmariengeziert, mit neuen Kleidern angetan, vom Pfarrhaus her zur Kirche nahen, Und waren um kaum ein paar Jahr, kamt ihr schon zu dem Traualtar.
Den Poschdevatter, den alten Mann, sah ich, als er ein Kind noch, an. Wie lang kommt aus dem Velteshaus der Veltes Vatter schon heraus.
Die Kamme Mamme schon als Kind lief durch das Dorf, wie heut, geschwind. Ich sah schon ihrer Ahnen viel, am Lebensanfang und am Ziel, als man sie senkte tief hinab, zur letzten Ruh‘ ins Erdengrab.
Ich merkt‘ auf meinem hohen Sitz, wie Menschenwitz und Aberwitz und alles, was so stolz dasteht, einmal wie Staub und Rauch verweht.
Am Sonntag wohnte ich stets treu, dem Preis der Ehre Gottes bei. Ich stimmte mit der ganzen G’mein in jedes Lob- und Danklied ein. Ich rief mit ihr aus Leid und Weh zum Herre Christ das Kyrie.
Ich sehe jeden mir recht an, der sich zu Gottes Wort will nah’n und freu‘ mich, wenn in dichten Reih’n ihr tretet in das Kirchlein ein.
Ihr Exweiler tut mir oft leid; denn euer Kirchweg ist recht weit. Doch müßt durch Regen ihr und Sturm, so denkt an mich auf meinem Turm.
Ihr Berschweiler seid besser dran; ein guter Weg führt euch heran, und wenn es gar nicht anders geht, der Jochem zur Verfügung steht.
Wie war’s bei euern Vätern noch ! die mussten durch manch Wasserloch, durch Lehm und Schlick hierher sich nah’n wahrhaftig, ihr seid besser dran.
Ob ihr darum auch fleißig kommt, wie es dem rechten Christen frommt ? Du Jakob, Hannickel und Velten, Marie, Lies, Katt -kommt ihr nur selten, oder kommt ihr allzeit mit Freuden, sooft die lieben Glocken läuten ?
Die Glocken sind mir herzlich Freund, weil wir auf einem Turm vereint; sie riefen aus dem Glockenturm bald Frieden, aber auch bald Sturm, wie über Wald und Feld und Rain bald Regen ging, bald Sonnenschein.
Wie oft sah in dem Lauf der Zeiten zur Saat und Ernte ich euch schreiten, wie es nach Gottes Wort ja geht, solange unsere Erde steht.
Ich seh‘ auch schon seit hundert Jahren den Bergmann in die Grube fahren; zu Fuß ging’s erst, dann mit der Bahn, jetzt ist auch schon das Auto dran.
Oft denk‘ ich, wie soll’s weiter gehn ? Schon kann ich ja die Menschen sehn im Flugzeug über mich hinschweben! Was werd‘ ich alles noch erleben !
Doch ich hab Zeit ! – macht mich nur schön, so will ich wieder oben stehn auf meinem hocherhob’nen Sitz in Sonne, Regen, Sturm und Blitz, und ihr seht mich von unten an! So bin ich euer Kirchturmhahn.
Beim lesen dieses Gedichtes wird mir immer wieder klar, wie vergänglich doch unser Dasein auf dieser wunderbaren Erde ist. Wir alle sind nur ein kleiner Sandkorn am Strand des Lebens. Es gibt Dinge auf diesem Planeten die uns alle überleben werden. Manchmal tut Demut gut !