Wenn Steine sprechen könnten – „Steenrutsch“ im Wandel der Zeit
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu Herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
Bibelvers aus Prediger 3, 1 -11
Das Naherholungsgebiet „Steinrausche“ beheimatet das bedeutendste geologische Naturdenkmal des Landkreises Neunkirchen: Die „Steenrutsch“. Das Konglomeratlager liegt im Südwesten Dirmingens im Distrikt 110 des Saarforstes Neunkirchen, am Nordwesthang des Großen Elmersberges. Im Laufe der Jahrtausende sind aus einem bestehenden Konglomeratlager großen Steinblöcke und riesige Quader innerhalb der durchlaufenden Kuseler Schichten herausgewittert. Unter den Dorfbewohnern wird dieses quarzitisches Konglomerat, dessen Steinblöcke in einem Umkreis von 100,00 m liegen, liebevoll „Steenrutsch” genannt. In der oberen Abteilung der Kuseler Schichten treten Konglomerate auf, die zuweilen eine Mächtigkeit von über 10 m erreichen und bis über kopfgroße Gerölle von rötlichem Quarzit führen. Eine feste kieselige Masse verkittet die groben Gerölle, und sie bilden dann ein sehr festes Gestein, das auch Felsen bildet. Wissenschaftler behaupten, dass sich in einem Tertiär (Erdzeitalter), das vor 1000 000 Jahren endete, dieses Stein-Blockmeer herausbildete.
Jedes Jahr tummeln sich zahlreiche Menschen rund um das Gebiet der „Steenrutsch“ um zu Wandern, zum Radfahren oder einfach nur um spazieren zu gehen. Wenn man in unserer Gegend lebt, kommt man an dem Thema „Steinrutsch“ einfach nicht vorbei. Bei einem Besuch steht man immer wieder vor der Frage: Was haben diese Steine schon alles erlebt? Schon als Kind dienten uns die großen Steinblöcke und der dichte Wald als „Spielwiese“. Als Jugendlicher suchten wir ein passendes Versteck und als Erwachsener versuchen wir die Ruhe und Einsamkeit zu finden. Vor uns waren andere an diesem Ort und nach uns werden wiederum andere folgen. Manche Leute haben sich in den mächtigen Felsblöcken verewiglicht und ihren Namen oder den ihrer Liebsten eingemeißelt. Was haben diese Steine nicht schon alles überstanden? Generationen von Menschen gehen achtlos daran vorbei und merken nicht, dass Sie selbst nur ein kleiner Fisch im Strom der Zeit sind. Diese Steine waren längst schon da als unser Dorf entstand und werden es vermutlich auch noch sein, wenn wir das zeitliche gesegnet haben. Ehrfürchtig stehen wir vor den großen Steinblöcken und können nicht erahnen was diese Steine schon überstanden haben. Naturkatastrophen und Kriege konnten dem mächtigen Konglomerat nichts anhaben, Wir finden Zeichen und Spuren der Vergangenheit und sind nicht in der Lage damit umzugehen. Der Zeitenlauf sprengt unsere Vorstellungskraft. Bestimmt haben Kelten und Germanen diese Steine verehrt. Vielleicht haben Franken und Ritter dort gerastet und Schutz zwischen den mächtigen Steinblöcken gesucht. Vielleicht haben sich Schmuggler während der Grenzregulierung derer von Nassau und dem Hause Busek dort versteckt. Vielleicht nahm so mancher Soldat an dieser Stelle Abschied von seinem Schatz und sah sie niemals mehr. Wir glauben, aber wir wissen es nicht !
In wissenschaftlichen Lektüren lesen wir, dass in einem Tertiär, dass vor 1 000 000 Jahren endete unter tropisch-wechselfeuchten Klimabedingungen die Gesteinsunterschiede verwischt wurden. Das heutige Gebiet der „Steinrausche“ wurde durch eiszeitliche Krustenbewegungen 400 m über den Meeresspiegel gehoben, zugleich schnitten es Flüsse kräftig ein und zergliederten die ehemalige Ebene in zahlreiche Riegel und Vorsprünge, wobei gewaltige Mengen Erdreich abgetragen wurden. Diese Erde wanderte hangab und wurde teils in der Talaue abgelagert, teils talab wegtransportiert. Die herausgewitterten Gerölle und Felsbrocken am Großen Elmersberg wanderten mit dem Erdbrei hangab, der Lehm wurde herausgespült und zurück blieb ein eindrucksvolles Meer aus Steinblöcken, die „Steinrutsch“.
Verstanden ? Zuviel wissenschaftliches Geplänkel kann den Zauber zerstören. Die „Steenrutsch“ ist ein Teil der Dirminger Geschichte. Schon mein Vater hat mich mit hierher genommen und ich habe das Gleiche mit meinen Kindern gemacht. Bestimmt erging es den meisten Dorfbewohnern ganz ähnlich. Es gab eine Zeit, da gehörte die „Steenrutsch“ und die Geschichte ihrer Entstehung zum Schulunterricht. Wie viele Schulklassen haben ihre Wandertage mit einem Besuch der „Steenrutsch“ verknüpft. Heute ist das aus der Mode geraten. Die meisten Lehrer kommen nicht aus dieser Gegend und würden den Weg zum Konglomerat kaum finden. Wir leben in Zeiten in denen solche Kulturschätze vielen Leuten nichts mehr bedeuten. Die „Steenrutsch“ berührt das nicht im geringsten. Menschen kommen und Menschen gehen.
Wie gelingt es uns jedoch unsere Kinder für dieses Kulturgut zu begeistern ? Wie rücken wir die „Steenrutsch“ wieder verstärkt in das Bewusstsein unserer Kinder und Jugendlichen ? Großes kann und muss wie immer im Kleinen entstehen. Ein erster Schritt läge schon darin, unseren Kindern wieder den Weg zur „Steenrutsch“ zu zeigen. Alles andere übernimmt das mächtige Konglomerat von selbst. So war es schon immer und so wird es noch lange bleiben !
Sehr gute Zusammenfassung der Geschichte und Bedeutung um die Steenrutsch. Bereits für meinen Enkel sind die „Klettersteine“ ein beliebtes Ausflugsziel. Ich habe meine Geschichten und Gedanken weitergegeben. Meine Kinder kennen die Geschichten um die Steenrutsch und geben ihre Eindrücke ebenfalls weiter.