Zeit zu helfen – Menschen aus der Ukraine suchen auch in unserer Heimat Schutz

Schwierige Zeiten! Zuerst die Pandemie und jetzt dieser unsägliche Krieg im Osten Europas. Mittlerweile sind auch in unserem Dorf die ersten hilfesuchenden Menschen angekommen. In unserer Gemeinde sind bereits über 110 Menschen ukrainischer Herkunft gemeldet.  In Dirmingen haben bisher 12 Menschen eine Zuflucht gefunden. Die zuständigen Behörden der Landesaufnahmestelle berichten, dass in den kommenden Wochen weitere Menschen den saarländischen Gemeinden zugeteilt werden. Aktuell werden in Lebach täglich ca. 100 – 150 Personen neu registriert. Ein Großteil dieser Menschen sind privat untergebracht.

Angst, Panik, Sorge oder Wut. Was haben Sie wohl gefühlt, als Sie ihre Heimat verlassen mussten? Was haben Sie in Eile mitgenommen? Was haben Sie auf die Schnelle eingepackt und welche Gedanken gingen ihnen durch den Kopf? Waren Sie sich darüber bewusst, dass sie ihre Heimat vielleicht nie wieder sehen werden? Was wird sein, wenn Sie einmal wiederkehren. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir von einem Drama in das Nächste schlendern. Im Moment ist es aller höchste Zeit wieder „Mensch zu sein“. Seit den Starkregenereignissen 2016 geht unser Dorf durch schwere Zeiten. Die letzten Jahre brachten ein Unglück nach dem anderen. Immer wieder mussten wir Antworten finden und entsprechend reagieren. Nachbarschaftshilfen wurden in Zeiten der Pandemie gegründet, Sammlungen für die Opfer der Katastrophe im Ahrtal durchgeführt und Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Bereits im Jahre 2015 mussten wir einschneidende Erfahrungen mit hilfesuchenden Menschen machen. Dabei war auch dieses Kapitel nicht immer einfach. Wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, kann es schon mal knistern. Damals suchten überwiegend Männer aus Syrien Hilfe in unserem Land. Heute suchen überwiegend Frauen und Kinder Schutz in unserer Heimat.

Helfen ist Menschenpflicht. Dabei können wir in Dirmingen auf große Erfahrung und eine enorme Hilfsbereitschaft zurückgreifen. Im Jahre 2015 bildete sich ein Flüchtlingsnetzwerk um engagierte Frauen und Männern aus unserem Heimatort. Schon damals wurde großartiges angestoßen und geleistet: Behördengänge übernommen, Wohnungen zugeteilt, Jobs gesucht und Sprachkurse angeboten.

Ich erinnere mich an die ersten Begegnungen mit syrischen Männern in unserem Dorf. Mit Händen und Füßen und einem schlechten Englisch versuchten wir uns zu verständigen. Mit der englischen Sprache kommt man bei den ukrainischen Frauen und Kindern nicht besonders weit. Die meisten beherrschen bestenfalls noch die russische oder polnische Sprache. Gut, dass es in unser Dorf ehrenamtlichen Dolmetscher und Ansprechpartner gibt. Wir sind sehr dankbar, dass wir mit der neuen Integrationsbeauftragten Sigrid Schmitt und dem Dirminger Thomas Bieg zwei Menschen gefunden haben, die sich bezüglich der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich betätigen. Zudem gibt es viele weitere Frauen, die sich seit Jahren in dem Flüchtlingsnetzwerk engagieren sind und sich stark machen.  

Die Geflüchteten in unserem Dorf sind ausnahmslos Frauen und Kinder die auf private Initiative nach Dirmingen gekommen sind. Schon wenige Tage nach Kriegsausbruch wurden in unserer Heimatgegend Sammel- und Spendenaktionen durchgeführt. In Dirmingen haben wir mit dem Musikprojekt „Dirmingen für Ukraine“ eine vielversprechende Aktion am Start. Der Erlös dieses Albums mit Dirminger Künstlern kommt der Ukraine-Hilfe in unserer Gemeinde zugute. Stellt sich am Ende des Tages die Frage, ob der gute Wille alleine ausreicht. Werden wir den Ansprüchen die dieser Krieg an uns stellt gerecht ? Seit Tagen beobachte ich eine gefährliche Entwicklung. Die Stimmung scheint etwas zu kippen und nicht jeder scheint mit allen Entscheidungen der Politik einverstanden zu sein. Letztendlich scheint auch das Verhalten des ukrainischen Botschafters und seines Präsidenten nicht überall in unserem Land gut anzukommen. Es sind schwere Zeiten und wer würde angesichts des Terrors im eigenen Land nicht die Nerven verlieren.

Das einzige was wir vor Ort tun können, ist unsere Hilfe anzubieten. Somit wären wir auch schon beim Thema. Wir haben lange überlegt, wie wir am besten helfen können. Auf unserer Suche sind wir auf die Flüchtlingshilfe in Eppelborn gestoßen. Thomas Bost vom Rotary-Club Tholey-Selbach und seine ukrainische Lebensgefährtin Oxana bekamen von der Gemeinde Eppelborn eine Lagerstelle zur Verfügung gestellt. Dort wurden bis heute viele Sachspenden gesammelt und an bedürftige verteilt. Die Spenden unserer Dirminger Aktionen werden an diese Organisation überwiesen. Somit können wir genau verfolgen, was mit unserer Unterstützung geschieht. Hilfe muss immer auch spürbar sein. Die Flüchtlingsgruppe in Eppelborn investiert das gespendete Geld in die Unterbringung der Menschen in unserer Gemeinde.

In der vergangenen Woche haben wir uns dazu bereiterklärt als Dorfgemeinschaft einen Impuls zu setzen. Drei junge Frauen und zwei Kinder aus der Ukraine kamen bei Freunden unter und sollten nun eine eigene zugeteilte Wohnung in Dirmingen erhalten. Nach Rücksprache mit Heiko Girnus von der Gemeinde Eppelborn habe ich mich dazu bereiterklärt den Frauen und Kindern unterstützend unter die Arme zu greifen. Dabei konnte ich mich auf die wertvolle Unterstützung unserer Dorfgemeinschaft und die Hilfe von Thomas Bost, seiner Lebensgefährtin Oxana und seiner Hilfegruppe verlassen. Innerhalb unserer dörflichen Gemeinschaft wurden schnell Frauen und Männer gefunden, die sich bereiterklärten zu helfen. Gemeinsam sollte die neue Wohnung unserer Gäste eingerichtet werden. Die Hilfsbereitschaft innerhalb unserer Dorfgemeinschaft war wieder einmal enorm. In kürzester Zeit wurden Möbel gespendet und Hilfsangebote unterbreitet. In den letzten Jahren habe ich durchaus den Eindruck gewonnen, dass in unserem Dorf ein Prozess zu mehr Nähe und Nachbarschaft stattgefunden hat.

Die Menschen in unserem Dorf helfen gerne und sind bereit ein Stück mehr zu geben. Die drei Frauen Alona, Anna und Evgenia und zwei Kinder, denen wir beim Einzug in ihr neues Zuhause helfen durften, waren dankbar und fühlten sich willkommen. Möbel wurden eingeräumt, Zimmer gereinigt, Schränke montiert und Betten aufgeschlagen. Keiner weiß, wie lange die Menschen bei uns Zuflucht suchen. Fakt ist jedoch, dass unser Dorfgemeinschaft Arme und Herzen weit geöffnet hat. Zusammenhalt kann vieles bewegen. Mittlerweile gibt es in Dirmingen zwei weitere Familien mit Kindern die unsere Hilfe benötigen. Dabei wurde nicht nur während der organisierten Wohnungseinrichtung großartiges geleistet. Nicht jeder der hilft möchte dies an der großen Glocke hängen. Es sind die Kleinen, stillen Helden, die im Hintergrund große Taten sprechen lassen.

Helfen ist Menschenpflicht. Wir dürfen niemals unsere Wurzeln vergessen. Waren unsere Vorfahren nicht alle einmal auf der Flucht? Wer weiß, wohin der Wind uns weht und was morgen mit uns geschieht. Vielleicht brauchen auch wir irgendwann einmal Hilfe? Unsere Geschichte zeigt deutlich, dass die Menschen schon immer auf der Flucht waren. Krieg, Hass und Terror sind Feinde der Menschlichkeit. Schon während des zweiten Weltkrieges zogen Flüchtlingsströme durch unser Dorf. Heimkehrende Soldaten, Kriegsgefangene oder Menschen deren Heimat zerstört oder in Besitz genommen wurden suchten in unserem Dorf Schutz und Unterkunft. In den schlimmsten Zeiten schliefen Sie in Stallungen und sogar in unserer Kirche. Krieg und Gewalt, zwingen die Menschen dazu ihre Heimat zu verlassen. Angst um das eigene Leben und um das Leben der Kinder und Familie und Freunden spielt eine große Rolle.

Krieg, Terrorismus, Hunger, Not, Unterdrückung, Diskriminierung und sogar das Klima sind Geiseln unserer Zeit. Seit Menschengedenken gibt es die Flucht aus der eigenen Heimat. In den letzten Jahren konnte man das Gefühl gewinnen, dass die ganze Welt in Bewegung ist. Dabei kommen die meisten Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Südsudan, Myanmar, Somalia, Sudan, Kongo, Eritrea und Burundi. Alle suche Hilfe und Schutz vor Krieg, Hunger und Gewalt. Würden wir bei so viel Elend nicht auch das Weite suchen?

Helfen ist Menschenpflicht. Der braune Mob bricht den Stab über alles Fremde. Hinter den Gardinen lauert die Angst, die Abneigung und der Hass. „Schau mal die da, oder der da…“ Hinter unseren Gardinen suchen wir Schutz vor allem Fremden und verurteilen, ohne zu kennen. Fremdenhass ist immer unfair und weltfremd! Die Menschen aus der Ukraine brauchen unsere Hilfe. Ich bin stolz auf mein Dorf und den neuen Zusammenhalt. Unsere „schweren Waffen“ lauten: Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe, Solidarität und Miteinander. Keiner weiß, was die Zukunft bringt und wie lange unsere Gäste in unserem Dorf bleiben. Sollten Sie irgendwann Nachhause dürfen, sollen Sie die Erinnerung an ein gastfreundliches Dorf im Herzen behalten. 

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