Gute alte Zeiten – Einkaufen bei „Tante Ida“ an der nächsten Straßenecke

Die Sehnsucht nach einem Nahversorger ist in unserem Dorf deutlich spürbar. Seit der Schließung des alten „Prima Marktes“, „Spar-Marktes“, oder auch „Nah und Gut“ wartet unsere Bevölkerung sehnsüchtig auf einen neuen Verbrauchermarkt. Die Zeichen stehen auf Hoffnung und es ist durchaus denkbar, dass unser Wunsch in absehbarer Zeit erfüllt wird. Das Thema Nahversorgung beschäftigt nicht nur die Menschen in unserem Heimatort. In vielen saarländischen Ortschaften entflammte in den letzten Jahren eine Diskussion über eine ordentliche Einkaufsmöglichkeit. Dabei ist es nicht immer so einfach alle Wünsche und Vorstellungen unter einen Hut zu bekommen. Das Beispiel Einkaufszentrum „Hierscheider Graben“ macht deutlich, wie schwer es manchmal ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Früher war das alles viel einfacher! Ich kann mich noch gut daran erinnern: Wenn ich als Kind die schwere Tür zu Tante Idas Kolonialwarenladen aufdrückte und die Glocke klingelte, hatte das etwas wohltuend Heimisches. Die früheren Kolonialwarenläden waren mit ihrem nostalgischen Einkaufscharme eine echte lokale Kommunikations- und Informationsstätte.  Es gab mal eine Zeit, da gab es fast in jeder Straßenecke einen solchen sogenannten „Tante Emma-Laden“. In meiner Straße, der „Herrengärten“, befand sich ebenfalls einer dieser wundervollen Einkaufsmöglichkeiten. In der Zeit von 1957 bis 1977 führte dort Ida Gordner, zusammen mit ihrer Tochter Gretel Maue, einen kleinen gemütlichen Laden. Bei Tante Ida bekam man alles, was das Herz begehrte. Brot, Butter, Milch, Eier, frisches Obst. Gemüse, Wurst und für den Vater eine Literbombe „Schäfer Spezial“.

Bei Tante Ida an der Theke
Tante Ida’s Kolonialwarenladen

Meine Eltern schickten mich als kleiner Junge immer zum Einkaufen. Das war, im Gegensatz zu heute, kein Problem. Der nächste Kolonialwarenhandel lag wie bereits erwähnt direkt in meiner Straße, praktisch vor der Haustür. Heute wäre so etwas undenkbar. In den meisten saarländischen Kommunen findet man nicht einmal mehr eine Bäckerei. Vielerorts sucht man verzweifelt nach Alternativen und findet diese in Automaten oder in Projekten wie z.B „Smart Village“, dass sich besonders in unserem Nachbarort Berschweiler bewährt hat. „Smart Village“ ist ein Modellprojekt, bei dem in Landkreis St. Wendel die digitale Nahversorgung im ländlichen Raum erprobt wird. Das bedeutet, dass die Menschen digital ihre Ware bestellen können und ein Lieferservice die Produkte abholbereit an einen zentralen Ort bringt. Wie man hört, scheint scheint das Projekt ganz gut zu funktionieren.

Bei uns auf dem Land wird der Weg zum Einkaufen immer länger und aufwendiger. Stimmt das eigentlich oder sind wir einfach nur verwöhnt? Fakt ist, gerade für ältere Menschen oder Leute ohne Fahrzeug wird das Einkaufen ganz oft zu einer echten Herausforderung. Wie konnte es nur so weit kommen? Während die großen Discounter mit Niedrig- und Schnäppchenpreisen locken, mussten die kleinen nostalgischen Kolonialwarenladen aufgrund mangelndem Kaufinteresse schließen. Am Ende konnten die etwas teureren Dorfläden dem Druck der großen Märkte einfach nicht mehr Standhalten. Das Ende ist noch lange nicht in Sicht. Die Fachleute gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren noch mehr Menschen ihre Einkaufsmöglichkeiten vor Ort verlieren werden.

Unsere Kolonialwarenläden waren etwas ganz besonders. In den meisten Fällen waren diese Geschäfte im Haus des Betreibers untergebracht. In der Regel herrschte ein familiäres Miteinander, bei dem immer der Mensch im Vordergrund stand. Ganz oft kam es vor, dass man lediglich eine Butter kaufen wollte und dabei im Gespräch die Zeit vergaß. Auch das „Anschreiben lassen“ war völlig normal. Unsere Straßenläden waren neben der Einkaufsmöglichkeit auch ein Ort der Kommunikation. Das Dorfgeschehen spiegelte sich unter anderem in den vielen kleinen Straßenläden wieder. So war es auch in dem kleinen Laden von Tante Ida. Nach dem Tode ihres Ehegatten Albert Gordner, im November 1956, war sie aufgrund ihrer nur kleinen Rente gezwungen ihr Einkommen, durch die Leitung ihres Geschäftes, zu erhöhen. Nach einer abgeschlossenen Umschulung hatte sie sich die Berechtigung zur Leitung eines Lebensmittelgeschäftes erworben.

Ida Gordner war eine warmherzige und gutmütige Frau und suchte stets den Dialog mit ihren Kunden. Genau diese Eigenschaft geht im heutigen Zeitalter der Discounter und großen Einkaufszentren verloren. Der kleine Laden in meiner Straße „Herrengärten“ wurde im Jahre 1977 geschlossen. Die Inhaberin Ida Gordner verstarb am 11.November 1994. Mit ihr ging eine außergewöhnliche Persönlichkeit verloren. Ich denke noch heute gerne zurück an den schönen kleinen Kolonialwarenladen in unserer Straße.

Kolonialwarenladen Härtel
Ida Gordner und ihre Tochter

Die Dörfer verlieren immer mehr ihre originalen alteingesessene Einkaufsmöglichkeiten. Wo findet man heute noch ein Familienunternehmen, das eine Bäckerei oder gar eine Metzgerei leitet? Heute müssen wir froh darüber sein, dass zumindest die großen Fachbetreibe mit kleineren Filialen in unserem Dorf bleiben. Vielerorts können die Menschen sich froh schätzen, wenn überhaupt eine Einkaufsmöglichkeit vorhanden ist. An dieser Stelle sollten wir uns alle auch einmal selbstkritisch hinterfragen, ob wir unsere ehemals vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten ausreichend genutzt haben. Haben wir nicht viel zu oft den Weg zum nächsten Discounter gewählt? Letztendlich muss sich diese Frage jeder selbst beantworten.

Die vielen Dirminger Kolonialwarenläden gehören heute längst unserer Geschichte an. Ich erinnere mich an viele wunderschöne Lädchen wie zum Beispiel „Böttcher“ oder „Schwammbach“ und    „Härtel“. Zudem existierten Kolonialwarenläden in der heutigen Urexweilerstraße, im Mühlbach oder auf dem Hundsberg. Mit Wehmut denke ich an die Zeit der „Tante-Emma-Läden* zurück. Ich denke so etwas kommt nie wieder !

In anderen Ortschaften geht man mittlerweile wieder „Back to the Roots“ und versucht durch Bürgerinitiativen oder Genossenschaften eine Selbstversorgung zu gewährleisten. Es ist gut, wenn Menschen Verantwortung übernehmen und für ihre Rechte einstehen. Das kann am Ende auch mal in eine andere Richtung gehen. In Eppelborn und Hierscheid versuchen Anwohner verzweifelt das geplante Großprojekt „Hierschder’Graben“ zu verhindern. In Dirmingen hingegen laufen die Bemühungen um einen neuen Verbrauchermarkt auf Hochtouren. Wann wird es endlich soweit sein ? Für unsere älteren Bewohner wäre ein neuer Verbrauchermarkt in der Ortsmitte ein Segen. Ich glaube wir befinden uns auf einem guten Weg! Der Neubau eines Verbrauchermarktes ist in Sicht und könnte in absehbarer Zeit zur Realität werden. Manchmal will gut ding Weile haben !

Ein Kommentar

  • Kuhn Guido

    Im Mühlbach gab es auch alles was man brauchte, boornegels Edeka, linsche brück kolonialware, Metzgerei und gasthaus maries, tankstelle, die waldschenke , rewe schirra und de karls Bäcker. Fahrradgeschäft Scherer nicht zu vergessen, dort habe ich mein erstes Fahrrad gekauft.

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