Warum ist die „Derminga Kerb“ so wichtig für unsere Dorfgemeinschaft ?

„Wem is die Kerb? Uus“! Die diesjährige 276. „Derminga Kerb“ sorgte vielerorts für Begeisterung. Dabei schafft es unsere kleine, schnuckelige „Kerb“ immer wieder moderne Unterhaltungsmetoden mit uralten Traditionen zu verbinden. An drei Festtagen wurde nicht nur auf dem Festplatz sondern auch in den Dirminger Gaststätten, im Belkerstadion und in den privaten Unterkünften und Häusern gefeiert. Ja genau, richtig gelesen: Auch dieser alte Brauchtum ist längst noch nicht ausgestorben und erfreut sich neuer Beliebtheit. Immer mehr Leute feiern die Kirmes auch Zuhause, in den eigenen vier Wänden. Dabei darf zur „Kerb“ der selbstgebackene „Kerwekuche“ nicht fehlen. Noch heute sitzen viele Familien am „Kerwesonntag“ zusammen um gemeinsam zu feiern. Die allermeisten dieser Familienfeiern enden mit einem Besuch auf dem Festplatz. Tradition verbindet nicht nur in unseren Familien sondern auch in unserer Dorfgemeinschaft. Unsere „Kerb“ gehört zu den ältesten Dorffesten unserer Gemeinde und ist bis heute geprägt von uralten Traditionen. Vermutlich wurde schon vor dem Kirchweihfest unserer Stengelkirche, im Jahre 1746, in Dirmingen Kirmes gefeiert. In unseren Quellen gibt es Hinweise die darauf deuten, dass schon im 17.Jahrhundert unmittelbar nach dem 30-jährigen Krieg, Kirmes gefeiert wurde. Wann und in welcher Form dieses Fest ausgerichtet wurde ist nicht zu belegen. Alte Verse und Tanzlieder zeigen uns jedoch ganz deutlich das unsere Kerb auf eine lange Geschichte blickt.

An der „Derminga Kerb“ feiern wir die Kirchweihe der heutigen evangelischen Kirche zu Dirmingen in der Ortsmitte. Fakt ist, die „Derminga Kerb“ ist kein Patronatsfest und hat auch nichts mit dem Patroziniumstag der hiesigen St. Wendalinusgemeinde oder der St. Wendler Wendalinuskirmes zu tun. Bis die Reformation im Jahre 1575 Dirmingen erreichte, wurde die Kirche ausschließlich von Katholiken benutzt. Danach wurde die Kirche den Protestanten zugesprochen. Im Jahre 1742 wurde das Kirchenschiff polizeilich geschlossen. Die Sicherheit der Kirchgänger wurde durch herabfallende Steine gefährdet. Am 27.April des Jahres 1746 wurde der Grundstein für den Neubau der Kirche gelegt. Der Teil des historischen Turmes wurde dabei erhalten. Schon am 06.November 1746, nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr, fand die Kirchweihe statt. Seitdem wird in Dirmingen die „Kerb“ gefeiert. Die Bevölkerung Dirmingens einigte sich im Laufe der Jahre, aufgrund der nicht feststehenden Kalendertage, auf den letzten Oktobersonntag als Kirchweihtag. Das letzte Oktoberwochenende liegt etwa in der Mitte des zeitlich stark schwankenden 27.Trinitatissonntages und bot sich somit als feststehender Termin an. Im Jahre 1968 dachte der Dirminger Gemeinderat kurzzeitig darüber nach, die “Kerb” vorzuziehen. Der Gemeinderat wollte mit dieser Terminverschiebung dem Patroziniumstag des heiligen Wendalinus, der hiesigen katholischen Wendalinus Pfarrgemeinde, entgegenkommen. Am Ende wurde jedoch am feststehenden Termin im Oktober festgehalten.

Endlich wieder Blasmusik zur Ausgrabung der Kerb
Das „Kerwepaar“ 2022: Charlotte und Luca

In diesem Jahr 2022 durften wir uns während den Feierlichkeiten zur 276 „Kerb“ über eine Besonderheit freuen. Erstmals seit vielen Jahren wurde die „Kerb“ zur gleichen Zeit, wie das tatsächliche Patronatsfest der katholischen St. Wendalinusgemeinde Dirmingen, ausgetragen. Tatsächlich gab es Zeiten, in den darüber gestritten wurde, warum wir in Dirmingen Kirmes feiern. Anfänglich war dies noch den Querelen der beiden in Dirmingen existierenden Kirchengemeinden geschuldet. Später nahm sich die Politik dieses Thema zur Brust und vermischte allzu oft Wunschdenken mit Realität. Ich habe längst das Gefühl gewonnen, dass den allermeisten Menschen in Dirmingen völlig egal ist, warum wir eigentlich Kirmes feiern. Wichtig ist, dass die „Kerb“ auch zukünftig stattfindet. Es geht also längst nicht mehr um das eigentliche Kirchweihfest sondern vielmehr um ein Volksfest mit historischen Hintergrund. Würde der Kulturverein nicht allzu viel Wert auf den Erhalt alter Traditionen legen, wäre das allermeisten schon vergessen. Unsere „Kerb“ hat in den letzten 276. Jahren einen langen Weg von einem kirchlichen Fest zu einem wahren Volksfest zurückgelegt.

Festzug zum Festplatz im Brühl
Ausgrabung der Derminga Kerb mit Festzug zum Festplatz

In vielen saarländischen Ortschaften orientiert sich die Durchführung der eigenen Kirmes an der eigentlichen Kirchweihe. Im Mittelalter entstanden in unserem Land zahlreiche Kirchenbauten. Die Bevölkerung begangen diese, neuen Kirchenbauten mit einem Fest. Aus dem althochdeutschen „chirihwihi“ wurde im mittelhochdeutschen „kirchwihi“ und durch Unterdrückung des „ch“ die „Kirwihe“. Bereits im 15 Jahrhundert entstand der Begriff „Kirwe“ und durch Verstärkung des Buchstaben „w“ zu „b“ „kirb“ und „Kerb“. Belegt ist also das die eigentliche Kirchmesse, einer zur Weihe der neuen Kirche gehaltenen ersten Messe herzuleitende Ausdruck Kirmes demnach ein Gedenktag wie „Kirbe“, „Kirb“ oder wie bei uns „Kerb“. Dabei hatte die Durchführung des bunten Kirmestreibens immer sehr viel mit der Religion, der Heimat und auch mit dem Dialekt und somit auch mit der eigenen Identität zu tun.

Traditionelle „Kerwerede“ von Hans-Peter Hoffmann.
Ohne Kulturaner keine Kirmes ?

Schon früh wurde die kirchliche Handlung eines Kirchweihfestes mit der Durchführung eines Marktes oder weltlichen Festtreiben verbunden. Diese Entwicklung führte recht bald zu einer Lockerung der kirchlichen Bindung. Die eigentliche Kirchweihe geriet immer mehr in den Hintergrund. Ähnlich mag es sich auch den gerade in katholischen Gemeinden üblichen Patronatsfest ergangen sein. Dabei hat ein Patronatsfest nie etwas mit einer Kirchweihe zu tun ! Heute sind wir von allen christlichen Riten und Festlichkeiten weit entfernt. Schade eigentlich, orra ? Wenn ich mir ansehe wie viele Leute heute den traditionellen Kirchweihgottesdienst am Kirmessamstag besuchen, bereitet mir das große Sorgen. Klar, nicht nur die Kirche steckt in einer Krise. In diesen, für uns alle schwierigen Zeiten, sollten wir jedoch versuchen etwas enger zusammenzurücken. Weltliche und christliche Werte sind für eine homogene Dorfgemeinschaft über lebenswichtig. Wir dürfen niemals vergessen woher wir kommen und wer wir sind. Kein anderes Fest hat mehr mit Identifikation zu tun als die eigene „Kerb“. Wenn wir unsere Wurzeln vergessen, wird es schwer weiterzumachen.

Wem is die Kerb? Uus !!!
Ballspende zum Kirmesspiel

In Dirmingen versuchen wir seit über 20 Jahren das Image der „Kerb“ aufzuwerten. Ich glaube das ist uns auch in diesem Jahr 2022 ganz gut gelungen. Dabei haben die meisten Bräuche und Sitten auch im Entferntesten nichts mit der herkömmlichen Kirchweihe zu tun. Im Grunde geht es darum immer neue Wege aufzusuchen um das bunte Kirmestreiben aufzuwerten. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Festplatz. Schon nach dem 30- jährigen Krieg begann man damit zur Kirmes verschiedenen Gesellschaftsspiele anzubieten. Stangenklettern nach dem „Kerwehahn“ oder „Kerwehammel“, Wettlauf der Mädgde, Lauf der Schwerter, Ringkämpfe, Kegelspiele Tänze, Vogelschießen, Ball-Fecht und Tanzspiele Steckenpferdreiten und Aufführungen von Schauspielen standen auf der Tagesordnung. Im Laufe der Jahre nahm die Entwicklung der „Kerb“ rasanten Formen an. Dabei wurde das Angebot naturgemäß immer wieder an die entsprechende Zeit Epoche angepasst. Heute wird es zusehends schwieriger Schausteller zu gewinnen um der Bevölkerung ein entsprechendes Angebot auf dem Festplatz zu unterbreiten.

Immerhin haben wir noch einen Autoscooter
Immerhin haben wir noch Fahrgeschäfte für unsere Kinder

Ich stehe jetzt seit zwei Jahren in der Verantwortung und kann aus eigener Erfahrung berichten, dass es von Jahr zu Jahr schwerer wird den Festplatz mit zuverlässigen Schaustellern zu befüllen. In vielen saarländischen Dörfern wird seit Jahren nicht mehr Kirmes gefeiert. Unser Ortsrat und der Kulturverein kämpfen dafür, die eigene „Kerb“ zu erhalten. Dabei versuchen wir in jedem Jahr unser Angebot zu erweitern. In diesem Jahr ist es gelungen ein weiteres Fahrgeschäft für Kleinkinder zu bekommen. Außerdem durften wir uns nach der Zusage des MV Wiesbach endlich wieder über Blasmusik zur Kirmeseröffnung freuen. Am „Kerwemontag“ wurde in der Ortsmitte erstmals „Live-Musik“ mit Jürgen Nürnberger angeboten. Fakt ist: Wir müssen uns in jedem Jahr strecken um die „Kerb“ zu erhalten. Dabei ist mir in diesem Jahr besonders aufgefallen, dass genau dies von unseren Bürgerinnen und Bürgern verstanden wurde. An allen drei Festtagen wurde der Festplatz gut besucht. Auch unsere Gastronomie blickt zufrieden auf das Kirmeswochenende. Während vielerorts die eigene Dorfkirmes zu einem Auslaufprojekt verkommt, erlebte unsere Kerb in den letzten beiden Jahren einen Aufschwung. Woran liegt das ? Haben wir Dirminger tatsächlich einen besonderen Bezug zu unserer Kirmes ? Religiöse Gründe können wir diesbezüglich endgültig ad acta legen. Heute wird die „Kerb“ von Katholiken, Protestanten und Moslems gleichwertig gefeiert. Ich persönlich glaube, dass alleine unsere Mühen belohnt werden und die „Kerb“ nichts anderes mehr ist, als ein Volksfest. Wenn sich der Kulturverein gemeinsam mit dem Ortsrat nicht dermaßen ins Zeug legen würden, hätten wir kaum noch Spaß an der eigenen „Kerb“. Es ist immer das, was man daraus macht ! Ich habe das Gefühl, dass unsere „Kerb“ trotz aller weltlichen und religiösen Probleme auf dieser Welt längst noch nicht vor dem Aussterben bedroht scheint.

Zur „Kerb“ neue Wege gehen.
Wie immer: „Mordstreiwe“ beim „Schuhhannesse“

Im Jahre 1999 küsste unser damaliger Ortsvorsteher Rudi Hell die etwas in die Jahre gekommene „Derminga Kerb“ wach. Gemeinsam mit seinen Vasallen des Kulturvereines Dirmingen schaffte er eine Aufwertung des bunten Kirmestreibens. Dabei waren die Kulturaner immer darauf bedacht, eine gewisse Einheit zu demonstrieren. Die „Derminga Kerb“ wird jedes Jahr unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ durchgeführt. Mit diesem Slogan soll der Zusammenhalt im Kulturverein und in der Bevölkerung gestärkt werden. Ziel ist es, die „Kerb“ als Fest der Dirminger in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Heute spielt es längst keine Rolle mehr, ob man evangelischen oder katholischen Glaubens ist. Im Vordergrund stehen der Mensch, die Heimatliebe und die Lust am Leben. Für die Außendarstellung spielt ein einheitliches Auftreten eine gewichtige Rolle. Aus diesem Grunde beschlossen die „Kulturaner“, sich ein gemeinschaftliches Aussehen zu verschaffen. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende wurden die bekannten „weiß-blauen Musketier-Kostüme“ zum Markenzeichen der Kulturaner. Die blauweißen Farben des Kostüms erinnern an die Wappenfarben des Heimatortes Dirmingen. Musketiere stehen zudem für Patriotismus, Zusammenhalt, Ehre und Loyalität. Mit diesen Eigenschaften kann sich der Kulturverein zur eigenen „Kerb“ gut identifizieren. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch viele Jahre die Tradition aufrechterhalten und am letzten Oktoberwochenende „Kerb“ feiern können. Stellt sich die Frage, wie es uns gelingt, die „Kerb“ fit für die Zukunft zu machen. Dazu benötigen wir meiner Meinung nach einen gemeinsamen Schulterschluss alle Vereine, Gremien und Verbände. Hinter den Kulissen wird vieles geleistet: Menschen schmücken den Festwagen, andere stellen ihr Eigentum zu verfügen und wieder andere kümmern sich um Technik. Das alles ist in den meisten Fällen eine Selbstverständlichkeit. Wie lange noch ?

Rückblickend war die 276. „Derminga Kerb“ im Jahre 2022 ein tolles Volksfest. Wir können mit der diesjährigen Durchführung der „Kerb“ durchaus zufrieden sein. In Dirmingen haben wir im Laufe der Jahre gelernt zu feiern. Wir wissen, wir man die eigene „Kerb“ feiert ! Die „Derminga Kerb“ ist längst in die persönliche DNA eines jeden Dirmingers übergegangen. Unsere Aufgabe wird es sein, genau diesen „Status Quo“ zu erhalten. Mein Dank geht an alle die sich in irgendeiner Form an der diesjährigen „Kerb“ beteiligt haben. Es sind schwere Zeiten und nicht jeder kann sich einen ausgiebigen Kirmesbesuch mit seiner Familie leisten. Dennoch pilgerten auch in diesem Jahr zahlreiche Familien auf den Festplatz. Ich deute dies als gutes Zeichen und bin überzeugt davon, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Volksfeste wie die „Kerb“ sind Balsam für geschundenen Seele eines Dorfbewohners. Wenn wir die „Kerb“ als Teil unserer eigenen Dorfidentität verstehen, werden wir noch viele Jahre Freude daran haben. Vor der „Kerb“ ist nach der „Kerb“. Viele Menschen beneiden uns wegen unserer kleinen, aber recht feinen Dorfkirmes. Genau das gilt es zu verstehen und in die zukünftigen Planungen einfließen zu lassen. Die „Kerb“ hat in Dirmingen einen hohen Stellenwert und stärkt jährlich unsere Dorfgemeinschaft und nicht zuletzt auch unser „Wir-Gefühl“. Alleine dafür lohnt es sich zu kämpfen !

Mit Spaß an der Sache – Kirmes im Kopp !

Hoher Besuch aus der gesamten Gemeinde. Neben dem Bürgermeister Feld besuchten zahlreiche Ortsvorsteher unsere Kerb.

Die 276. Derminga Kerb ist also Geschichte ! Was bleibt am Ende eines dreitägigen Volksfestes ? Was nehmen wir in unsere zukünftigen Planungen mit ? Was können wir besser machen ? Wichtig ist, den Schwung der diesjährigen „Kerb“ mitzunehmen in das kommende Jahr 2023. Stellt sich die Frage wann wir im kommenden Jahr „Kerb“ feiern werden. Die 277. „Derminga Kerb“ wird in der Zeit vom 28.10.23 bis zum 30.10.23 gefeiert. Wenn es nach mir geht, wird das „Lisje“ dann auch wieder vom Ortsvorsteher wachgeküsst. Bis dahin lassen wir das drollige „Kerwepäärchen“ ruhen und freuen uns nach dem diesjährigen bunten Kirmestreiben auf das nächste Jahr 2023. Spätestens dann wird es wieder überall in Dirmingen heißen: „Wem is die Kerb? Uus! – Einer für alle, alle für Einen“

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