Dirmingen – Ein Tag im Jahr 1635

Dirmingen im 30-jährigen Krieg. Das Land liegt in Trümmern. Der 30-jährige Krieg gehörte zu den blutigsten Ereignissen Europas. Was als Religionskonflikt zwischen Protestanten und Katholiken begann, mündete in einer Katastrophe. Der Krieg begann mit dem Aufstand des protestantischen Adelsbundes gegen die gewaltsame Rekatholisierung durch die habsburgischen Landesherren. Mit dem sogenannten Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 begann einer der schrecklichsten Kriege Europas. Dabei war der Krieg am Ende nicht nur ein Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, sondern auch zwischen den europäischen Großmächten. Das Gemetzel dauerte ganze 30 Jahre und kostete zwischen drei bis neun Millionen Menschen das Leben. Bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von 15 bis 20 Millionen Menschen liegt die Opferzahl in Relation höher als die des Zweiten Weltkriegs. Die Auswirkungen des dreißigjährigen Krieges waren besonders in den Dörfern spürbar. Als der Dreißigjährige Krieg im Jahre 1618 ausbrach, war die heutige Saargegend zunächst kaum davon berührt. Im Jahre 1624 erschienen erstmals Soldaten an der Saar. Langsam bekamen auch die Menschen an der Saar die Auswirkungen dieses furchtbaren Krieges zu spüren.

Wie aber sah es damals, während des 30-jährigen Krieges, in unserem Dörfchen aus? Im Jahre 1634 gab es in Dirmingen nachweislich noch eine Kirche, ein Pfarrhaus und insgesamt 54 Häuser. Darunter waren zahlreiche Häuser, die nicht mehr oder nur noch sporadisch bewohnt waren. Ein Versuch, einen Tag in Dirmingen im Jahre 1635 zu rekonstruieren, sollte naturgemäß scheitern. Schließlich war ich aus natürlichen Gründen selbst nicht dabei. Ich habe einmal mehr versucht, einen Tag in Dirmingen im Jahre 1635 nachzustellen. Ich werde bei diesem Versuch bestimmt nicht frei von Fehlern gehandelt haben. Dennoch oder “graad se lääds” möchte ich es wagen:

Pfarrer Georg Zedinger ist seit einem Jahr Pfarrer des kleinen Dorfes am Zusammenfluss der Ill und Alsbach. Als er am Morgen des 12. Oktober 1635 die Augen öffnet. hört er den Regen auf das Dach seiner Unterkunft prasseln. Langsam schwingt er seine Beine aus dem Bett, um dann sein Gesicht in seine großen Hände zu legen. Er wünscht sich endlich aus diesem Alptraum aufzuwachen. Als er vor Jahr und Tag Pfarrer von Dirmingen wurde, hatte er viele Wünsche und Pläne in seinem Gepäck. Der Krieg hat all‘ seine Träume zerstört und ihm ein Leben in trister Armut beschert. Von einer seelsorgerischen Arbeit eines Dorfpfarrers kann kaum die Rede sein. Zedinger erhebt sich aus seinem Bett und tritt vor einen zerbrochenen Spiegel der lose an der Wand hängt. Was gäbe er für einen Topf frischen, warmen Wassers und ein Stück Seife. Er nimmt sein Hemd von einem Stuhl und setzt sich wieder auf sein Bett. Dieses Bett, ein Tisch und der Stuhl mit ein paar Habseligkeiten sind alles, was ihm geblieben sind. Er nimmt seine Bibel in die Hand und drückt sie fest an seine Brust. Sein Vater hatte ihm einst diese Bibel geschenkt. Er sollte einmal ein gutes Leben als Dorfpfarrer führen und sich in seiner Arbeit verwirklichen. Dieser Wunsch scheint durch den Krieg in weite Ferne gerückt zu sein. Täglich streifen neue Soldateska durch das Land und machen sich auf die Suche nach Beute. Die wenigen Leute, die im Dorf geblieben sind, müssen jeden Tag in den Wald flüchten und dort so lange verharren, bis sich die Söldner wieder davon machen. Wie lange soll dieses Elend noch anhalten. Zedinger geht zum Fenster und blickt in Richtung Dorfmitte. Über allem ragt das kleine Kirchlein in der Ortsmitte. Er denkt: „Gottlob blieb unser Gotteshaus bis dahin verschont“. Zeidinger nimmt tief Luft und schüttelt seinen Kopf. Er fragt sich, wie viele Gottesdienste er bis heute gehalten hat. Seine Arbeit beschränkt sich seit seiner Ankunft nur noch auf das Beerdigen der vielen verstorbenen Dorfbewohnern und dem Trösten der Hinterbliebenen. Der Pfarrer senkt seinen Kopf und fragt sich, was ihn noch in diesem Dorf hält. Warum hat er nicht längst das Weite gesucht? Aber, wohin? Boten berichteten davon, dass es Dörfer gibt, in denen sich die Menschen vor Hunger selbst zerfleischen.

 

Als er seinen Kopf wieder hebt sieht der Pfarrer den Meier Konrad Sultzen über die Straße in Richtung Pfarrhaus eilen. Der Pfarrer streift seinen Mantel über und geht zur Haustür. Als er die Tür öffnet steht der Meier bereits vor ihm und kommt ohne Gruß auf den Punkt: „Itzen hott et noch dat Kleene vom Bauer Martin krett, dau musschd kumme.“ Der Pfarrer fährt sich durch den vollen Bart und murmelt: „is et Typhus orra de Hunga?“ Stultzen hebt die Schultern und schüttelt verzweifelt den Kopf. „Der darf itze net noch dat letzchde Kennd verliere“. Der Pfarrer nickt verständnisvoll und entgegnet: „Ich benn Parre on kenn Quacksalber“.

Die beiden Männer laufen in Richtung Berschwilre. Der Bauer Martin wohnt unterhalbe der Alsbach- Mühle zwischen Berschwilre und Derming. In Höhe der Kirche kommt Margarethe die Frau des Meiers Sultzen den beiden Männern entgegen. Mit Tränen in den Augen legt sie ihren Kopf auf die Brust ihres Mannes und sagt leise: „Es Kennd es itze grad Gang, der Herrgott hott et geholl“. Stultzen küsst seine Frau auf das Haar und drückt sie fest an seine Brust. Verzweifelt blickt er den Pfarrer an und schüttelt wieder Mals den Kopf. Der Pfarrer nimmt seinen Hut vom Kopf und fährt sich durch das graue Haar. „Geh’n Hemm. Ich geh‘ itzen hin zum Bauer und bete für sei Familich“. Konrad Sultzen nickt und geht mit seiner Frau Margarethe in Richtung seines Hauses an der Illaue. Der Pfarrer blickt den Beiden hinterher und grummelt in seinen Bart: „Wieviel messe noch geh’n, wann ist‘s zu End?“

Mit schwerem Herzen geht der Pfarrer in Richtung Hof des Bauers Martin. Der Regen wird stärker und durchnässt seine Kleidung. Zeidinger wischt sich durch sein Gesicht und beginnt ein Selbstgespräch zu führen: „Herrgott, wie lang wilschd dau noch zugucke? Mir sterwe die Leit weg wie Motte. Mir hann nur noch 15 Leit em Dorf. Itze muss et Enne.“

Als Georg Zedinger vor der Tür des Hofes steht hört er schon das Weinen und Klagen der Frauen. Bauer Martin hat in diesen Zeiten alle vier Kinder verloren. Der Pfarrer klopft an die schwere Holztür und ruft: „Hört, itzen es hier euer Parre, mache off?“

Der Bauer Martin öffnet die Tür und blickt den Pfarrer mit leeren Augen an. „Was wollt‘ ihr Pfaffe? Do is keen heil Seel me se fenne. Mei Kenna hott allegare der Krieg orra die Seuch geholl‘“. Pfarrer Zedinger geht an dem Bauer vorbei in das Haus und murrt:“ Loss uus bete“.

Martin setzt sich an seinen großen Holztisch und blickt den Pfarrer vorwurfsvoll an: „Ihr glaabt itze immernoch an de Herrgott? Wenn et denne werklich gebt, tät er dohei ebbes mache.“ Elisabeth die Frau des Martin betritt apathisch den Raum. Der Pfarrer stellt sich vor Sie hin und sagt:“ Elsbeth, et tut mir leed“. Die Frau blickt durch den Pfarrer durch und verlässt das Haus. „Loss et geh‘n“, sagt der Bauer, „sie hat de Glaabe verlor‘“.

Pfarrer Zedinger nickt, zieht seinen Hut auf und verlässt ebenfalls das Haus. Der Regen hat aufgehört und der Pfarrer geht in Richtung seiner Hütte. In Höhe der Kirche kommen zwei Reiter aus Richtung Eppelbrunn angeritten. Der Pfarrer erschreckt und beschleunigt seinen Gang. „Senn das werra die Soldadeska?“ fragt sich der Geistliche. Als die beiden Reiter den Pfarrer in der Ferne erspähen geben Sie ihrem Pferd die Peitsche. Nach nur wenigen Augenblicken haben Sie den Dorfpfarrer eingeholt. Zedinger hat keine Angst. Prüfend blickt er den beiden Reitern ins Gesicht und fragt:“ Was soll‘ es itze werden? Keen Geld, keen Essen und nur noch wenig Leben“.

„Seid ihr der Paffke in diesem Gehöf‘?“ Zedinger nickt und erwidert: „Wer fragt“? „Ich bin Rentmeister Klicker, ich bereise das nassauische Land, um dem Fürsten Meldung zu geben. Mein Weg führt mich zur kerpischen Reichsherrschaft nach Illing und ebend nach Ottwilre. Wir kommen von der buseckischen Herrschaft Eppelbrunn das dem lothringischen Oberamt Schaumburg untersteht. Dort in Eppelbrunn haben wir nur noch eine alte Frau angefunden. Habt ihr davon gehört, dass in Saarbruck nur noch 70 Menschen leben? Wie vielen Seelen sind hier noch mit Leben?

Der Pfarrer nimmt wieder seinen Hut vom Kopf und klopft damit seine staubige Hose aus. „Itze senn es noch 15 Leut‘ Herr Rentmeister Klicker.“ Der große, karge Mann auf dem Pferd nickt und spuckt auf die schlammige Straße. „ 15 Seelen ? Und wie heißt dieses Dorf?“ Der Pfarrer schaut dem Rentmeister tief in die Augen und antwortet schließlich: „Derming‘ ist’s“

Der Rentmeister steigt von seinem Pferd und reicht seinem Gefährten die Zügel. „Die Soldateska treiben auf fürchterliche Weise ihr Unwesen. Höfe werden niedergebrannt, Felder verwüstet, Vieh geschlachtet, Menschen verjagt, gefoltert, geschändet oder getötet. Diejenigen die nicht umgebracht wurden, sterben an Hunger, Seuche oder Krankheit. Sagt, habt ihr noch Essen?“ Der Pfarrer schüttelt den Kopf und antwortet:“ Nur dad wat ma verstoppelle kunnde, et reicht net zum Läwe.“

Der Rentmeister nickt und legt seine Hand auf die Schulter des Pfarrers. „Überall erschlagene, gefolterte, geschundene und vergewaltigte Menschen, die nicht begraben wurden und einfach vor sich hin verwesen. Ausgebrannte Städte, verwüstete Dörfer, kahle Äcker und verbrannte Erde. Ich bin es so müde. Unter den Adligen bei Hofe glaubt man, dass in den Dörfern am Ende keiner überleben wird. Glaubt ihr das? “ Der Pfarrer nickt zustimmend und blickt in Richtung seiner Unterkunft. „Ist es euch, dort lebt ihr?“ fragt der Gefährte des Rentmeisters. “Jo, vor dem Krieg wollt‘ das Dorf itze e Pfarrhaus baue, doraus es nix mehr genn.“

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Der Rentmeister geht in die Hocke, nimmt ein Stück Lehm in die Hand und raunt: „Verbrannte Erde“. Ich muss dem Fürsten berichten, wie es in seinem Reich zugeht. Habt ihr Wasser? Der Pfarrer schüttelt den Kopf. Der Rentmeister geht zu seinem Pferd und sagt: „In dem Städtlein Ottweiler, darin die Vorstadt mehrenteils abgebrannt, befinden sich nicht mehr als zehn gesunde Bürger und sieben Kranke, die übrigen sämtlich nebst dem größten Teil der Untertanen vom Land an der Pest und anderen infizierenden Schwachheiten verstorben und die übrigen noch täglich lägerhaft werden, daher alle Häuser mit der Schwachheit angesteckt. Auch hat kein einziger Bürger Brot und das Geringste an Früchten im Vorrat, sondern sie müssen sich nun eine geraume Zeit hero von bishero insoliert gewesen Fürstenbergischen Soldaten, denen sie außerhalb dreschen und beitragen helfen, ernähren. Die Dorfschaften, so zu diesem Amt gehörig, sind bis auf fünf Dörfer, darinnen aber die Untertanen fast gänzlich hinweggestorben, abgebrannt und in dem ganzen Amt keine Frucht noch Fütterung mehr vorhanden. Was man haben will, muss man mit Gefahr in den lothringischen und trierischen Ämter Schaumberg und St. Wendel abholen. Exwilre, Schiffwilre, Stennwilre, Mainzwilre, Hirzwilre, Wemmetswilre, Neumünster und Steinbach sind durch den trierischen Gubernator Cherfontaine ganz in Asche gelegt. In Ober -und Niederlinxwilre , Berschwilre und hier in Derming stehen nur noch etliche Häuser. In Fürth leben noch zwei Untertanen, Dörrenbach ist ausgestorben bis auf zwei kleine Mädchen. Welschbach ist ganz ausgestorben, Wiebelskirchen ist bis auf vier Untertanen ausgestorben, Neunkirchen und Spiesen sind mehr als halber abgebrannt. In diesen beiden Orten leben nicht mehr als vier Untertanen, Wellesweiler ist fast ganz ausgestorben und teils verbrannt ( Originalbericht des Rentmeisters Klicker). Auf meiner Reise durch das Reich sah ich viel Not und Elend. Das Volk hat sich aufgegeben und scheint verloren. Sagt, wollt‘ ihr nur beim Sterben zusehen, Paffke?“

Der Rentmeister setzt sich wieder auf sein Pferd und blickt den Pfarrer fragend an. Schließlich fordert er: „Holt die Leute zusammen und lasst sie alle zur Kirche kommen. Ich möchte etwas kundtun. “ Der Pfarrer blickt den Rentmeister ungläubig an und entgegnet: „Meint ihr wirklich, die Leut‘ käme hierher? Alle sitze itze en ihrem Versteck on senn vor Angschd geplagt. Do kemmt doch keena raus. Ich weiß doch garnet ob itze noch enna gestorb‘ es.“

Der Rentmeister nickt, reißt die Zügel um und reitet in Richtung Illaue. Am ersten völlig zerstörten Haus angekommen erhebt der Kurier seine Stimme: „Wenn nassauisch- protestantische Leut‘ in der Nähe sind, solltet ihr heraustreten. Es soll euch kein Leid geschehen. Der Fürst sendet euch eine Botschaft.“

Nach wenigen Sekunden öffnet sich die erste Tür. Die alte Luise tritt aus ihrem Haus und blickt ängstlich in Richtung des Rentmeisters. „Was?“ faucht die Alte den fürstlichen Boten an. Ein paar Meter weiter kommt der Weber Matthias Engel mit einer Heugabel bewaffnet auf die Straße.  „Was wollt ihr verdammten Soldadeska?“ Gerade als der Rentmeister Rede und Antwort stehen möchte erklingt hinter ihm eine Stimme: „Wer seid ihr?“ Der Rentmeister und sein Gefährte wenden ihre Pferde und erblicken einen jungen Mann und eine junge Frau. Der Mann hält ein Knüppel in seiner Faust und die Frau ist mit einer Heudresche bewaffnet. „Was wollt ihr“, fragt der junge Mann erneut mit scharfer Stimme: „Ich bin Johannes und dass es mein Weib Anna, mir wisse uns zu verteidigen.“

Der Rentmeister hebt beruhigend die Hände und sagt mit fester Stimme: „Ich komme im Auftrag des Fürsten zu Nassau-Saarbruck. Ich komme, um nach den Lebenden Ausschau zu halten und um dem Fürsten zu berichten. Wie ist es euch ergangen?“ Die Dorfbewohner schauen sich gegenseitig an, bis der der Weber Engel fragt: „Habt ihr ein paar Gulden oder etwas zu Essen für uns?“ „Nein“, entgegnete der Rentmeister, „Ihr solltet das Dorf verlassen und mit uns nach Ottwilre kommen. Vielleicht ergeht es euch dort besser als an diesem unsäglichen Gehöf‘. „Dieses Gehöf es uusa Dehemm“ zischt der junge Johannes in Richtung der beiden Reiter. „Mir bleiwe itze hier, en ussem Dorf“ ergänzt die junge Anna.

Der Rentmeister nickt verständnisvoll und erwidert: „Niemand möchte euch zwingen, aber bedenkt hier seid ihr weiterhin ungeschützt“. Der junge Johannes schaut seinen Pfarrer an und erwidert trotzig: „Was soll noch komme? Was solle ma noch iwwastehen? Wer sagt, dass et uus en Ottwilre nett dadselwe widerfährt?“ Pfarrer Zeidinger hebt seine Hände und versucht die Spannung aus der Situation zu nehmen: „Losse die Waffe falle, der Rentmeister es keen Gefahr fier euch“.

Der Regen wird stärker und die Kleidung des Pfarrers ist bis auf den Lein durchnässt. „Seht Herr Rentmeister, die Leut bleiwe hier, wer sollt et uus verdenke?“ Der Rentmeister nickt seinem Gefährten zu und erwidert:“ Ja, wer soll es euch verdenken. Gehabt euch wohl.“

Die beiden Reiter verlassen in Richtung Wustwilre das Dorf und blicken nicht mehr zurück. Die Bewohner sehen sich kurz um und gehen mit hängenden Köpfen zurück in ihre zerstörten Häuser. Pfarrer Zedinger nickt seinen Landsleuten aufmunternd zu und setzt seinen Weg in Richtung seiner Behausung fort. Mit gesenktem Haupt schreitet der Pfarrer über die schlammigen Straßen und hat große Mühe in den vielen Pfützen das Gleichgewicht zu halten.

In Höhe des Brühls kommt der Meier Konrad Schultzen dem Pfarrer entgegengeeilt. „Sagt, Paffke, wat wollte die Männer? Waren es Soldadeska, Wegelagerer orra Bettler?“ „Kuriere des Fürsten war’ens“, raunte der Pfarrer. „Sie wollten uns mit hole nach Ottwilre zum Fürsten. Dort wäre et sicher!“ Der Meier legt die Hände in seine Hüfte und blickt in Richtung Wustwilre. Der Regen hat mittlerweile nachgelassen und die beiden Männer verharren nebeneinander. Der junge Maier Konrad Schultzen bricht endlich das Schweigen und sagt: „Schon recht, mir bleiwe itze hier, en unsem Dorf, do hott et angefang‘ on do soll et ach emol enne.“ Der Pfarrer klopft dem Maier anerkennend auf die Schulter und geht in Richtung seiner Baracke.

Der Rentmeister ist völlig erschöpft als er in Ottwilre ankommt. Müde wirft er seinem Gefährten die Zügel seines Pferdes zu und begibt sich in Richtung des alten Schlosses. Der Fürst sitzt an einem großen Tisch und verbirgt sein Gesicht in seinen beiden großen Händen. Graf Walrad zu Nassau-Saarbrücken war als siebenter und jüngster Sohn des Grafen Wilhelm Ludwig erst seit einigen Monaten im Amt. Der junge Graf hatte sich seine Regentschaft weitaus schöner vorgestellt. Der Rentmeister Klicker tritt an den großen Tisch des Fürsten und murmelt leise: „Mein Fürst, ihr hattet mich gebeten Meldung über das Land zu machen. Darf ich kundtun?“ Der Fürst blickt seinen Untertanen an und murmelt in seinen Bart: “Sprecht Klicker“.

Der Rentmeister berichtet: „In dem Städtlein Ottweiler, darin die Vorstadt mehrenteils abgebrannt, befinden sich nicht mehr als zehn gesunde Bürger und sieben Kranke, die übrigen sämtlich nebst dem größten Teil der Untertanen vom Land an der Pest und anderen infizierenden Schwachheiten verstorben und die übrigen noch täglich lägerhaft werden, daher alle Häuser mit der Schwachheit angesteckt. Auch hat kein einziger Bürger Brot und das Geringste an Früchten im Vorrat, sondern sie müssen sich nun eine geraume Zeit hero von bishero insoliert (einquartiert) gewesen Fürstenbergischen Soldaten, denen sie außerhalb dreschen und beitragen helfen, ernähren. Die Dorfschaften, so zu diesem Amt gehörig, sind bis auf fünf Dörfer, darinnen aber die Untertanen fast gänzlich hinweggestorben, abgebrannt und in dem ganzen Amt keine Frucht noch Fütterung mehr vorhanden. Was man haben will, muss man mit Gefahr in den Lothringischen und Trierischen Ämter Schaumberg und St. Wendel abholen. Exweiler, Schiffweiler, Stennweiler, Mainzweiler, Hirzweiler, Wemmetsweiler, Neumünster und Steinbach sind durch den trierischen Gubernator Cherfontaine ganz in Asche gelegt. In Ober -und Niederleinxweiler , Berschweiler und Dirmingen stehen nur noch etliche Häuser. In Fürth leben noch zwei Untertanen, Dörrenbach ist ausgestorben bis auf zwei kleine Mädchen. Welschbach ist ganz ausgestorben, Wiebelskirchen ist bis auf vier Untertanen ausgestorben, Neunkirchen und Spiesen sind mehr als halber abgebrannt. In diesen beiden Orten leben nicht mehr als vier Untertanen, Wellesweiler ist fast ganz ausgestorben und teils verbrannt.“ (Originalbericht des Rentmeisters Klicker im Jahre 1635)

Diese Geschichte ist auf der Grundlage historischer Ereignisse frei erfunden, wobei es die namentlich erwähnten Personen tatsächlich gegeben hat. Ziel ist es den Lesern und Menschen unseres Heimatortes die Geschichte Dirmingens näher zu bringen und dem Vergessen entgegenzuwirken. So wie in dieser frei erfundenen Geschichte, könnte es sich am Ende tatsächlich zugetragen haben !

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