Die Suche nach der eigenen Identität und einer bleibenden Erinnerungskultur – Persönliche Erinnerungen eines Dirmingers an die „Alte Mühle“

Mühlen waren für die Menschen in unserem Dorf von existenzieller Bedeutung und ein wichtiger Bestandteil des dörflichen Lebens. Der Wasserreichtum der Ill- und Alsbach sorgte schon im Mittelalter dazu, dass Menschen mit Hilfe von Wasserrädern die natürliche Energie der Bachläufe für den Betrieb von Getreidemühlen nutzen. Die historische „Alte Mühle“ am Ufer des Illbachs prägte über Jahrhunderte hinweg das Ortsbild unseres Heimatdorfes. Genau dort, wo einst, die im Volksmund bekannte „Alte Mühle“ stand, befindet sich heute das Zentrum „Alte Mühle“ mit Arztpraxen und Geschäftsräumen. Dabei war die sogenannte „Alte Mühle“, auch „Guthörl’sche Mühle“ genannt historisch gesehen eigentlich die „Neue Mühle“. Die älteste Mühle Dirmingens hingegen stand an der Alsbach in Richtung Berschweiler. Die letzten Reste dieses Mühlenkomplex wurden im Verlauf des zweiten Weltkrieges entfernt und zum Bau von Behelfsheimen genutzt. Heute befindet sich in etwa dort, wo einst die ursprüngliche erste „Alte Mühle“ stand, dass Kelterhaus des Obst- und Gartenbauvereins und das Kleinspielfeld des TV 04 Dirmingen.

Bis heute ranken sich einige Mythen und Legenden um die „Alte Mühle“ am Ufer der Ill. Zu den bekanntesten Sagen gehört der Fund eines historischen Schatzes auf dem Dachboden der Mühle im 20. Jahrhundert. Aber auch der nebellöse Brand des Vorgängerbaus aus dem 18. Jahrhundert sorgt bis heute für Gänsehaut. In beiden Weltkriegen suchten Flüchtlinge in der Mühle eine Notunterkunft und so manchem Soldaten bot das Anwesen einen rettenden Schlafplatz. Neben den beiden Kirchenbauten der hiesigen evangelischen und katholischen Kirchengemeinden gehört die „Alte Mühle“ zu den Wahrzeichen des Dorfes. Während die beiden Kirchenbauten sowie das historische evangelische Pfarrhaus unter Einzeldenkmalschutz stehen und immer noch ihren Nutzen tragen, wurde die „Alte Mühle“ im Jahre 1990 abgerissen. Den hohen Stellenwert der Dirminger Mühlen erkennt man auch daran, dass sich Mühlenräder auf dem Ortswappen unseres Heimatortes befinden. Im Januar 1976 strebte die Gemeindeverwaltung eine Umbenennung von Straßen innerhalb der Gesamtgemeinde Eppelborn an. Dabei wurde ausdrücklich das Ziel verfolgt gleiche Straßennamen innerhalb der Gemeinde zu vermeiden. Die Bahnhofstraße, an der sich die ehemalige Mühle befand, wurde zu der Straße „Zur alten Mühle“ umbenannt.

Nach dem 30- jährigen Krieg entwickelte sich Dirmingen zu einem wohlhabenden Bauerndorf. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden in Dirmingen zwei Mahlmühlen, eine Ölmühle und eine Sägemühle. Schon in der Häuserbeschreibung des Fürstentums Nassau-Saarbückens, aus dem Jahre 1634, sind für Dirmingen zwei Mühlen als Eigentum der anwohnenden Müller vermerkt. Das Oberamt Ottweiler war an der Vergabe von Mühlenrechten durchaus interessiert. Immerhin bedeutete die Abgaben von Mühlenrechten eine ansehnliche Einnahme für die Kellerei des Oberamtes. Im Januar 1733 meldeten sich mit Hans Nicol Wagner und Hans Jacob Wagner zwei Dirminger Bürger in Ottweiler, um einen zweiten Mühlenbau in der Ortsmitte am Rande der Illbach zu beantragen. Die beiden Männer begründeten ihr Vorhaben damit, dass bereits vor 100 Jahren zwei Mühlen in Dirmingen existierten. Schließlich hätte sich laut den Antragstellern die Einwohnerzahl des Dorfes erhöht. Letztendlich würde durch den Bau einer neuen Mühle auch die Einnahmen der Herrschaft zu Nassau-Saarbrücken vermehrt. Nach einem längeren Verfahren mit diversen Anhörungen legte das Oberamt die Ausschreibung eines Mühlenneubaus fest. Nach zähen Verhandlungen und einem langwierigen Bieterverfahren fiel schließlich am 24. September 1733 eine Entscheidung. Die Fürstin von Nassau und Gräfin von Saarbrücken Charlotte Amalia hatte nach dem Tod ihres Mannes die Aufgabe im Namen der noch nicht volljährigen Prinzen Carl und Wilhelm Heinrich eine Entscheidung kundzutun. Der Erbleihbrief wurde dem meistbietenden Nicol Zimmer aus Wiebelskirchen verliehen. Mit der Entscheidung der Herrschaft von Saarbrücken-Nassau und des zuständigen Oberamtes zu Ottweiler war somit der Bau einer neuen Mühle besiegelt. Die damaligen Initiatoren des Dirminger „Mühlen-Projekts“, Hans Nicol Wagner und Jakob Wagner hatten im Kampf um die Mühlrechte das Nachsehen. Der Müller Nicol Zimmer machte sich umgehend an den Neubau einer Mühle im Ortszentrum Dirmingens. Im Jahre 1742 brannte die neugebaute Mühle aus bisher ungeklärten Gründen bis auf die Grundmauern nieder. Die Witwe des Müllers baute trotz vieler Widerstände gemeinsam mit ihrem Schwiegersohn Heinrich Bickelmann die Mühle an gleicher Stelle wieder auf. Bei diesem Neubau handelt es sich um das historische Gebäude, dass bis heute im Volksmund „Alte Mühle“ genannt wird. Im Jahre 1748 verstarb die Witwe des Müllers Eva Margaretha Zimmer, womit der Schwiegersohn Johann Heinrich Bickelmann nach einem langen Erbstreit mit weiteren Hinterbliebenen die Mühle übernehmen konnte.

Im Jahre 1759 wurden die Mühlrechte der neuen Mühle dem Dirminger Georg Guthörl übertragen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Müller Georg Guthörl stolzer Besitzer der „Höchster Mahl-und Oligmühlen“. Johann Bickelmann strebte nach einigen Jahren seines Wirkens einen Tausch seiner Dirminger Mühle mit der „Höchster Mühle“ an. Georg Guthörl war sofort mit dem Besitzerwechsel einverstanden und freute sich über seine neue Mühle in seinem Heimatort. Am 19. März 1759 wird der Wechsel der Eigentümer der „Neuen Dirminger Mühle“ und der „Höchster Mühle“ amtlich beurkundet und die beiden auf diese Mühlen lautenden Erbbestandsbriefe entsprechend abgeändert und die Namen der neuen Eigentümer umgeschrieben. Mit diesem Besitzertausch kam die neue „Alte Mühle“ an der Ill erstmals zu ihrem Häusernamen „Guthörl’sche Mühle“.

Bis zum zweiten Weltkrieg wurde der Mühlenbetrieb nachweislich weitergeführt. Nachdem der Mühlenkomplex ihren eigentlichen Nutzen verloren hatte, wurde das historische Gebäude zunächst auf vielfältige Art und Weise genutzt. Unter anderem fanden die Poststelle und auch der Kindergarten für kurze Zeit in der „Alten Mühle“ eine Unterkunft. Inmitten der 1980-ger Jahren befand sich das Gebäude in einem jämmerlichen Zustand. Im Jahr 1989 wuchs der Druck auf die verantwortliche Gemeindeverwaltung. Der Gemeinderat musste über zwei vorliegende Bauanfragen und damit über die Zukunft des historischen Gebäudes entscheiden. Nachdem die Bauanfragen zunächst auf Eis gelegt wurden, hoffte die Gemeindeverwaltung auf andere Nutzungsinteressen und die Aufwertung des Mühlenkomplexes. Nachdem das alte „Kläse Haus“ zu Beginn der 1960-er Jahre abgerissen wurde, befürchtete die Bevölkerung den Verlust eines weiteren historischen Gebäudes. Man entschloss sich damals den Landeskonservator anzufragen, ob das Saarland „kein Interesse“ hätte in den Mühlenkomplex zu investieren. Leider wurde diese Anfrage aus Kostengründen abgelehnt. Eine finanziell vertretbare Restaurierung rückte mehr und mehr in den Bereich des Unmöglichen. Bis zuletzt hoffte man in Dirmingen auf eine einvernehmliche Lösung, die den Erhalt des historischen Mühlenkomplex sicherstellte. Im Spätsommer des Jahres 1990 wurde schließlich das Urteil über die „Alte Mühle“ Dirmingen gefällt. Der Gemeinderat stimmte einer Bauvorlage eines Arzt- und Geschäftshauses zu und besiegelte damit den Abriss der historischen „Alten Mühle“. Im Jahre 1995 folgte der Neubau eines Arzt-und Geschäftshauses. Natürlich wurde mit dem Neubau dieses Arzt- und Geschäftshauses eine enorme Aufwertung der eigenen Infrastruktur hergestellt. Auf der anderen Seite verlor nicht nur unser Heimatort sondern auch die gesamte Region einen historischen Schatz. Heute findet man in den Räumen des Zentrums “Alte Mühle” Ärzte -und Geschäftsräume sowie eine Apotheke. So entstand genau an der Stelle an der einst die historische „Alte Mühle“ stand eine durchaus sinnvolle Einrichtung für die Menschen unseres Dorfes.

Als Heimatforscher steht man natürlich unweigerlich vor der Frage, ob es nicht doch möglich gewesen wäre die „Alte Mühle“ im Ortszentrum zu erhalten. Der Dirminger Bürger Dr. Rüdiger Neufang, Fachtierarzt für Pferde, für Tierschutz und für öffentliches Veterinärwesen hat auf meine Anfrage Stellung bezogen und aus seiner Sicht der Dinge die damaligen Geschehnisse reflektiert und für meinen Blog niedergeschrieben:

Ich danke Dr., Rüdiger Neufang für diese Ausführungen und die Bereitstellung seiner persönlichen Erinnerungen auf meinem Blog. Bis heute ist die „Alte Mühle“ ein fester Bestandteil unserer Geschichte. Die Mühle steht noch heute sinnbildlich für den landwirtschaftlichen Aufschwung in unserem Heimatort nach dem 30-jährigen Krieg. Mit Hilfe der Landwirtschaft und der vorhanden Mühlen wurde unser Heimatort zu einem der wohlhabendsten Bauerndörfern im ehemaligen Kreis Ottweiler. Am Ende bleibt uns nur die Erinnerung an einen wunderschönen historischen Mühlenbau aus dem 18. Jahrhundert. Dem historischen „Hiwwelhaus“ in Alsweiler hätten wir mit unserer Mühle ganz bestimmt Konkurrenz machen können. Fakt ist: Mit dem alten „Kläse Haus“, dem alten Gemeindehaus und der „Alten Mühle“ hat unser Dorf binnen weniger Jahrzehnte wertvolle historische Schätze verloren. Schade !

7 Kommentare

  • LoKiLeCh

    Zu dem „Schatz“ kann ich etwas beitragen. Es befanden sich darin Silbermünzen Louis XV écu von 1772. Mein Vater merkte in Erinnerung an die Nachkriegsjahre dazu an:

    „Also rackerte ich und schweifte im Übrigen mit dem Fahrrad durchs Land. Die Erbbestandsmühle der mütterlichen Vaterlinie besuchte ich, mit dem Zeichenblock, saß auf der Mauer und strichelte. Das merkte der Müller und guckte mir über die Schulter. Gleich sagte er mir, kommen Sie mit herein und so lernte ich die Vorfahrenschaft aus dem Stammbaum in der Wohnstube. Mein Onkel (der Paläontologe im Gesteinswesen Paul Guthörl), das ließ mich Jakob Guthörl wissen, kehre immer mal zu Kaffeepause ein. Schon verschwand der reiterlich O-beinige, recht gesprächige „Gut-Öhrle“, kam mit einem Beutel zurück und ließ daraus ein Häufchen Silbertaler klimpern. Nimm dir einen! Müller Jakob: Er hätte das Säckchen unterm Dachgebälk gefunden, als er dort die Marderfalle kontrolliert hatte. Verteilte nun daraus an Nachfahren des Taler-Guthörl, wenn sie der Ahnen halber die Mühle besuchten, und somit ein bisschen gemeinsames Erbgut als Souvenir erhielten. Das Wohnhaus der Mühle ist ein Würfel von zwei Stockwerken, mit paarigen gekoppelten Fenstern, mit gemütlichen Schlusssteinbögen oben und vor allem mit prächtigen, mansardierten Walmdach darüber.“

    Näheres zur Münze:
    SIT NOMEN BENEDICTUM (Der Name des Herrn sei gepriesen) 1770 mit belorbeerten Wappenschildern drei Lilien dazwischen und einer Krone darüber. Die Kehrseite machte mit: Ludovicus XV und so weiter umlief ein schöner klassizistischer königlicher Herrscherbildnis (vom Vorabend der Revolution).

    Ein Foto der Münze und eines Wandtellers mit der Mühle als Motiv macht es anschaulich.

  • Kevin Christmann

    Hallo,

    Meine Großmutter war eine gebürtige Guthörl. Im Rahmen meiner Ahnenforschung habe ich herausgefunden, dass ihre Vorfahren aus Dirmingen stammen und dass auch die Georg Guthörl Besitzer der „Guthörl’sche Mühle“ ein Vorfahre von mir ist. Schade, dass es sie nicht mehr gibt und was mit dem Gebäude über all die Jahre passiert ist. War aber sehr interessant zu lesen. Vielen Dank dafür.

  • Was für ein faszinierender Beitrag aus der Geschichte dieses Dorfes. Besonders schön ist die alte Mühle. Sie zeigt, dass der Mühlenanlagenbau ein traditionsreiches Handwerk ist.

  • kleinfrank

    Hallo, schon vor dem zweiten Weltkrieg im 20. Jahrhundert wurden auf dem Dachboden der Mühle Münzen aus dem frühen 18. Jahrhundert gefunden. Niemand wusste wo das Geld herkam und zu wem es gehörte. Angeblich hatte der „Schatz“ einen beachtlichen Wert. Viele Grüße

  • Katja Pick

    Toller Beitrag… Für mich haben die alten Bilder etwas mystisches. Kennt jemand die Geschichten und Sagen über die Mühle? Was war das für ein Schatz? Ich bin ganz fasziniert von solch alten Geschichten

  • kleinfrank

    Vielen lieben Dank !

  • Was für eine faszinierende Reise in die Geschichte unseres Dorfes! Der Artikel über die „Alte Mühle“ zeigt auf beeindruckende Weise, wie eng das Leben der Menschen früher mit solchen Mühlen verwoben war.
    Liebe Grüße,
    Melanie

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