An des Kirchberg’s sanften Hange, legten Sie das Fundament – 277.“Derminga Kerb“ im Herzen des Illtals

Anlässlich einer Kirchenvisitation im 18. Jahrhundert wurden Mitglieder des Presbyteriums gefragt, ob es denn Säufer in der Gemeinde gäbe. Die Antwort des Pfarrers lautete: „Nicht das ich wüsste. Dafür hat in diesen Elenden Zeiten der Herrgott uns Zaum und Gebiss ins Maul gelegt. Nur an der Kerb saufen Sie sich alle voll“

(Originalzitat * „Gedenket den vorigen Tagen“ -Seite 152)

Wem ist die „Kerb“? Uuuus! Dieser bekannte Schlachtruf wird jährlich nicht nur zur Eröffnung unserer „Derminga Kerb“ geschmettert. Ganz bestimmt kennt man diesen bekannte Ausruf auch in anderen saarländischen Dörfern und grölt ihn zur eigenen „Kirb, Kärb, Kirw, Kirf, Kerb oder Kirmes. Ein jedes Dorf nach seiner Façon. Wer hat’s erfunden und wem gehört nun die „Kerb“? Ist das so wichtig? Nein, natürlich nicht! Für mich persönlich ist die „Kerb“ ein Dorffest für alle Dirminger, Freunde und Gönner. Eine Konfession oder eine Parteizugehörigkeit spielt dabei keine Rolle. Diese Zeiten sind längst vorbei und haben am Ende auch viel zulange angedauert. Aus meiner Sicht sollte ein Volksfest wie die “Kerb” die Grenzen überwinden und Brücken schlagen. Streit, Missgunst und Neid haben auf diesem Fest nichts verloren.

Heimatliebe und ein kleines Stück „Dorfpatriotismus“ gehören fest zur persönlichen Einstellung eines echten „Derminga’s“. Das alles spiegelt sich wie kaum ein anderes Fest in der eigenen „Kerb“ wider. Zugegebenermaßen sollte man heutzutage vorsichtig sein mit Wörtern wie Patriotismus oder Heimatliebe. Auf der anderen Seite sind wir aus dem Gröbsten raus und ich denke ein gesundes Verhältnis zum eigenen Heimatort kann nicht schaden, orra ?

An des Kirchberg’s sanften Hange, legten Sie das Fundament, fügten Stein um Stein zusammen und brachten so ihr Werk zu End

Quelle: Kirchbücher – Evangelische Kirchengemeinde Dirmingen 18. Jahrhundert

Natürlich feiern wir an der „Derminga Kerb“ die Kirchweihe der heutigen evangelischen Kirche zu Dirmingen in der Ortsmitte. Fakt ist, die „Derminga Kerb“ ist kein Patronatsfest und hat auch nichts mit dem Patroziniumstag der hiesigen St. Wendalinusgemeinde oder der St.Wendler Wendalinuskirmes zu tun. Der Geschichte zu Ehre muss erwähnt werden, dass der Turm der heutigen evangelischen Kirche vermutlich aus der zweiten Hälfte des 13.Jahrhunderts stammt. Nachdem die Reformation im Jahre 1575 Dirmingen erreichte, wurde die Kirche ausschließlich von Protestanten benutzt. Im Jahre 1742 wurde das Kirchenschiff polizeilich geschlossen. Die Sicherheit der Kirchgänger wurde durch herabfallende Steine gefährdet. Am 27.April des Jahres 1746 wurde der Grundstein für den Neubau der Kirche gelegt. Der Teil des historischen Turmes wurde dabei erhalten. Schon am 06.November 1746, nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr, fand die Kirchweihe statt. Seitdem wird in Dirmingen die „Kerb“ gefeiert. Die Bevölkerung Dirmingens einigte sich im Laufe der Jahre, aufgrund der nicht feststehenden Kalendertage, auf den letzten Oktobersonntag als Kirchweihtag. Das letzte Oktoberwochenende liegt etwa in der Mitte des zeitlich stark schwankenden 27.Trinitatissonntages und bot sich somit als feststehender Termin an. Im Jahre 1968 wurde im damaligen Gemeinderat kurzzeitig darüber nachgedacht die “Kerb” vorzuziehen. Der Dirminger Gemeinderat wollte mit dieser Terminverschiebung dem Patroziniumstag des heiligen Wendalinus, der hiesigen katholischen Wendalinus Pfarrgemeinde, entgegenkommen. Am Ende wurde jedoch am feststehenden Termin im Oktober festgehalten. Soweit ein kurzer Abriss zur Entstehung der „Derminga Kerb“.

Es gab Zeiten, in denen ein konfessioneller Kleinkrieg die Entwicklung der Dorfkirmes hemmte. Eigentlich möchte ich dieses Thema nicht mehr aufgreifen und endlich ruhen lassen. Fakt ist jedoch, dass auch diese Thematik ein Teil unserer Geschichte widerspiegelt. Heute spielen Fragen wie z.B : „Wem es die Kerb“ oder „Wem gehört die Kirche“ oder „Wem gehört der Friedhof“ gottlob keine Rolle mehr. Gut so ! Die Kerb ist längst zu einem Volksfest für alle „Derminga“ geworden. Ganz gleich, welche Konfessionen oder Nationalität man mit sich trägt.

Bei der Dirminger „Kerb“ handelt es sich also um ein Kirchweihfest im eigentlichen Sinne. Aus dem einstmaligen Kirchweihfest entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte die Veranstaltung mit Buden und Karussells so wie wir sie heute kennen. Früher durfte an der „Kerb“ niemand arbeiteten. Für die Bauern waren es die einzigen freien Tage im Jahr. Es war ein Fest für die ganze Familie. Bis heute ist es laut Volksmund guter Brauch, das eigene Land, Wiesen und Gärten bis zur „Kerb“ gemäht oder bewirtschaftet zu haben. Der bekannte Baumeister Friedrich- Joachim Stengel erbaute die barocke Kirche in der Ortsmitte. Ganz nebenbei erschaffte der berühmte Baumeister so bekannte Werke wie z.B die Ludwigskirche, die Kirche St. Johann Saarbrücken und den Neubau des Schlosses in Saarbrücken. Ob der Baumeister jedoch jemals selbst in Dirmingen war, um sein Werk zu erblicken, ist nicht belegt. Allein die Baupläne stammen nachweislich aus der Feder des berühmten Meisters.

In den 1990-er Jahren wurde das Interesse der Menschen an der eigenen Kirmes von Jahr zu Jahr weniger. Die Schausteller beklagten den Rückgang der Einnahmen. Genau zu dieser Zeit reiften die ersten Überlegungen, der eigenen „Kerb“ ein neues Ansehen zu verschaffen. Die ersten Gedankenspiele der Verantwortlichen gingen dahin, den Menschen im Dorf ihre eigene Kirmes wieder nahe zu legen. Gesagt, getan! Im Jahre 1999 wurde erstmals die Kirmes unter Mithilfe einer “Kernmannschaft“, des späteren Kulturvereins, im „Kläse“-Keller ausgegraben. Zum „Leben erweckt“ wurde eine Strohpuppe, die mit einer Flasche Schnaps aus dem alten „Kläse“-Keller herausgetragen wurde. Mit dieser ersten Ausgrabung der „Kerb“ hatte der Ortsvorsteher Rudi Hell zusammen mit seinen Mitstreitern den Bann gebrochen. Nur kurze Zeit später erfolgte die Gründung des Kulturvereins Dirmingen. Seit seiner Gründung ist der Dirminger Kulturverein, gemeinsam mit dem Ortsrat, für den Erhalt des Kirmesbrauchtums in Dirmingen verantwortlich. Jedes Jahr pilgern zahlreiche Schaulustige zum „Kläse“-Keller, um dort der Ausgrabung des ”Kerwe-Lisje” und des “Kerwe-Hennes” beizuwohnen. Am Samstag, 28.Oktober 2023 um 16:00 Uhr ist es wieder soweit! Die Kulturaner stehen Spalier und der Ortsvorsteher wird das „Kerwepaar“ 2018 wach-küssen.

Jedes Jahr stellt man sich im Dorf die Frage: Wer wird es wohl in diesem Jahr sein? Stimmt schon, ich mache jedes Jahr ein großes Geheimnis aus den Acta „Lisje“. Warum eigentlich? Weil es Spaß macht und ich es schöner finde, wenn die Leute überrascht werden. Im Jahr 2000 gab es in Dirmingen erstmals ein „lebendiges“ „Kerwelisje“. In den ersten Jahren war das „Kerwe-Lisje“ noch auf sich allein gestellt. Erst im Jahre 2003 nahm erstmals ein „Kerwe-Hannes“ Platz an der Seite des „Lisjes“. Der Kulturverein investiert seitdem viel liebe Mühe in die Aufwertung der „Kerb“. Heute hat die „Kerb“ einen festen Platz in unserem Ortskalender. Einfacher wird die Sache jedoch nicht! Wie erhalten wir die „Kerb“ und wie gelingt es uns die Schausteller auch weiterhin in unser Dorf zu locken? Die berechtigte Kritik unserer Jugend, dass es an einem Karussell für Jugendliche mangelt, ist bei den Verantwortlichen längst angekommen. Es ist unheimlich schwer überhaupt Schausteller für die eigene Dorfkirmes zu gewinnen. Natürlich würden wir gerne auf die Stimme unserer Dorfjugend hören. Alleine an der Umsetzung scheiterte es in den letzten Jahren. Eine Dorfkirmes für die Schausteller attraktiv zu machen ist eine gewaltige Aufgabe. Viele Schausteller gehen lieber auf die großen Martini-Kirmessen oder die ersten Weihnachtsmärkte. Von daher sind wir ganz glücklich, dass wir noch gute, treue und freundliche Schausteller haben.

Die Kulturaner waren schon sehr früh darauf bedacht, eine gewisse Einheit zu demonstrieren. Die „Derminga Kerb“ wird jedes Jahr unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ durchgeführt. Mit diesem Slogan soll der Zusammenhalt im Kulturverein und in der Bevölkerung gestärkt werden. Ziel ist es, die „Kerb“ als Fest der Dirminger in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Dabei spielt es wie bereits erwähnt längst keine Rolle mehr, ob man evangelischen oder katholischen Glaubens ist. Im Vordergrund steht der Mensch, die Heimatliebe und die Lust am Leben. Für die Außendarstellung kann ein einheitliches Auftreten natürlich eine gewichtige Rolle spielen. Aus diesem Grunde beschlossen die „Kulturaner“, sich ein gemeinschaftliches Aussehen zu verschaffen. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende wurden die bekannten „weiß-blauen Musketier-Kostüme“ zum Markenzeichen der Kulturaner. Die blauweißen Farben des Kostüms erinnern an die Wappenfarben unseres Heimatortes Dirmingen. Musketiere standen im 18. Jahrhundert, zur Zeit des Kirchbaus, für Patriotismus, Zusammenhalt, Ehre, Treue und Loyalität. Mit diesen Eigenschaften kann sich der Kulturverein zur eigenen „Kerb“ gut identifizieren.

Soweit so gut ! An die Krüge fertig los ! Ist es wirklich so einfach ? Nein ! Unsere Dorfgemeinschaft benötigt jährlich eine enorme Anstrengung um das bunte Kirmestreiben durchführen zu können. Was wir brauchen ist Mut und Innovation. Wir sollten immer wieder versuchen neue Wege zu beschreiten und Veränderungen voranzutreiben. Auch unsere Kirmes muss sich mit den Fragen unserer Zeit beschäftigen. Die Kosten für eine Karussellfahrt bringen so manch eine Familie gerade zum Ende des Monats an den Rand des Machbaren. Vielerorts fehlt es zudem am Identifikation mit dem bunten Kirmestreiben. Natürlich ist längst nicht alles Gold was glänzt. Wir müssen uns immer wieder strecken und uns um unsere „Kerb“ bemühen. Das beginnt meistens schon im Kleinen. Ein Besuch auf der „Derminga Kerb“ sollte für jeden echten „Derminga“ eine Selbstverständlichkeit sein. Um unsere „Kerb“ zu bewahren müssen wir uns immer wieder neu erfinden und bereit dazu sein einen Schritt mehr zu gehen. Genau das macht eine homogene Dorfgemeinschaft aus ! Ich persönlich bin da ganz optimistisch und durchaus überzeugt davon, dass wir noch sehr lange am letzten Oktoberwochenende „Kerb“ feiern können. Wir müssen es nur wollen ! Also: „Wem es die Kerb ? Ey,nadielich uus!“

Es ist kein Dörflein gar so klein, Daß nicht drin’ sollt des Jahrs eine Kirmes sein.

(Johann Nepomuk Vogl)

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