21. Februar 1945 – Das Wunder um den Tabernakel

Im zweiten Weltkrieg mussten die Menschen in unserem Dorf 23 Luftangriffe über sich ergehen lassen. Der 21. Februar 1945 wurde zu einem wahren Schicksalstag für die Katholiken unseres Dorfes. An diesem schönen Vorfrühlingstag wurde, die im Jahre 1911 erbaute Kirche auf dem Rothenberg, während eines Luftangriffes völlig zerstört. Bis heute ranken sich viele traurige aber auch schöne Geschichten um diesen schwarzen Mittwoch im Februar 1945. Anna Andres war während des zweiten Weltkrieges Lehrerin der katholischen Schule in Dirmingen. Mit ihren persönlichen Erinnerungen und Eintragungen in die Schulchroniken hat uns Anna Andres einen historischen Schatz hinterlassen. Detailliert beschreibt Sie das schreckliche Geschehen in unserem Dorf. Dabei wird auch die Geschichte rund um den Bombenangriff auf die katholische Kirche Dirmingen thematisiert.

Anna Andres schrieb:

„Es war der 21.Februar 1945. Die milde Vorfrühlingssonne neigte sich schon gegen Westen. Die Leute machten sich zur Fastenandacht bereit, als plötzlich die gefürchteten Jabos am Horizont auftauchten und über dem Dorf ihre Kreise zogen. Ängstlich brachte man sich in Sicherheit. Dann das zur Gewohnheit gewordene Sausen, Krachen, Splittern. Das Geräusch abziehender Flieger! Als die Leute wieder aus Bunkern und Kellern herauskamen, wurde es ihnen zur Gewissheit, dass dieser 21.02.1945 zum Schicksalstag für die Dirminger Katholiken geworden war. Denn diesem Angriff fiel unser schönes, erst 1911 erbautes Kirchlein auf der Höhe zum Opfer. Fast die ganze Inneneinrichtung war zerstört. Nur die im Jahre 1941 gebaute Orgel blieb verschont. Die Katholiken standen tief erschüttert vor den Trümmern, aber voll Glauben und Hoffnung. Unversehrt in all den Trümmern stand der Tabernakel mit dem Kelch und den hl. Hostien. Ein heiliges Gelöbnis stieg auf in ihren Herzen, die Kirche wieder aufzubauen, schöner und größer als sie war. Ein Trost war es, dass die evangelische Kirchengemeinde uns in jenen schweren Stunden ihr Gotteshaus in selbstloser Weise zur Verfügung stellte, dass das heilige Opfer weiter gefeiert werden konnte. So brachte das Unglück fertig, was ein Prozess vor ungefähr 150 Jahren nicht zustande brachte, wobei den Katholiken das Recht zugesprochen wurde, in der evangelischen Kirche ihren Gottesdienst zu halten, was aber dann doch wieder in die Brüche ging.“

Die katholische Kirchengemeinde hatte trotz dieses schrecklichen Angriffs großes Glück im Unglück. Um 18:00 Uhr sollte in der katholischen Kirche eigentlich eine Fastenandacht stattfinden. Nur wenige Minuten zuvor kam es zu dem verheerenden Bombenangriff. Nicht auszudenken, wenn die Jabos später angegriffen hätten.

Der damalige Küster Peter Bastuck berichtete:

„Bereits einen Tag nach dem schrecklichen Angriff kam die Frau des evangelischen Pfarrers Engel, der zum Kriegsdienst eingezogen war in das Pfarrhaus und teilte Herrn Pastor mit, dass die evangelische Kirchengemeinde den Katholiken die evangelische Kirche zur Mitbenutzung überlassen wolle und Herr Pastor möge einverstanden sein.……Mit großer Niedergeschlagenheit standen wir in der für uns fremden Kirche, aber auch mit froher Dankbarkeit den evangelischen Christen gegenüber, die auf diese Weise Anteil an unserem Unglück nahmen. Wir fühlten uns bald als christliche Freunde, obschon uns manches trennte. Von diesem Bewusstsein getragen, haben wir das Gebet um Vereinigung aller Christen im wahren Glauben vielleicht noch nie mit solcher Inbrunst gebetet, wie in der evangelischen Kirche.“

Seltsamerweise kamen sich die Christen beider Konfessionen in der gemeinsamen Not viel näher als je zuvor. Das sogenannte Simultaneum wurde fast 5 Jahre durchgeführt. Für viele Menschen war diese sonderbare Zusammenkunft, in Zeiten von konfessioneller Abneigung, ein wahres Wunder. Genauso ein Wunder wie die Geschichte um den Tabernakel der zerstörten Kirche auf dem Rotenberg. Es grenzt an ein Wunder das dieses für die Gemeinde wertvolle Gehäuse unversehrt blieb. Viele Katholiken deuteten diese Tatsache damals als Fingerzeig wobei manche sogar von einem Wunder sprachen.

Es musste also erst ein Unglück geschehen damit sich die Vernunft ausbreitete. Christen beider Konfessionen versprachen sich nach diesem schicksalhaften Mittwoch im Februar, dass zukünftig der Burgfrieden im Dorf gehalten werden sollte. In Zukunft sollten evangelische und katholische Christen friedlich miteinander leben. Dies gelang am Ende nicht immer, aber dafür immer öfter! Die heutige katholische Kirche wurde im Jahre 1950 fertiggestellt und befindet sich an der gleichen Stelle an der einst der Vorgängerbau stand. Die katholische St. Wendalinusgemeinde baut die neue Gottesburg auf dem Rothenberg auf das Fundament des alten zerbombten Vorgängerbaus.

Das graue Fundament des Vorgängerbaus –
Bildquelle: Thomas Bastuck
Bildquelle: Thomas Bastuck

Seitdem steht die Pfarrkirche der katholischen St. Wendalinus Gemeinde auf der Anhöhe Rothenberg und beherrscht mit ihrem wuchtigen Baustil weitgehend die Landschaft. Am 15. September 1947 wurde die Baugenehmigung für den Wiederaufbau der Kirche erteilt. Die Pläne für die heutige katholische Kirche entwarf der Architekt und Kirchenbauer Dominikus Böhm. Am 15. Mai 1948 wurde der Spatenstich zu diesem historischen Kirchenbau vollzogen. Am 4. Juli 1948 erfolgte die Grundsteinlegung wobei man schon am 16. Oktober 1949 das Richtfest feiern konnte. Die Einsegnung der Pfarrkirche wurde am 17. Dezember 1950 vorgenommen. Das Kirchengebäude verfügt über einen 25 Meter hohen Turm. Der Baustil verzichtet bewusst auf dekorative Elemente am Außenbau. Im inneren der Kirche befindet sich ein kleines Seitenschiff neben dem Hauptraum. Zahlreiche Maler und Künstler haben im inneren der Kirche ihre Werke hinterlassen. Neben dem Künstler und Professor Boris Kleint war der Maler Albert Kettenhofen aus Merzig im Chorraum tätig. Die Wandgestaltung entwarf Ferdinand Selgrad aus Spiesen im Jahre 1956. In der Marienkapelle der Kirche befindet sich das Grabmal des ehemaligen Pfarrers Nikolaus Didas. Pastor Didas gilt als Gründer der im Jahre 1925 gegründeten katholischen St. Wendalinus Gemeinde. Er verstarb im Jahre 1962 und wurde unter große Anteilnahme der Bevölkerung in der Kirche beerdigt. Auf dem Gelände vor der Kirche befindet sich eine kleine Marien -Kapelle. und ein besonderer Kreuzweg. Unter der theologischen Beratung von Dechant Günter Hirschauer hat die Neunkircher Bildhauerin Michaela Groß diesen Kreuzweg entworfen und mit größter Sensibilität in Aachener Sandstein gemeißelt.

Zweimal errichtete die katholische St. Wendaliuns Gemeinde binnen kürzester Zeit ein eigenes Gotteshaus, Mit enormer Eigenleistung und viel Herzblut wurde der heutige Kirchenbau und der Vorgängerbau auf dem Rothenberg zu errichten. Seitdem ist die katholische Gottesburg zu Dirmingen eines der Wahrzeichen unseres Heimatortes.

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