Dirmingens Mahnmal für Frieden – Altes Munitionsdepot im Kaselswald

Die Welt ist aus der Bahn geraten und wir leben in unruhigen Zeiten. Der Krieg in der Ukraine und der Konflikt am Gazastreifen haben uns deutlich vor Augen geführt, welche zentrale Bedeutung der Frieden hat. Als Ich im Jahre 1969 das Licht der Welt erblickte, war der zweite Weltkrieg gerade einmal 25 Jahre Teil unserer Geschichte. Mein Großvater fiel in Tschechien und auch mein Ur-Großvater musste während des ersten Weltkrieges in Russland sein Leben lassen. Meine Großtante wurde im Mai 1944 Opfer eines Bombenangriffs auf Dirmingen. Meine Familie hat während den beiden Weltkriegen einen hohen Preis gezahlt. Ich wuchs mit den Kriegserinnerungen meiner Familie und insbesondere meiner Großmutter auf. Mein Vater war Halbwaise und meine Großmutter musste zusehen, wie sie als Alleinerziehende ihr Leben meisterte. Tatsächlich wurde Zuhause nicht besonders viel über den Krieg gesprochen. Die Nachkriegsgeneration wurden oftmals als “Schweigekinder” betitelt. Der Krieg wurde einfach thematisiert. Das war Tabu ! Vielmehr bekamen die Kinder eindringlich eingebläut, wie gut es ihnen eigentlich geht und dass es keinen Grund zum Jammern gibt. Meine Generation ist mit der Verpflichtung aufgewachsen dem Vergessen entgegenzuwirken und mahnend die nachfolgenden Generationen mitzunehmen. Das was geschehen war, darf nie wieder geschehen!

Die Auswirkungen des kalten Krieges waren in den 70-er und 80-er Jahren bis in die Dörfer hinein spürbar. Die Spannungen zwischen dem Osten und dem Westen waren allgegenwärtig. Im Fernseher bekam man bedrohliche Bilder vor Augen geführt. Gegenüberstehende Panzer oder Grenzsoldaten mit angeschlagener Waffe waren an der Tagesordnung. Vor über 30 Jahren endete nicht nur der kalte Krieg, sondern auch die Zweiteilung Deutschlands. Wir alle dachten, dass schlimmste überstanden zu haben und hofften darauf, dass sich endlich die Vernunft durchsetzen würden. Unsere Kinder sollten in Frieden aufwachsen. Und jetzt? In Europa herrscht Krieg !

Noch heute befindet sich dort im Kaselswald, auf Dirminger Gemarkung zwischen Dirmingen, Urexweiler und Wustweiler, ein ehemaliges NATO-Depot. Dieses Munitionslager wurde im Jahre 1971 unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen erbaut. Insgesamt wurden während des kalten Krieges vier saarländische US-Munitionslager, in den Jahren 1971 bis 1974, errichtet. Die Baukosten für ein Depot lagen schon damals bei beachtlichen 4,5 Millionen DM. Die im Saarland vorhandenen vier US-Munitionsdepots wurden alle in forstlich genutzten Waldgebieten errichtet. Die komplette Anlage im Kaselswald besteht aus 15 erdüberdeckten Einzelbunkern, die an einer oval angelegten Ringstraße angelegt sind. Jeder einzelne Bunker war über ein Telefon mit einem separaten Wachgebäude verbunden. Früher war der Zugang mit einem mittels Kettenzug zu bewegenden, ca. 20 cm starkes Stahltor verschlossen. Heute ist die Anlage lediglich mit einem Gittertor versehen. Das Depot wurde meistens von einem deutschen Zivilpersonal bewacht. Das US-Personal war nicht ständig im Depot und kam lediglich beim Transport oder zur Kontrolle vorbei. Das überschaubare Depot war ein sogenanntes Reservedepots für das große US-Depot Miesau bei Ramstein. Die im Depot gelagerte Munition wurde in unregelmäßigen Abständen, meistens nachts, mit LKWs ausgetauscht. Das geheimnisvolle Schweigen der US-Armee zu der gelagerten Munition nährte in der Bevölkerung die vorhandenen Sorgen und Ängste. Obwohl laut Wachpersonal ausschließlich Munition für Gewehre und Pistolen, Panzergranaten und Granatwerfermunition gelagert wurden, vermuteten die Bevölkerung, dass sich chemischen, biologischen oder atomaren Waffen im Depot befanden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass während meiner Kinderzeit immer wieder schwere LKWs, der US-Armee, durch unser Dorf fuhren. Viele von diesen großen Transportern suchten den Weg zum US-Depot im Dirminger Kaselswald. Überhaupt war in den 1970ger Jahren die Präsenz von Militärfahrzeugen oder Panzer, im ländlichen Raum, weitaus höher als beispielsweise Heute. Die im Depot gelagerte Munition wurde in unregelmäßigen Abständen, meistens Nachts, mit LKWs ausgetauscht. Das seltsame Verhalten und Schweigen der US-Armee zu der gelagerten Munition nährten in der Bevölkerung große Ängste. Obwohl laut Wachpersonal ausschließlich Munition für Gewehre und Pistolen, Panzergranaten und Granatwerfermunition gelagert wurden, vermuteten die Bevölkerung, dass sich chemischen, biologischen oder atomaren Waffen im Depot befanden.

Im September des Jahre 1983 wurde ein gepanzerter Räderwagen der 1.Escadron de Cuirassiers, aus der Kaserne St. Wendel, mit dem Namen Dirmingen getauft. Zu den “Tauffeierlichkeiten”, am Reservistenheim in Dirmingen, waren damals zahlreiche Schaulustige erschienen. Neben vielen interessierten Bürgerinnen und Bürgern waren etliche französische Soldaten aus St. Wendel und Reservisten der Illtal-Kameradschaft zu den Feierlichkeiten gekommen. Als Taufpatin fungierte die Geschäftsführerin der einheimischen Schäfer Brauerei Frau Luise Brück. Unter dem Beifall der zahlreichen Schaulustigen vollzog Frau Brück mit einer Flasche Champagner die Taufzeremonie. Der damalige Dirminger Ortsvorsteher Gerhard Wagner lobte das gute Verhältnis zwischen der französischen Armee und der deutschen Reservistenkameradschaft Illtal. Bei der französischen Armee war es über viele Jahrzehnte guter Brauch den eigenen Fahrzeugen einen Namen zu geben. Die Freundschaft zwischen der französischen 1.Escadron de Cuirassiers in St. Wendel und der Reservistenkameradschaft Illtal, mit Sitz in Dirmingen, begann im Jahre 1969 und hielt bis zur Schließung der Kaserne in St. Wendel. Die Verbundenheit der Soldaten zeichnete sich unter anderem auch durch die gegenseitige Teilnahme zahlreicher Aktivitäten aus. Über viele Jahre war es eine Selbstverständlichkeit, dass die französische Armee an einem Umzug eines Dirminger Volksfestes teilnahm. Im Rahmen der Tauffeierlichkeiten des damaligen Panzerfahrzeuges Dirmingen wurde diese Freundschaft mit der Übergabe eines Wimpels feierlich fundamentiert.

Im kalten Krieg verhielten sich die ehemaligen Siegermächte des zweiten Weltkrieges so, als befänden sie sich tatsächlich im Krieg. Dabei wurde eigentlich niemals richtig Krieg geführt. Europa stand unter Stress und die Weltmächte begannen massiv aufzurüsten. Als die UdSSR im August 1949 ihre erste Atomwaffe testete und damit das amerikanische Monopol durchbrach, wurde es ernst. Die Atomwaffen wurden seitdem nicht nur als reine Zerstörungswaffe, sondern auch als politische Waffe geführt. Damals wie heute verbreitete die Atomwaffe Angst und Schrecken. Dieses Angst machen hat sich bis heute bewährt und wird auch während des Konflikts in der Ukraine praktiziert. Schon allein der Besitz dieser Waffe verhinderte in vielen Fällen eine Eskalation. Dabei blieb es nicht allen beim Bau einer Atombombe. Im Frühjahr 1954 testete die USA eine Wasserstoffbombe mit 15 Megatonnen. Diese Bombe übertraf die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe um das 750fache. Einige Jahre später brachte es die von der UdSSR erprobte „Zar-Bombe“ auf 50 Megatonnen und einen auf 64 Kilometer Höhe aufgetürmten Atompilz. Bis Mitte der 1980er Jahre kam es in Europa zu einem Wettrüsten sondergleichen. Beide Weltmächte hatten mit über 60.000 Sprengköpfe, genug, um den gesamten Erdball und mit ihm die Menschheit gleich mehrmals zu vernichten. Warum kam es eigentlich zu diesem kalten Krieg? Auslöser dürften die unterschiedlichen politischen Systeme der beiden Weltmächte USA und der damalige Sowjetunion gewesen sein. Während die USA für die westlichen Demokratien einstanden, kämpfte die Sowjetunion für den Kommunismus. Nun wiederholt sich die Geschichte: Führende Spitzenpolitiker der Weltmächte drohen offen mit einem atomaren Konflikt. Wohlwissend, dass dies auch das Ende ihrer eigenen zivilen Kultur bedeuten würde. Ich frage mich: Was muss noch geschehen, bevor die Menschen erwachen ? Das Säbelrasseln und die vielen Drohgebärden gefährden das EINE, das EINZIGE Leben das WIR haben. Ich muss an dieser Stelle immer an den Brief eines jungen Soldaten denken der in Verdun an der Front kämpfte und dort mit einem Bauchschuss seine letzten Zeilen kritzelte und elendig verstarb. Kein Politiker und kein Führer einer Weltmacht hat je nach diesem Schicksal gefragt. Viele Soldaten endeten wie jetzt in der Ukraine in einem Massengrab. Sinnlos werden die Kinder von Millionen verzweifelten Müttern in den Tod geschickt. Wann hört das auf ? Macht, Politik und Geld haben schon immer die Menschen verdorben.

Bereits im November des Jahres 1970 wuchs in der Bevölkerung der Protest gegen den geplanten Bau dieses Munitionsdepots im Kaselswald. Der damalige Verband für Touristik und Kultur rief die Bevölkerung zu einer Protestwanderung auf. Die Aktion wurde am 15.November 1970, dem Volkstrauertag, durchgeführt. Neben der Sorge, dass im Depot atomare Waffen gelagert wurde, ärgerte man sich über das mutwillige Abholzen einer Waldfläche. Immerhin befand sich das geplante Baugebiet in einem Landschaftsnutzgebiet. Die angesetzte Wanderung endete damals mit einer Abschlusskundgebung auf dem Dirminger Marktplatz. Letztlich waren alle diese Bemühungen des Verbandes und der engagierten Bürgerinnen und Bürger umsonst. Das Munitionsdepot wurde errichtet und brachte fortan die Gerüchteküche zum brodeln. Wahrscheinlich wurden niemals atomare Waffen in dem Depot im Kaselswald gelagert. Warum sollen diese auch dort gelagert werden? Allein aus militärischen Gründen macht es keinen Sinn solche Waffen in einem “Neben-Depot” zu lagern. Die einfache Sicherung des gesamten Areals spricht ebenfalls gegen die Lagerung solcher schweren Waffen und Kampfmittel. Nach der Aufgabe des Depots wurden, Anfang der 90er Jahre, die gesamte Munition in das Hauptdepot Miesau überliefert. Welche Waffen sich am Ende tatsächlich im Kaselswald befanden bleibt bis heute ein Rätsel.

Heute ist es ruhig geworden um das alte Munitionsdepot im Kaselwald. Die Anlage ist immer noch mit einem 3 m hohen Stacheldraht umzogen und kann nicht betreten werden. Zahlreiche Bunker des ehemaligen NATO-Munitionsdepots wurden inzwischen vermietet. Das ist auch in Dirmingen der Fall. Viele der einzelnen Bunker werden inzwischen von Firmen oder Geschäften genutzt. In regelmäßigen Abständen ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst auf dem Gelände damit beschäftigt, kleinere Munition aus dem zweiten Weltkrieg fachmännisch zu entsorgen oder zu sprengen. Auch diese kleinen herbeigeführten Explosionen sorgen hin und wieder für reichlich Gesprächsstoff im Dorf. Der kalte Krieg fand unerwartet schnell sein Ende. Plötzlich kam die Wende und der Mauerfall brachte den Frieden. Die Menschen auf der Straße sorgten mit ihrer friedlichen Demonstration für ein Umdenken. Friedlicher Protest gehört auch heute noch zu den besten Waffen der Demokratie. Wir müssen irgendwie zusehen, dass uns die ganze Kiste nicht irgendwann um die Ohren fliegt. Das sind wir schon mal unseren Kindern und den folgenden Generationen schuldig.