Es war mir eine Ehre – Mein Abschied vom Presbyterium der „Evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel- Illtal“

Das Leben ist Veränderung! Am Sonntag, 17. März 2024 musste ich von einem liebgewonnen Ehrenamt Abschied nehmen. Meine Amtszeit im Presbyterium der „Evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen“ oder wie es jetzt heißt „Evangelische Kirchengemeinde St. Wendel- Illtal“ endete an diesem Sonntag mit einem feierlichen Gottesdienst. Obwohl mir Abschiedszeremonien zuwider sind, habe ich diesen steinigen Weg gerne auf mich genommen. Seit 2016 war ich Mitglied im Presbyterium meiner Kirchengemeinde. Ich habe dieses Ehrenamt immer sehr gerne wahrgenommen und habe letztlich viel Nerven, Herzblut und Energie investiert. Ob das am Ende alles gut war, müssen andere entscheiden. Ich habe gerne meiner Kirche gedient und es war mir eine Ehre dieses Amt ausüben zu dürfen. Nein, ich habe meine ehrenamtliche Tätigkeit im Presbyterium nicht gerne beendet. Am Ende siegten die Einsicht und die Vernunft. Die Mitarbeit in einem Presbyterium übernimmt man nicht einfach so nebenbei. Es handelt sich um ein zeitintensives und anspruchsvolles Ehrenamt. Ich musste im letzten Jahr feststellen, dass sich meine Tätigkeit als Ortsvorsteher unseres Heimatortes in vielen Dingen nicht mit dem Amt eines Presbyters verträgt. Ganz oft beißen sich die beiden Ämter und kollidieren in den verschiedenen Vorhaben und Intentionen. 

Die Kirche und somit auch meine Gemeinde hat mir Zeit meines bisherigen Lebens vieles gegeben. Meine eigene Identität, meine Kindheitserinnerungen, meine Jugendzeit und mein Erwachsenwerden waren von meiner Suche nach dem eigenen Glauben, in unserer Kirchengemeinde, geprägt. Natürlich habe auch ich meine persönlichen Probleme mit der Institution Kirche. Dennoch hatte ich immer das Gefühl in unserer Kirche oder Gemeinde ein Zuhause gefunden zu haben. Man könnte dieses Verhältnis mit der angespannten Beziehung eines Vaters zu seinem Sohn vergleichen. Viele Jahre war mir unsere Kirche zu streng, altbacken und besserwisserisch. Wenn man jedoch hinter die Fassaden blickt, erkennt man schnell, dass vieles anders ist als man meint. Kirche sollte nicht verängstigen, sondern vielmehr ermutigen. Diesbezüglich befindet sich unsere Gemeinde auf einem neuen, guten Weg.

Die Welt hat sich verändert. Viele von uns stehen vor der Frage, ob es tatsächlich noch eine Kirche braucht! Ist die Institution Kirche noch zu retten? Manchmal muss es weh tun, bevor es gut wird. Ich glaube, genau in diesem Stadium einer bevorstehenden Transformation befindet sich unsere Kirche. Die Lage ist ernst, aber nicht unbedingt ausweglos. Ein Umdenken ist unbedingt erforderlich. Eine Umfrage zufolge werden beide Kirchen bis zum Jahr 2060 die Hälfte ihrer Mitglieder und Gelder verlieren. Unser Land schafft seine christliche Identität ab und stellt die Weichen auf Wechsel. Auf diese Tatsache müssen nun Antworten gefunden werden. Das neue Presbyterium hat es nicht leicht. Eine Kirchengemeinde zu leiten und zu gestalten ist alles andere als einfach. Seit der richtungsweisenden Zusammenlegung der Kirchengemeinden Uchtelfangen, St. Wendel und Dirmingen zum 01. Januar 2024 haben sich die Aufgaben des Presbyters schon ein wenig verändert. Zukünftig wird es neben dem Bereichspresbyterium auch ein Gesamtpresbyterium geben. Das bedeutet, dass man zukünftig verstärkt auf den anderen achten und für seine eigenen Ziele stärker einstehen muss.

Mein Amt als Presbyter hat mir in den letzten 8 Jahren viele schlaflose Nächte bereitet. Oft fühlten wir uns überfordert oder schlicht allein gelassen. Besonders die schwierige Zeit der Vakanz hat uns viel Kraft gekostet. Begleitet von der allgegenwärtigen Frage:  Wie erhalten wir unsere Kirchengemeinde? Wie sanieren wir unsere Gebäude? Wie begeistern wir junge Menschen für unsere Sache? Wie halten wir den Abwärtstrend der Kirche auf und wer zeigt uns den Weg? Fragen über Fragen. Dennoch hat mir diese Zeit viel mit auf den Weg gegeben. Tiefe Freundschaften sind entstanden und neues Vertrauen wurde geweckt. Wiederum auf der anderen Seite sind aufgrund diverser Meinungsverschiedenheiten alte Bekanntschaften erloschen. Das Leben ist ein Kommen und Gehen. Mit mir gemeinsam haben Andreas Schmidt und Jutta Schäfer aus Berschweiler nach vielen Jahren Mitgliedschaft im Presbyterium ihre Tätigkeit beendet. Ganz bestimmt ist auch ihnen diese Entscheidung nicht leicht gefallen.

Es geht um die Zukunft der Kirche. Wie halten wir die Kirche im Dorf und wie schaffen wir es neue Wege zu gehen. Vieles steht auf dem Prüfstand und muss hinterfragt werden. Schwere Zeiten für Presbyterien oder Pfarrgemeinderäte. Unsere Kirche plagt sich seit einigen Jahren mit einem gewissen Imageproblem. Skandale und Missbrauchsvorwürfe haben diesen Vorgang beschleunigt. Auch die Menschen haben sich verändert. Für meinen Glauben benötige ich heute nicht mehr unbedingt die Kirche. Was ich für meinen Glauben benötige, bekomme ich leicht im Internet. Heute suchen die Menschen nach Alternativen. Viele Eltern legen immer weniger Wert darauf ihr Kind taufen zu lassen und so manches Ehepaar wählt zur eigenen Trauung lieber einen Friedensprediger. Nur bei Beerdigungen sucht so manches Schäfchen noch den Trost seiner Kirche. Fakt ist auch, dass inzwischen mehr Kirchenmitglieder sterben, als Täuflinge hinzukommen.

Unsere Kirche wird sich verändern. Unsere Gottesdienstformen, unsere Kinder und Jugendarbeit und unsere Verwaltungsstrukturen werden sich verändern. Mit Blick auf die sinkenden Mitgliederzahlen sind neue Ideen und mehr Innovationen gefragt. Für die Kirchen geht es nun darum dem Negativ-Trend entgegenzusteuern. Dazu muss jede Kirchengemeinde mit der Zeit gehen und neue Wege und Ideen aufzeigen. Mehr Internet, mehr besondere Gottesdienste, Familienangebote und noch intensivere persönliche Seelsorge. Altes muss Neuem weichen! Der Trend geht weg vom üblichen Sonntagmorgen-Gottesdienst hin zu alternativen Angeboten. Dabei geht es auch um die Frage, wie wir Advent, Weihnachten oder auch Ostern einmal anders erleben können. Es müssen neue Möglichkeiten geschafft werden, um Gottes Wort über neue Wege an die Frau oder den Mann zu bringen. Auch das Verhalten unserer Kirchenmitglieder hat sich stark verändert. Taufe, Konfirmation, Traugottesdienst oder Bestattungen sollen am besten flexibler und persönlicher gestaltet und durchgeführt werden. Der Anspruch ist größer geworden. Machen wir uns nichts vor: der gesellschaftliche Wandel macht auch vor der Kirche nicht Halt.

Kirche ist eben auch Tradition und Kultur. Ich glaube, dass viele Menschen daran interessiert sind, die Kirche im Dorf zu lassen. Für viele Gemeindeglieder ist der Erhalt der eigenen Kirchengemeinde eine emotionale Angelegenheit. Dabei geht es nicht nur um die Institution Kirche, sondern auch um das Gebäude und die damit verbundenen eigene Geschichte. In dieser Kirche wurde ich getauft, konfirmiert, habe geheiratet und habe mein Familienmitglied beerdigt. Ja, stimmt, wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Schmerzlich wurde dieses Gefühl den Freundinnen und Freunde aus Berschweiler vor Augen geführt. Es ist nie schön etwas Liebgewonnenes zu verlieren. Niemand im Presbyterium hat diese schwerwiegende Entscheidung leicht getroffen. Am Ende ging es allein darum das Überleben unserer Kirchengemeinde zu sichern. Dabei rückt eben auch die Sanierung des evangelischen Gemeindehauses in Dirmingen in den Vordergrund. 

Kirche ist eben auch Tradition und Kultur. Wirklich? Über 60 % der Jugendlichen antworten auf eine Umfrage, dass die Kirche ihnen keine Antworten für die Zukunft bietet. Außerdem kennen über 60 % der Deutschen nicht den Ursprung aller christlichen Feiertage. Abschließend erspare ich uns die Info darüber, wie viele Deutsche überhaupt noch wissen, was wir eigentlich an Ostern oder Weihnachten feiern. Quo Vadis Kirche oder soll ich fragen: Quo Vadis Christentum? Wir müssen wieder mehr Feuer und Flamme sein und für unsere Kirche brennen. Das Schulfach Religion wurde in den letzten Jahren immer mehr in Frage gestellt. Wir verurteilen den schleichenden Tod unserer Kultur und sind nicht in der Lage den Kindern unsere Werte näherzubringen. Wie soll da noch Kirche und Glauben funktionieren? Kirche hat immer auch etwas mit der eigenen Identität zu tun. Wenn wir es nicht schaffen uns auf das wesentliche zu konzentrieren und die Basis zu stärken, ist es um die Zukunft vieler Gemeinden schlecht bestellt.

Ende gut, alles gut? Der Einführungs- oder Abschiedsgottesdienst hat mich emotional schon aufgewühlt. Lasse ich meine Kirchengemeinde im Stich und setze ich die falschen Prioritäten? Manchmal ist es richtig und gut einen Neuanfang zu starten. Seit dem 01. Januar 2024 fusionierte unsere Kirchengemeinde und ging über in die neue Evangelische Kirchengemeinde St. Wendel- Illtal. Zeit für einen Neuanfang. Neue Besen kehren gut, oder neue Frauen und Männer können nun unter neuen Vorrausetzungen neue Wege beschreiten. Frischer Wind wird unserer Kirchengemeinde guttun. Wenn man das Gefühl bekommt, ständig nur im Wege zu stehen, sollte man einen Schlussstrich ziehen. Ich glaube, dass mein Abschied aus dem Presbyterium neuen Raum schafft und neue Möglichkeiten eröffnet. Nein, ich bin nicht im Streit und auch nicht in der Enttäuschung gegangen. Ich bin gegangen, weil es Zeit war zu gehen. Ich bin meiner Kirchengemeinde dankbar und trage sie weiterhin tief in meinem Herzen. Manchmal muss man sich für einen Weg entscheiden. Meine Entscheidung war keine gegen die Kirche, sondern leidglich für eine andere Herzenssache. Es wäre nicht fair gewesen meiner Kirche nur noch halbherzig zur Verfügung zu stehen. Unsere Kirche braucht gerade jetzt volle Kraft und jede Menge Intention.

Eine gewisse Aufbruchstimmung breitete sich zuletzt in unserer Gemeinde aus. Dabei entsteht viel Neues das Hoffnung schafft. Immerhin kümmern sich nach der Zusammenlegung 6 Pfarrerinnen und Pfarrer um unsere neue Kirchengemeinde. Die Besucherzahlen in den Gottesdiensten sind zuletzt stark angestiegen und es wurden neue Menschen gefunden, die bereit waren Aufgaben und Ämter zu übernehmen. Gut so! Ich wünsche dem neuen Presbyterium viel Glück, Erfolg und Gottes Segen. Ja, ich werde es vermissen. Ich bin jedoch felsenfest davon überzeugt, dass ich den richtigen Schritt gegangen bin.   

Ich wünsche dem neuen Presbyterium viel Kraft, Durchhaltevermögen und viele neue Ideen. Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder zum Glauben finden und wieder ihre eigene Kirche annehmen. Der Kirche selbst wünsche ich den Mut Fehler einzugestehen und die Kraft es zukünftig besser zu machen. Für eine gut funktionierende und aktive Kirche gibt es in diesem Land noch alle Hände voll zu tun. Danke, dass ich dienen durfte. Es war mir eine Ehre!