09. November – Ein bemerkenswerter Tag in der deutschen Geschichte – Von einer Zeitenwende zum Guten sind wir meilenweit entfernt !
„Fische mit zu ködern. Sättigt es sonst niemanden, so sättigt es doch meine Rache. Er hat mich beschimpft, mir ’ne halbe Million gehindert; meinen Verlust belacht, meinen Gewinn bespottet, mein Volk geschmäht, meinen Handel gekreuzt, meine Freunde verleitet, meine Feinde gehetzt. Und was hat er für Grund! Ich bin ein Jude. Hat nicht ein Jude Augen? Hat nicht ein Jude Hände, Gliedmaßen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Mit derselben Speise genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet von eben dem Winter und Sommer als ein Christ? Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen? Sind wir euch in allen Dingen ähnlich, so wollen wir’s euch auch darin gleich tun. Wenn ein Jude einen Christen beleidigt, was ist seine Demut? Rache. Wenn ein Christ einen Juden beleidigt, was muss seine Geduld sein nach christlichem Vorbild? Nu, Rache. Die Bosheit, die ihr mich lehrt, die will ich ausüben, und es muss schlimm hergehen, oder ich will es meinen Meistern zuvortun.„
(Quelle: Der Kaufmann von Venedig; 1600 ; Shylock)
Mit dem Alter öffnet man seine Sichtweite und versucht öfter mal hinter die Fasenden zu blicken. Ich persönlich ertappe mich zuletzt immer öfter dabei, alte Schriften zu lesen und klassische Musik zu hören. Wir leben in anstrengenden Zeiten, in denen zuletzt immer öfter von einer sogenannten Zeitenwende gesprochen wird. Bezüglich Fremdenhass und Antisemitismus haben wir tatsächlich eine Zeitenwende erreicht. Der Modezar Karl Lagerfeld sagte einmal: “ In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen.“ Beim durchstöbern alter, historischer Bücher bin ich auf den „Kaufmann von Venedig“ gestoßen. Das Werk sollte man sich in der Muse mal antun. Es spiegelt auf interessante Art das jahrhundertlange angespannte Verhältnis von Juden und Christen wider. Leider befinden wir uns diesbezüglich noch immer auf einem sehr steinigen Weg. Der 09. November ging im Jahre 1938 als Reichspogromnacht in die deutsche Geschichte ein. Beim genauen hinschauen fällt uns auf, dass der 09. November immer wieder eine entscheidende Rolle in der deutschen Geschichte spielt.
Der 9. November 1989 – Ein historischer Tag für Deutschland! Wohl kaum ein anderer Tag markiert in der deutschen Geschichte so häufig eine Zeitenwende. Die meisten von uns werden beim Blick auf den Kalender an den 09. November 1989 zurückdenken. An diesem Tag brachte eine friedliche Demokratiebewegung die Berliner Mauer zum Einfallen. Bereits im Oktober 1989 überschlugen sich die Ereignisse. Die Auswirkungen dieser friedlichen Volksrevolution waren bis in Saarland spürbar. Immer mehr Menschen flüchteten über Ungarn nach Deutschland und schließlich auch bei uns an die Saar. Ohne Gewalt und mit viel Beharrlichkeit, setzte sich am Ende die sogenannte “Macht der Straße” durch. Ich erinnere mich an viele endlose Diskussionen in unserer Stammkneipe. Niemand konnte sich damals vorstellen, dass diese Bewegung zum Fall der Mauer führen würde. Wir wurden gottlob eines Besseren belehrt.
Eine geschichtsträchtige Pressekonferenz am Abend des 9. November 1989 brachte das Fass zum Überlaufen. Die angesetzte Pressekonferenz der SED sorgte am Ende tatsächlich für eine Zeitenwende. Mit seinem damaligen legendären Statement riss der damalige SED-Funktionär Günter Schabowski praktisch die Mauer im Alleingang ein. Dabei war alles ganz anders geplant. Auf Schabowskis berühmtem Zettel war keinerlei Sperrvermerk zu lesen, obwohl der ja eigentlich geplant war. Der Funktionär öffnete praktisch so ganz nebenbei den Weg in die Freiheit. Als der rot-weiße Schlagbaum am Berliner Grenzübergang am Donnerstag, 9. November 1989 an der „Bornholmer Straße“ fiel, wurde deutsche Geschichte geschrieben.
Wohl kaum ein anderes Datum in unserer deutschen Geschichte schürte im Verlaufe der letzten Jahrzehnte die Emotionen so sehr wie der 9. November. Dieses Datum symbolisierte oft die Hoffnungen der Deutschen und auf der anderen Seite auch den Weg in das „Dritte Reich“. Ausgerechnet an dem Datum, an dem die Berliner Mauer fiel und die Deutschen zur Wiedervereinigung kamen, begann in Berlin eines der schwärzesten Kapitel unserer Geschichte. In der Nacht zum 9. November 1938 wurden auf Geheiß der nationalsozialistischen Partei in ganz Deutschland Läden und Wohnungen jüdischer Bürger geplündert und zerstört. Synagogen wurden in Brand gesetzt, Menschen verhaftet, vertrieben und sogar ermordet. Dieser 09. November 1938 ging als „Reichspogromnacht“ in die unsere Geschichte ein. Diese schicksalshafte Nacht steht für den Beginn des Grauens und für den Antisemitismus in unserem Land. Was daraufhin folgte sollte uns allen bis heute zur Mahnung dienen.
Wer ist heutzutage noch zufrieden mit der Migrationspolitik ? Auch ich habe diesbezüglich meine Meinung: Natürlich sollten sich Gäste immer friedlich verhalten und versuchen sich zu integrieren. Leute mit Bombengürteln oder Messern in den Taschen brauchen wir nicht. Wo fangen wir an und wo genau hören wir auf ? Wer hat die Antwort auf die Fragen unserer Zeit ? Wer darf in unser Land kommen und wer sollte draußen bleiben ? Wo genau beginnt das Menschenrecht ? Berechtigte Kritik darf nicht in Fremdenhass münden.
Die Nazis streuten ihre böse Saat bereits viel früher in unserem Land aus. Am 9. November 1923 scheiterte in München der sogenannte Hitlerputsch. Ziel dieses Putschversuches war die „nationale Revolution“ und die Absetzung der Bayerischen Regierung und der Reichregierung. Dabei hätte alles gut werden können. Am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann die erste Deutsche Republik aus. Die Novemberrevolution 1918 führt das Deutsche Reich von einer Monarchie in eine parlamentarisch-demokratische Republik.
Unsere heutige Zeit erinnert mich tatsächlich an die Weimarer Republik. Alles ist in Bewegung und wir sind auf dem besten Weg die gleichen Fehler zu wiederholen. Täglich werden wir von den negativen Schlagzeilen eingeholt: Krieg, Terror, Mord, Totschlag, Fremdenhass und eine menschliche Verrohung die seines Gleichen sucht. Politiker polarisieren, Lügen und verbreiten öffentlich Verschwörungstheorien. Inwieweit darf eine Prostest Wahl über die Zukunft unseres Landes entscheiden ? Hat es nicht genauso vor über 80 Jahren angefangen ? Auf der anderen Seite muss die Politik endlich mehr bürgernähe lernen und pflegen. Viele Politiker lassen jegliche Empathie vermissen und baden sich in Selbstherrlichkeit.
Immer wieder der 9. November! Was hat es mit diesem Tag auf sich und warum bewegt er unser Land? Noch nicht genug? Einen haben wir noch: Am 9. November 1848 scheiterte die sogenannte Märzrevolution. Der volkstümliche Anführer Robert Blum wird durch seinen Tod zur Symbolfigur dieser Revolution. Nach der Niederschlagung des Aufstands wird Blum am 9. November 1848 hingerichtet. Blum wurde am 9. November um 7:30 Uhr beim Jägerhaus in der Brigittenau erschossen. Seine letzten Worte waren: „Ich sterbe für die deutsche Freiheit, für die ich gekämpft. Möge das Vaterland meiner eingedenk sein.“
Freiheit? Zurück zum Anfang! Irgendwie schließt sich der Kreis. Manchmal scheint es mir, als hätte es das alles schon einmal gegeben. Vieles was wir heute hören, wurde in der Geschichte schon einmal geäußert. Wortfetzen: „Wir sind das Volk“, „die Mauer muss weg“, „Ausländer raus“, „Freiheit“…lernen wir niemals dazu?
Ich habe als sogenanntes „Kassettenkind“ die Wende miterlebt. Die 80-er Jahre haben bis heute einen festen Platz in meinem Herzen. Das war meine Zeit: Zauberwürfel, Kassettenrecorder, NENA -Poster an der Wand, ZDF -Hitparade, Sportschau, Badewanne und Wetten, dass …? Heimlich am ersten „Schäfer-Bier“ getrunken, Walkman auf den Ohren und die erste Liebe im Herzen. Auf der anderen Seite könnten uns die 80-er Jahren aber auch als mahnendes Beispiel dienen. Irgendwie alles schon mal da gewesen: die Auswirkungen des Klimawandels waren schon damals spürbar, Wälder wurden abgeholzt, die atomare Gefahr war allgegenwärtig, der kalte Krieg hatte Europa in seinem kalten Griff, Ausländerfeindlichkeit und Friedensdemonstrationen waren an der Tagesordnung. Alles schon mal da gewesen, oder? Haben wir daraus gelernt?
Ich denke noch heute gerne an den Mauerfall und die darauffolgende Zeitenwende zurück. Schon als Jugendlicher konnte ich nicht begreifen, warum man ein Land durch eine Mauer teilt. Natürlich wuchs im Jahre 1989 zusammen, was zusammengehört. Alle anderen Thesen sind aus meiner Sicht Unsinn. Noch ist es Zeit aus der Geschichte zu lernen. Noch können wir das Ding drehen und es für die kommenden Generationen besser machen. Es ist an der Zeit! Der 9. November kann am Ende eine wunderbare Nachricht mit sich ziehen. Menschen stehen auf, nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und schaffen gemeinsam, auf der Straße, etwas Historisches. Ist das nicht wunderbar? Hand in Hand wurde für die Freiheit gekämpft: „…die Mauer muss weg“ oder „…wir sind das Volk“ sind unvergessene Sätze die als Meilensteine der Menschlichkeit in unsere Geschichtsbücher eingingen.
„…wir sind das Volk“, da war doch was? Wie man hört, wurde dieser Satz in den letzten paar Jahren öfters zweckentfremdet. Wir hören diesen Satz bei den Aufmärschen der rechten Szene, während den diversen Corona-Demonstrationen oder auf den heutigen Montagsdemonstrationen gegen irgendwie „alles“. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Demonstrationen sind gut! Menschenketten, Lichterketten, Kundgebungen, Schweigemärsche und Mahnwachen können zum Umdenken bewegen. Ironie des Schicksals oder unserer Geschichte: Die ersten ursprünglichen Montagsdemonstrationen im Jahre 1989 sorgten für eine friedliche Zeitenwende. Was wir brauchen ist genau ein solches Signal. Von einer friedlichen Zeitenwende in eine bessere Zukunft sind wir im Moment meilenweit entfernt!