450 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Dirmingen – Wie finden wir in Zeiten von Angst und „Halloween“ zu Luthers Reformation
Reformieren – verändern, verbessern, neugestalten! Viele von uns haben Angst vor Veränderungen. Angst spaltet, isoliert und irritiert! Die großen Machtmenschen dieser Welt spielen mit der Angst der Menschen. Angst ist gegenwärtig, Angst macht Einsam. Wir kennen die Angst vor Armut, Krankheit, Tot dem nuklearen Super Gau oder dem Verlust eines lieben Menschen. Angst lähmt und hemmt uns in unseren Entscheidungen. Irgendwo zwischen „Rommelbootze“ und „Halloween“ irrt der gute alte Luther herum! Immer weniger Menschen suchen in dieser Zeit der Verrohung und Angst einen festen Halt in der Kirche oder dem eigenen Glauben. Gibt es in dieser hitzigen Zeit noch einen Platz für Luther und seine Reformation?
Im Jahre 1575, vor 450 Jahren, wurde in Dirmingen die Reformation eingeführt. Das bis dahin katholische Dorf folgte den Grafen von Nassau-Saarbrücken, die in ihrem Reich das lutherische Bekenntnis einführten. Wie war es damals in der Zeit der Reformation? Hatten unsere Vorfahren auch Angst vor einer so weitreichenden Veränderung?
Am 31. Oktober wird in unserem Land neben dem protestantischen Reformationstag auch Halloween gefeiert. Für viele Menschen, nicht nur Kinder, ist Halloween inzwischen zu einem besonderen Festtag geworden. Vielerorts werden Grusel-Partys organisiert und sogar in den Kitas und Schulen macht man sich einen Spaß mit der Angst. Halloween geht auf eine uralte keltische Tradition zurück und entstammt nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, aus den vereinigten Staaten. Der Name bezieht sich auf den Abend vor Allerheiligen (All Hallows‘ Eve), an dem die Toten dem Volksmund zufolge zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt wandeln. Mit den vielen irischen Einwanderern gelangte das Brauchtum in die USA und von dort wieder zurück nach Europa.


Die Angst breitet sich aus in unserem Land. Angst vor Krieg, Terror, Gewalt, Verlust und auch vor der Bombe. An „Halloween“ machen wir die Not zur Tugend und spielen mit unserer Angst. Die Menschen die vor 450 Jahren, zur Zeit der Reformation in unserem Dorf lebten, hatten keine große Wahl und mussten die Veränderungen im Land annehmen. Die schrecklichen Bauernkriege von 1524- 1526 legten auch unsere Region in Schutt und Asche. Wie wird sich unser Land oder Dorf in den nächsten Jahren verändern. Werden unsere Kinder noch in Frieden aufwachsen? Ich frage mich, ob wir in dieser schnelllebigen Zeit noch einen Platz für ein kirchliches Jubiläum oder einen Reformationstag finden.
Der November verfügt über viele nachdenkliche und auch besinnliche Feiertage. Unsere Kirchen befassen sich in diesem Monat mit dem Abschiednehmen und der eigenen Haltung zum Lebensende. Die Redewendung „die Kirche im Dorf lassen“ hat ihre Wurzeln in ländlichen Raum. Im Grunde wollte man damit zum Ausdruck bringen, dass die Kirche, als zentrales Element des dörflichen Lebens darstellt. Viele Jahrhunderte lang bildete die Kirche das Herzstück eines Dorfes. Die Dorfkirche diente nicht nur zum religiösen Rückzugsort, sondern auch als Versammlungsstätte für die Dorfbewohner. Im Laufe der Jahrzehnte gewann die Redewendung „die Kirche im Dorf lassen“ eine breitere Bedeutung. Das Sprichwort „die Kirche im Dorf lassen“ ist ein Appell an den gesunden Menschenverstand.


Bis heute ist es in unserem Dorf gelungen die „Kirche im Dorf zu lassen“. Wie lange werden unsere Kirchen noch standhalten? Wie viele Menschen wurden in unserer Dorfkirche getauft, verheiratet oder beerdigt? Die Entstehung der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen spiegelt die Entwicklung unserer Region und insbesondere unseres Landkreises wider. Im Jahre 1575 führte Graf Albrecht von Nassau – Weilburg die Reformation in der Grafschaft Ottweiler ein. Dirmingen gehört seit seiner Gründung im Jahre 1281 der Grafschaft Saarbrücken im späteren Kreisstadt Ottweiler an. Mit Einführung der Reformation wurde die Jahrhunderte alte römisch-katholische Gemeinde aufgelöst. In allen Gemeinden der Grafschaft wurde eine Kirchenvisitation durchgeführt, wobei man es den Pfarrern freistellte, die Konfession zu wechseln. Der damalige Seelsorger aus Dirmingen Pfarrer Venn lehnte die Reformation ab und musste die Grafschaft verlassen. Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges wurden in der Grafschaft keine Katholiken geduldet.
Die Reformation im heutigen Saargebiet hat ihren Erfolg verschiedenen Wegbereitern zu verdanken. Superintendent Laurentius Stephani und Graf Albrecht waren die stärksten Befürworter und wichtigsten Unterstützern. Stephani hatte bei Philipp Melanchthon, einem guten Freund Luthers, in Wittenberg studiert. Stephani legte den Grundstein für eine neue Kirchenordnung. Auf Basis dieser neuen Ordnung fand die Saarbrücker Reformation ihren Weg.
Rund 50 Jahre nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg wurde die Reformation im heutigen Saarland umgesetzt. Seit 1575 gilt in der Region der ehemaligen Grafschaft Nassau-Saarbrücken mit ihren Zentren Saarbrücken und Ottweiler das lutherische Bekenntnis. Der 30- jährige Krieg hemmte naturgemäß die Entwicklung der Reformation an der Saar. Auch in Dirmingen herrschten in diesen Jahren verheerende Zustände. Im Gegensatz zu vielen anderen saarländischen Dörfern konnte die Kirche in der Ortsmitte erhalten werden.


Die Réunionskriege und der Vertrag von Rijswijk von 1697 sicherten die Rückkehr katholischer Bevölkerung in die lutherische Grafschaft. Im Rahmen des „Frieden von Rijswijk“ wurde die Kirche in der Ortsmitte den Protestanten zugesprochen. Zahllose Kirchen im Saargebiet wurden, meist bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, simultan, also gemeinsam genutzt. So ähnlich dürfte es sich auch in Dirmingen zugetragen haben. Das 18. Jahrhundert wurde geprägt von innerörtlichen Spannungen zwischen Katholiken, die deutlich in der Unterzahl waren und evangelischen Christen.
Im Jahre 1746 musste die in die Jahre gekommene Kirche in der Dirminger Ortsmitte teilweise abgebrochen und neu aufgebaut werden. Bezüglich des Zustandes der Dorfkirche vor der Reformation liegen leider keine genauen Angaben vor. Der wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtete und noch erhaltene romanische Turm lässt auf einen Vorgängerbau schließen. Vermutlich war diese damalige Kirche wegen der geringeren Bevölkerungszahl kleiner als die heutige. Der Plan zum Kirchenneubau im Jahre 1746 stammt aus der sogenannten „Stengelschule“, zu der auch die Söhne Stengels gehörten. Friedrich Joachim Stengel war der Architekt, der das Bauwesen und vor allem den Sakralbau in Nassau Saarbrücken beeinflusste. Für die meisten Bauten in der Saargegend war die Teilnahme Stengels, zumindest aber seine Begutachtung, notwendig. Von daher dürfen wir davon ausgehen, dass der Meister auch am architektonischen Entwurf der Kirche in Dirmingen beteiligt war. Die Kirche gehört zu den einfachsten Nassau – Saarbrücker Kirchenbauten. Es ging wohl primär um die baldige Benutzbarkeit des Gotteshauses, denn nach einer halbjährigen Bauzeit wurde die Kirche im November 1746 eingeweiht.
Bis zum Jahre 1911 lebten nur wenige Katholiken in Dirmingen. Diese Zeit war von Spannungen und Rivalität geprägt. Ein neugegründeter Kirchbauverein erbaute auf dem Rothenberg eine erste katholische Pfarrkirche. Viele Protestanten blickten kritisch auf diese Entwicklung. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde auch die evangelische Kirche an der Saar in die Zerreißprobe des so genannten Kirchenkampfes gestellt. Es gelang der Glaubensbewegung der Deutschen Christen, durch die Kirchenwahlen zahlreiche Presbyterien zu besetzen. Die evangelische Kirchengemeinde Dirmingen setzte sich während einer Bekenntnissynoden in Saarbücken für die Abwehr der nationalsozialistischen Irrlehre ein. Standhalten in schwierigen Jahren. Ich glaube, dass könnte ein guter Ansatz für unsere Zukunft sein.


Während des Nazi-Regimes kamen die Spannungen zwischen den Katholiken und Protestanten zum Erliegen. Die Menschen im Dorf rückten enger zusammen und legten in schwierigen dieser Zeit keinen Wert auf den konfessionellen Unterschied. Die beiden Ortsgeistlichen Pastor Didas und Pfarrer Engel hatten einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung. Im Jahre 1936/37 wurde eine wesentliche Erweiterung der Kirche in Dirmingen durchgeführt. Nach den Plänen von Professor Rudolf Krüger, Saarbrücken, wurde an der Ostseite des Kirchenschiffes von 1746 ein Anbau errichtet. In den neu errichteten Chorraum wurden zwei runde Buntglasfenster eingebaut, die in Kreuzform geteilt sind. Das Nordfenster zeigt in der Kreuzmitte die Christussymbole PX und A und? und an den Enden der Kreuzarme die Symbole der Evangelisten: Mensch, Löwe, Stier, Adler. Das Südfenster (nach der Straßenkreuzung zu) zeigt in der Kreuzmitte zwei sich kreuzende Schlüssel, im oberen Feld das Lamm mit der Kreuzfahne und im unteren Feld ein brennendes Herz. Dieses Fenster ist dem Kirchensiegel der Ev. Kirchengemeinde Dirmingen nachgebildet.
Etliche Pfarrer, Presbyter und gemeine Kirchenmitglieder haben die Entwicklung der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen in den letzten 450 Jahren geprägt. Seit der Jahrtausendwende reagieren die Kirchenkreise an der Saar mit Strukturveränderungen auf die Herausforderungen der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Inzwischen sind diese Strukturreformen auch in Dirmingen angekommen. Im Jahre 2024 entstand die evangelische Kirchengemeinde St. Wendel- Illtal als Gesamtgemeinde. Im Jahre 2026 werden die beiden Kirchenkreise Saar-Ost und Saar-West zum Kirchenkreis „An der Saar“ fusionieren und damit den Kirchenkreisverband ersetzen. Die Veränderung der evangelischen Kirche nach der Reformation im Jahre 1575 wird auch in unserer evangelischen Kirche in Dirmingen deutlich sichtbar. Wenn man die Kirche vom Choranbau/ Altar aus durch das Kirchenschiff in Richtung Turm durchschreitet, erkennt man die drei Bauepochen, die unsere Kirche gestaltet haben: Neuzeit, Barockzeit, Mittelalter.

Nach dem Auszug unserer „Kerb“ geht es in Dirmingen Schlag auf Schlag. Mit Riesenschritten nähern wir uns dem Jahresende. Nach der „Kerb“ beginnt die dunkle Jahreszeit. Der November bietet eine Vielzahl von stillen und gesetzlichen Feiertagen. Zuerst kommt „Halloween“ zeitgleich mit dem Reformationstag, danach reitet St. Martin durch unser Dorf und schließlich neigt sich auch unser Kirchenjahr mit „Allerheiligen“, Volkstrauertag oder dem Ewigkeitssonntag dem Ende zu. Am 1. Adventswochenende findet schon der „Mittelalterliche Weihnachtsmarkt“ statt und dann, steht schon bald das Christkind vor der Tür.
Ausgerechnet in dieser dunklen, kalten und trostlosen Jahreszeit beginnt das Spiel mit der Angst. Die Angst spaltet, entfremdet, lähmt und enthemmt. Mit Angst baut man Druck auf und erzeugt Aggression. Es ist die Angst vor allem Fremden und allem, was anders aussieht oder anders denkt. Wir alle haben Existenzängste, Verlustängste. Wir sind getrieben von der Angst den Partner, das Kind oder den Arbeitsplatz zu verlieren. Wir haben Angst vor Veränderungen oder dem Verlust von Macht und Geld. Die Angst geht um und verändert die Menschen. Der Umgangston wird rauer, härter und rücksichtsloser. Angst treibt an und kann verletzen oder sogar töten. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Und nun, sollen wir am 31. Oktober (Halloween) tatsächlich die Angst feiern? Wie finden wir inmitten von gruseligen Gestalten und Monstern zu Luther oder zu wichtigen Reformationen ?
Der 31. Oktober spaltet seit einigen Jahrzehnten nicht nur mein persönliches Weltbild. Ja, ich gebe zu: Ich habe meine Probleme mit Halloween! Nein, ich möchte es keinem verbieten und halte mich an die Devise:“ Leben und leben lassen“ oder frei übersetzt: Feiern und feiern lassen! Ich persönlich feiere jedoch viel lieber Reformationstag oder das Jubiläum unserer evangelischen Kirchengemeinde. Was aber hat der Reformationstag mit Halloween zu tun? Eigentlich Nichts, oder sagen wir, fast nichts. Das Einzige, was diese beiden Festtage verbindet, ist der 31. Oktober als feststehender Termin sowie die Tatsache, dass beides keine bundesweiten Feiertage sind. Der Reformationstag ist in der Evangelischen Kirche der Gedenktag zu Ehren Martin Luthers großer Kirchenreform vor über 500 Jahren. Schon Martin Luther vertrat die Ansicht, dass “Angstmachen” sogenanntes Teufelswerk ist und nicht funktionieren kann. Luther erkannte schon recht früh: „Gott will keine verängstigten Menschen”. Die Methoden der damaligen katholischen Kirche basierten auf Drohungen, Verbreitung von Angst und Vorverurteilungen. Im Mittelalter werden die Menschen mit Dämonen, Hexen und dem Teufel bedroht. Scheinbar trägt diese Methode bis heute Wirkung!

450. Jahre Evangelische Kirchengemeinde Dirmingen. Welche Bedeutung hat dieses Jubiläum in unserer Zeit? Die Kirche spielt eine immer unbedeutendere Rolle. Die Menschen haben sich von der Kirche abgewendet und pflegen ihren Glauben lieber in den eigene vier Wänden. Kirchenaustritte und Kirchenskandale pflastern unseren Weg. Wie soll es in dieser Zeit der Verrohung und Angst gelingen die „Kirche im Dorf zu lassen“? Die beiden großen Kirchen in diesem Land haben alle Hände voll zu tun, um die eigene Zukunft positiv zu gestalten. Kirchen werden geschlossen und Gemeinden zusammengelegt. Wohin führt der Weg unserer beiden Kirchen? Eine Lösung liegt in der Ökumene. Meine Großmutter erzählte mir mal, dass die Zeit unmittelbar nach dem Krieg sehr harmonisch verlief. Nach der Zerstörung der katholischen Kirche auf dem Rothenberg wurde in unserer evangelischen Kirche das Simultaneum, zwei Konfessionen unter einem Kirchendach, durchgeführt. Das war nicht die schlechteste Zeit. Manchmal hilft ein Lächeln, ein Händedruck oder eine warme Geste. Reformieren – verändern, verbessern, neugestalten. Das alles sind Wörter, die für etwas Gutes und einen Neuanfang stehen.
Jedes Ende birgt einen Neuanfang! Veränderungen können Mut und Zuversicht verbreiten. Angst lähmt und macht klein. Das Spiel mit der Angst, mit Monstern und Gespenstern ist für viele Menschen interessant und faszinierend. Ich persönlich habe damit so meine Probleme. Obwohl Halloween in meinem Leben keinen Platz findet, verlangt mein demokratisches Weltbild ihren Tribut: „Leben und Leben lassen, ein jeder nach seiner Façon“. In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Reformationstag oder ein schönes Halloween. Unserer ehemaligen evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen gratuliere ich ganz herzlich zum 450 Jubiläum. Ich hoffe die Verantwortlichen finden die Kraft in der neuen Kirchengemeinde St. Wendel-Illtal standzuhalten. Unser Dorf braucht die „Kirche im Dorf“

