Mit Blick auf die 272.“Derminga Kerb“ – Warum es sich lohnt an eigenen Traditionen festzuhalten

Es ist kein Dörflein gar so klein, Daß nicht drin’ sollt des Jahrs eine Kirmes sein. (Johann Nepomuk Vogl)

“Kerb” Ortsmitte vor dem “Kläse Keller”

Wem ist die „Kerb“? Uuuus! Dieser bekannte Schlachtruf wird jährlich zur Eröffnung der „Derminga Kerb“ geschmettert. Ganz bestimmt kennt man diesen bekannte Ausruf auch in anderen saarländischen Dörfern und grölt ihn zur eigenen „Kirb, Kärb, Kirw, Kirf, Kerb oder Kirmes. Ein jedes Dorf nach seiner Façon. Wer hat’s erfunden und wem gehört nun die „Kerb“? Ist das so wichtig? Nein, natürlich nicht! Für mich persönlich ist die „Kerb“ ein Dorffest für alle Dirminger, Freunde und Gönner. Eine Konfession oder eine Parteizugehörigkeit spielt dabei keine Rolle. Diese Zeiten sind längst vorbei und haben am Ende auch viel zulange angedauert. Aus meiner Sicht sollte ein Volksfest wie die “Kerb”die Grenzen überwinden und Brücken schlagen. Streit, Missgunst und Neid haben auf diesem Fest nichts verloren.

Kulturaner vor der “Kerch”

Natürlich, an der „Derminga Kerb“ feiern wir die Kirchweihe der heutigen evangelischen Kirche zu Dirmingen in der Ortsmitte. Fakt ist, die „Derminga Kerb“ ist kein Patronatsfest und hat auch nichts mit dem Patroziniumstag der hiesigen St. Wendalinusgemeinde oder der St.Wendler Wendalinuskirmes zu tun. Der Geschichte zu Ehre sollte man erwähnen, dass der Turm der heutigen evangelischen Kirche vermutlich aus der zweiten Hälfte des 13.Jahrhunderts stammt. Nachdem die Reformation im Jahre 1575 Dirmingen erreichte, wurde die Kirche ausschließlich von Protestanten benutzt. Im Jahre 1742 wurde das Kirchenschiff polizeilich geschlossen. Die Sicherheit der Kirchgänger wurde durch herabfallende Steine gefährdet. Am 27.April des Jahres 1746 wurde der Grundstein für den Neubau der Kirche gelegt. Der Teil des historischen Turmes wurde dabei erhalten. Schon am 06.November 1746, nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr, fand die Kirchweihe statt. Seitdem wird in Dirmingen die „Kerb“ gefeiert. Die Bevölkerung Dirmingens einigte sich im Laufe der Jahre, aufgrund der nicht feststehenden Kalendertage, auf den letzten Oktobersonntag als Kirchweihtag. Das letzte Oktoberwochenende liegt etwa in der Mitte des zeitlich stark schwankenden 27.Trinitatissonntages und bot sich somit als feststehender Termin an. Im Jahre 1968 wurde im damaligen Gemeinderat kurzzeitig darüber nachgedacht die “Kerb” vorzuziehen. Der Dirminger Gemeinderat wollte mit dieser Terminverschiebung dem Patroziniumstag des heiligen Wendalinus, der hiesigen katholischen Wendalinus Pfarrgemeinde, entgegenkommen. Am Ende wurde jedoch am feststehenden Termin im Oktober festgehalten. Soweit ein kurzer Abriss zur Entstehung der „Derminga Kerb“.

Festplatz Heute

Bei der Dirminger „Kerb“ handelt es sich also um ein Kirchweihfest im eigentlichen Sinne. Aus dem einstmaligen Kirchweihfest entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte die Veranstaltung mit Buden und Karussells so wie wir sie heute kennen. Früher durfte an der „Kerb“ niemand arbeiteten. Für die Bauern waren es die einzigen freien Tage im Jahr. Es war ein Fest für die ganze Familie. Bis heute ist es laut Volksmund guter Brauch, das eigene Land, Wiesen und Gärten bis zur „Kerb“ gemäht oder bewirtschaftet zu haben. Der bekannte Baumeister Friedrich Joachim Stengel erschuf die evangelische Kirche in der Ortsmitte im barocken Stil. Ganz nebenbei hat Stengel so bekannte Werke wie z.B die Ludwigskirche, die Kirche St. Johann Saarbrücken und der Neubau des Schlosses in Saarbrücken erbaut. Ob der damalige berühmte Baumeister jedoch jemals in Dirmingen war, um sein Werk zu erblicken, ist nicht belegt. Allein Baupläne stammen nachweislich aus der Feder des berühmten Meisters.

Kerb in den 1980-ger Jahren

In den 1990-er Jahren wurde das Interesse der Menschen an der eigenen Kirmes von Jahr zu Jahr weniger. Die Schausteller beklagten den Rückgang der Einnahmen. Genau zu dieser Zeit reiften die ersten Überlegungen, der eigenen „Kerb“ ein neues Ansehen zu verschaffen. Die ersten Gedankenspiele der Verantwortlichen gingen dahin, den Menschen im Dorf ihre eigene Kirmes wieder nahe zu legen. Gesagt, getan! Im Jahre 1999 wurde erstmals die Kirmes unter Mithilfe einer “Kernmannschaft“, des späteren Kulturvereins, im „Kläse“-Keller ausgegraben. Zum „Leben erweckt“ wurde eine Strohpuppe, die mit einer Flasche Schnaps aus dem alten „Kläse“-Keller herausgetragen wurde. Mit dieser ersten Ausgrabung der „Kerb“ hatte der Ortsvorsteher Rudi Hell zusammen mit seinen Mitstreitern den Bann gebrochen. Nur kurze Zeit später erfolgte die Gründung des Kulturvereins Dirmingen. Seit seiner Gründung ist der Dirminger Kulturverein, gemeinsam mit dem Ortsrat, für den Erhalt des Kirmesbrauchtums in Dirmingen verantwortlich. Jedes Jahr pilgern zahlreiche Schaulustige zum „Kläse“-Keller, um dort der Ausgrabung des ”Kerwe-Lisje” und des “Kerwe-Hennes” beizuwohnen. Am Samstag, 27.Oktober 2018 um 16:00 Uhr ist es wieder soweit! Die Kulturaner stehen Spalier und unser Ortsvorsteher wird das „Kerwepaar“ 2018 wach-küssen.

“Kerwe-Lisje” und sein Hennes

Jedes Jahr fragt man sich: Wer wird es wohl in diesem Jahr sein? An dieser Stelle kommt meine Person ins Spiel. Zu meinen Aufgaben im Kulturverein Dirmingen gehört die Organisation der „Kerb“ und insbesondere die Suche eines geeigneten „Kerwepaars“. Es stimmt, ich mache jedes Jahr ein großes Geheimnis aus den Acta „Lisje“. Warum eigentlich? Weil es Spaß macht und ich es schöner finde, wenn die Leute überrascht werden. Im Jahr 2000 gab es in Dirmingen erstmals ein „lebendiges“ „Kerwelisje“. In den ersten Jahren war das „Kerwe-Lisje“ noch auf sich allein gestellt. Erst im Jahre 2003 nahm erstmals ein „Kerwe-Hannes“ Platz an der Seite des „Lisjes“. Der Kulturverein investiert seitdem viel liebe Mühe in die Aufwertung der „Kerb“. Heute hat die „Kerb“ einen festen Platz in unserem Ortskalender. Einfacher wird die Sache jedoch nicht! Wie erhalten wir die „Kerb“ und wie gelingt es uns die Schausteller auch weiterhin in unser Dorf zu locken? Die berechtigte Kritik unserer Jugend, dass es an einem Karussell für Jugendliche mangelt, ist bei den Verantwortlichen längst angekommen. Immerhin engagiert sich unsere Dorfjugend an der „Kerb“ und nimmt als „Strauße-Jugend“ am bunten Treiben teil. Natürlich hören wir auf die Stimme unserer Dorfjugend, allein an der Umsetzung scheiterte es in den letzten Jahren. Eine Dorfkirmes für die Schausteller attraktiv zu machen ist eine gewaltige Aufgabe. Viele Schausteller gehen lieber auf die großen Martini-Kirmessen oder die ersten Weihnachtsmärkte. Eine gewöhnliche Kirmes lockt keinen ambitionierten Schausteller mehr aus der Reserve. Im Saarland war in den letzten Jahren ein vermehrtes Sterben von Dorf-Kirmessen festzustellen. Von daher sind wir ganz glücklich, dass wir noch gute, treue und freundliche Schausteller wie z. B die Familie Jockers haben.

Kulturaner

Schon sehr früh waren die Kulturaner darauf bedacht, eine gewisse Einheit zu demonstrieren. Die „Derminga Kerb“ wird jedes Jahr unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ durchgeführt. Mit diesem Slogan soll der Zusammenhalt im Kulturverein und in der Bevölkerung gestärkt werden. Ziel ist es, die „Kerb“ als Fest der Dirminger in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Heute spielt es längst keine Rolle mehr, ob man evangelischen oder katholischen Glaubens ist. Im Vordergrund stehen der Mensch, die Heimatliebe und die Lust am Leben. Für die Außendarstellung spielt ein einheitliches Auftreten natürlich eine gewichtige Rolle. Aus diesem Grunde beschlossen die „Kulturaner“, sich ein gemeinschaftliches Aussehen zu verschaffen. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende wurden die bekannten „weiß-blauen Musketier-Kostüme“ zum Markenzeichen der Kulturaner. Die blauweißen Farben des Kostüms erinnern an die Wappenfarben des Heimatortes Dirmingen. Musketiere stehen zudem für Patriotismus, Zusammenhalt, Ehre und Loyalität. Mit diesen Eigenschaften kann sich der Kulturverein zur eigenen „Kerb“ gut identifizieren. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch viele Jahre die Tradition aufrechterhalten und am letzten Oktoberwochenende „Kerb“ feiern.

Anlässlich einer Kirchenvisitation im 18. Jahrhundert wurde das Presbyterium gefragt, ob es denn Säufer in der Gemeinde gäbe. Die Antwort des Pfarrers lautete: „Nicht das ich wüsste. Dafür hat in diesen Elenden Zeiten der Herrgott uns Zaum und Gebiss ins Maul gelegt. Nur an der Kerb saufen Sie sich alle voll“ (Originalzitat * „Gedenket den vorigen Tagen“ -Seite 152)

Werbung in eigener Sache:

Im Eppelborner Heimatheft Nummer 18 – 2017/18 habe ich unter dem Titel: Geschichte und Entstehung der „Derminga Kerb“ einen Beitrag geschrieben. Das Werk kann man immer noch bei „Schreiben und Schenken in der Dirminger Ortsmitte käuflich erwerben.

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